Köbi Kuhn
Seine sieben Jahre an der Spitze der Schweizer Nationalmannschaft waren geprägt von Momenten des Glücks, aber auch von mancher Kontroverse. Was immer auch geschehen mag an der Euro 08, Köbi Kuhn wird danach erhobenen Hauptes gehen.
Es ist paradox: Trotz empfindlicher Kritik und bereits nominiertem Nachfolger steht Köbi Kuhn gelassener denn je vor der grössten Herausforderung seiner Karriere. Wer aber ist dieser Köbi?
In den 1960er- und 1970er-Jahren war Köbi Kuhn der Spielmacher beim FC Zürich und der Nationalmannschaft. Eleganz und Übersicht prägten sein Spiel, und seit jenen Zeiten ist er dem Fussball immer treu geblieben. Er trainierte die Junioren des FCZ, übernahm später nationale Juniorenauswahlen und wurde am 16. Juni 2001 Nachfolger von Enzo Trossero, dem damaligen Schweizer Nationalcoach.
Als erstem Trainer gelang es ihm, die Schweizer Mannschaft für drei grosse Turniere in Folge zu qualifizieren: Euro 2004, Weltmeisterschaft 2006 und Euro 2008. Trotzdem verlor er einmal beinahe seinen Job. Am 15. Mai 2002 erlitt die Schweiz in St. Gallen eine schmähliche 3:1-Niederlage gegen das mittelmässige Team aus Kanada.
Schweizer des Jahres und Vater der Nation
Kuhn wurde vor zwei Jahren zum Schweizer des Jahres gewählt und galt während der Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland als Vaterfigur der ganzen Nation. Trotzdem sank die Beliebtheit des Zürchers gemäss Umfragen rapide.
Zwei Ereignisse schadeten seinem Renommee: An der WM 06 versagte seine Mannschaft im Achteltlfinale gegen die Ukraine kläglich im Penalty-Schiessen, und der spätere Ausschluss von Kapitän Johann Vogel aus der Mannschaft weckte den Unmut der Öffentlichkeit.
Ein Schachzug, der an die Anfangszeiten des Nationaltrainers erinnert. Damals scheute er sich nicht, die Mannschaftsstützen Stéphane Chapuisat und Stéphane Henchoz zu entlassen. Unvergessen bleiben auch die Differenzen mit Blaise Nkufo, die jedoch heute nicht mehr von Bedeutung sind.
Ruhe und Aufrichtigkeit
Um Unstimmigkeiten in der Spielerkabine vorzubeugen, wurde vor einem Jahr Adrian Knup zum «Teamberater» berufen. Er soll als Bindeglied zwischen Trainer und Spieler fungieren.
Die Kompetenz des Trainers wird jedoch nicht angezweifelt, wie swissinfo bei mehreren Spielern der Schweizer Nationalmannschaft in Erfahrung brachte. Sie stehen nach wie vor geschlossen hinter ihrem Trainer.
«Seit nun bald acht Jahren stehe ich mit Köbi Kuhn in Kontakt und habe noch nie ein Problem mit ihm gehabt. Er ist ein aufrichtiger und ehrlicher Mensch», sagt Nati-Kapitän Alex Frei gegenüber swissinfo.
«Er wird das Gleiche sagen, ob du da bist oder nicht. Was er sagt, ist klar, und auf sein Wort ist Verlass. Mit ihm erlebst du keine bösen Überraschungen. Er hat beispielsweise seinen Entscheid, nach der Euro aufzuhören, sehr schnell kommuniziert. Da blieb kein Platz für Zweifel und Spekulationen», doppelt Johan Djourou nach.
Für Ludovic Magnin sprechen die Leistungen der Nationalmannschaft unter der Führung von Köbi Kuhn für sich und machen aus dem Zürcher «den besten Trainer, den die Schweiz jemals hatte». Zudem sei es ihm gelungen, ein echtes Team zu bilden. «Ich kann Ihnen versichern, die Stimmung ist nicht mehr dieselbe wie im Jahr 2000, als ich zur Mannschaft gestossen bin», so Magnin weiter.
