Kommt Bewegung in den Fluglärmstreit?
Beim Besuch der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel steht ein Thema vor allen anderen: Der Fluglärmstreit zwischen der Schweiz und Deutschland. Die Schweiz hofft auf eine erste Lockerung des komplizierten Knotens.
Seit Jahren ist er blockiert. Und seit Jahren trübt er die Beziehungen zwischen der Schweiz und Deutschland. Der Streit um den Lärm in der Anflugschneise des Flughafens Zürich Kloten.
Weil diese wegen der Kleinräumigkeit der Schweiz teilweise über süddeutsches Gebiet im Schwarzwald führt, hat das nördliche Nachbarland einseitige Massnahmen wie etwa Flugbeschränkungen ergriffen.
Im März 2003 scheiterte ein neuer Staatsvertrag zwischen den beiden Ländern, der in Deutschland bereits abgesegnet war. Das Schweizer Parlament konnte sich nicht einigen.
Nun besucht die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel am Dienstag die Schweiz. Das Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) erhofft sich, bei diesem offiziellen Arbeitsbesuch in der vertrackten Situation einen Schritt vorwärts zu machen.
«In dieser Angelegenheit sind natürlich Lösungen gefragt, die im Interesse der ganzen Region sind», betont EDA-Sprecher Lars Knuchel gegenüber swissinfo.
Zusammenarbeit
«Das betrifft übrigens nicht nur das enge Flughafendossier, sondern die gesamte grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Und umso nützlicher ist es, wenn die Gespräche dazu beitragen können.»
Knuchel spricht damit verschiedene Lösungsvorschläge an, die in letzter Zeit durchgespielt worden sind. So etwa die Möglichkeit der Zusammenarbeit der Schweizer Grenzkantone mit dem deutschen Bundesland Baden-Württemberg in verschiedenen Fragen, speziell was den öffentlichen und privaten Verkehr betrifft.
Steuerflucht
Viel mehr ist aus dem Aussendepartement nicht zu erfahren. Die Liste der teilnehmenden Bundesräte lässt aber darauf schliessen, dass im Zentrum der Gespräche neben der Verkehrsfrage auch das Thema «Steuerflucht in die Schweiz» stehen wird.
Neben Bundespräsident Pascal Couchepin, Aussenministerin Micheline Calmy-Rey und Verkehrsminister Moritz Leuenberger wird auch Finanzminister Hans-Rudolf Merz an der Arbeitssitzung auf dem Landsitz Lohn bei Bern teilnehmen.
Nach der Europäischen Union (wegen unfairen Steuerregelungen) hat nämlich auch Deutschland wegen der Steuerhinterziehung den Druck auf die Schweiz verstärkt. Der deutsche Finanzminister Peer Steinbrück nannte die Schweiz im Februar eine «Steueroase».
«Auch Steuerfragen gehören zu den Themen», bestätigt Knuchel. «Es ist bekannt, dass deutsche Stellen gerade in jüngster Zeit Kritik an der schweizerischen Steuergesetzgebung geübt haben. Und selbstverständlich wird die Schweiz ihren Standpunkt in diesen Fragen bei diesem Arbeitsbesuch klar darlegen.»
Schweiz pocht auf Bilaterale
Die Schweiz stellt sich auf den Standpunkt, die Frage der Zinsbesteuerung ausländischer Guthaben sei in den Bilateralen Abkommen langfristig geregelt.
Erst kürzlich hat sich Aussenministerin Calmy-Rey zum Schweizer Bankgeheimnis geäussert: «Unser Bankgeheimnis ist in verschiedenen Verträgen mit der EU abgesichert. Es besteht kein Handlungsbedarf.»
Zum Streit über die Besteuerung von Kapitalgesellschaften sagte die EDA-Chefin, die Schweiz müsse wettbewerbsfähig bleiben und dafür wenn nötig autonom auch Reformen anpacken.
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Bilaterale Abkommen
Auslandschweizer profitieren
Einen positiven Aspekt kann Elisabeth Michel, Präsidentin der Auslandschweizer-Organisation (ASO) Deutschland, Merkels Besuch abgewinnen. «Sie kann eigentlich der Schweiz nur gut tun, wenn sie eine freundschaftliche Beziehung zu diesem Land pflegt und es auch besucht», sagt sie.
Michel, die in Osnabrück lebt, ist von Merkels Arbeit überzeugt. «Ich finde sie als Persönlichkeit, als Politikerin sehr gut», sagt sie. «Ich finde es gut, dass sie kommt, dass sie sich die Zeit nimmt, dieses kleine Land zu besuchen und ihm damit auch seine Wichtigkeit gibt.»
Letztlich könnten auch die Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer in Deutschland von diesem Arbeitsbesuch profitieren, «weil wir als Schweizer in Deutschland mit Sicherheit auch anders wahrgenommen werden».
swissinfo, Christian Raaflaub
Deutschland ist bei weitem der bedeutendste Handelspartner der Schweiz.
2007 importierte die Schweiz insgesamt für 184 Mrd. Franken Waren, davon entfielen 62,2 Milliarden auf Waren aus Deutschland.
2007 exportierte die Schweiz insgesamt Waren für 197,4 Mrd. Franken, wovon 41,2 Milliarden nach Deutschland gingen.
Die Dienstleistungen machen bereits 40% des Handelsvolumens zwischen den beiden Ländern aus.
Deutschland nahm 2007 11,9 Mrd. Euro an Dienstleistungen mit der Schweiz ein, und gab 8,6 Mrd. Euro aus – ohne Reiseverkehr.
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