«Ich glaube, die Leute, die ihn heute kritisieren, sind die gleichen, die ihm während der Weltmeisterschaft Blumen zugeworfen haben», schätzt Philippe Senderos. «Nicht Köbi hat sich verändert, sondern der Blick der Leute.»
Falsches Bild
Eigentlich müsste das Image als Vaterfigur der Nation ein paar Kratzer haben, doch was soll es, Köbi Kuhn, der nette Kerl von nebenan, hat sich nie täuschen lassen. «Vom Strahlemann zum Buhmann ist es oft nur ein kleiner Schritt», bekräftigte er schon vor der Euro 2004 in Portugal.
Sein angekündigter Abgang und der Wechsel von Othmar Hitzfeld an die Spitze des Nationalteams befreien ihn von jeglichem Druck. Zum ersten Mal wird er die Mannschaft nach seiner Wahl zusammenstellen können, was er zweifellos auch tun wird.
Köbi Kuhn sei ein temperamentvoller Mensch und auch mal für einen Blödsinn zu haben, meinen viele ehemalige Fussballer, die ihm begegnet sind.
«Ich finde es genial, wie Köbi es schaffte, während all den Jahren mit seinem Image zu spielen. Der ‹offizielle› Köbi ist nicht der, den ich kenne», meint beispielsweise der ehemalige Nationalspieler und bekannte Trainer Umberto Barberis.
«Skandal von Sheffield» und «Nacht von Oslo»
Zwei Episoden aus Kuhns Zeit mit der Nationalmannschaft untermauern diese Vermutung und nähren die Zweifel am Image der bloss gutmütigen Vaterfigur.
Weltmeisterschaft 1966 in England: Am Vorabend des ersten Matches gegen Deutschland kehrten Köbi Kuhn und der Verteidiger Werner Leimgruber aus dem Ausgang zu spät ins Hotel zurück. Beide wurden für das Spiel gesperrt, die Schweiz verlor 5:0. Das war «der Skandal von Sheffield».
12 Jahre später in Norwegen: Köbi Kuhn und Joko Pfister missachteten erneut die Sperrstunde, wurden aus der Mannschaft ausgeschlossen und schliesslich rehabilitiert. Diese Episode ging als «die Nacht von Oslo» in die Geschichte ein.
Sheffield, Oslo und…warum nicht «die Nacht von Wien»? Wie jeder Trainer träumt Köbi Kuhn zweifelsohne davon, mit seiner Mannschaft Europameister zu werden und den Abend vom 29. Juni in Ausgelassenheit zu feiern – und warum nicht mit Werner und Joko?
swissinfo, Mathias Froidevaux
(Übertragung aus dem Französischen: Christine Fuhrer)
Jakob Kuhn wurde am 12. Oktober 1943 in Zürich geboren, wo er mit 17 Jahren seine fussballerische Karriere begann (FC Wiedikon von 1954 bis 1959 und FC Zürich von 1960 bis 1977).
Mit dem FC Zürich wurde Köbi Kuhn sechsmal Meister und fünfmal Cupsieger. Er war an zwei Halbfinals im Europacup dabei, gegen Real Madrid und Liverpool.
Er spielte 63 Mal in der Nationalmannschaft und war an der Weltmeisterschaft 1966 in England dabei.
Er war sportlicher Leiter und Trainer ad interim des FC Zürich (1983-1984) und seit 1996 der Junioren-Nationalmannschaften (U18 und U 21). Im Juni 2001 folgte er auf Enzo Trossero an die Spitze der Schweizer Nationalmannschaft.
Er ist der erste Trainer, der bei drei grossen Turnieren dabei war und ist (Euro 2004, Weltmeisterschaft 2006 und Euro 2008).
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