Konfliktprävention: Wirtschaft steht in der Pflicht
Was hat die Privatwirtschaft mit Kriegen und Konflikten zu tun? Einiges, sagen die Fachleute für Sicherheitspolitik.
Mit der Globalisierung sei die Wirtschaft zunehmend mit Gewalt konfrontiert, sagt Daniele Ganser von der Forschungsstelle für Sicherheitspolitik der ETH Zürich im Gespräch mit swissinfo.
Nicht selten fördere die Wirtschaft gar innerstaatliche Konflikte, statt sie zu lösen. Den multinationalen Unternehmen könne bei der Konfliktprävention durchaus Verantwortung zugesprochen werden, so Ganser.
swissinfo: Von internationalen Unternehmen wird heute erwartet, dass sie ökologische und soziale Kriterien erfüllen. Nun soll die Privatwirtschaft gar als Friedenstifterin auftreten?
Daniele Ganser: Viele Unternehmen sind mit der Globalisierung zu gewichtigen internationalen Akteuren geworden, die immer häufiger mit Gewaltkonflikten konfrontiert werden. Zudem werden einige kriegerische Konflikte durch den Handel – etwa mit Diamanten oder Holz – direkt finanziert.
swissinfo: Welche Rolle spielt die Privatwirtschaft in diesen Gewaltkonflikten?
D.G.: Es kommt immer wieder vor, dass international tätige Firmen durch ihr Verhalten Konflikte zusätzlich antreiben, sei es durch Unterstützung diktatorischer Regimes, indirekte Finanzierung von Rebellengruppen oder Involvierung in lokale Korruptionsgeschäfte.
Ein Beispiel sind die so genannten «Blutdiamanten» aus Angola. Mit dem Verkauf von Diamanten nach Europa wurde ein langer, grausamer Bürgerkrieg finanziert. Die direkte Verbindung zwischen Krieg und Geschäft war offensichtlich, doch erst unter Druck von Nichtregierungs-Organisationen änderte der südafrikanische Diamanten-Einkäufer De Beers seine Geschäftspraxis.
Ein anderes Beispiel war der Schweizer Unterwäsche-Hersteller Triumph. Die Firma hatte einen Teil ihrer Produktion in Birma (Myanmar), wo eine Militärdiktatur gewalttätig und unter Verletzung der Menschenrechte regiert.
Triumph wurde von Menschenrechts-Organisationen massiv kritisiert und musste schliesslich, unter dem Druck der öffentlichen Empörung aus Birma abziehen, um weiteren Imageschaden zu verhindern.
Die positiven Beispiele sind aber vermutlich die interessantesten: Wo haben Firmen eine Verbindung zu einem Gewaltkonflikt gehabt und aus Eigeninteresse auf eine Verminderung der Gewalt hingewirkt? Es ist diese Kategorie, welche uns hier am Institut primär interessiert.
Es gibt Quellen, die zum Beispiel behaupten, die Privatwirtschaft habe in Südafrika dazu beigetragen, dass die Apartheid ohne Bürgerkrieg abgeschafft werden konnte.
swissinfo: Nestlé wird wegen seiner Trinkwasser-Geschäfte in Brasilien kritisiert. Die ABB ist – mit Exportrisikogarantie des Bundes – am Drei-Schluchten-Staudamm in China beteiligt. Hier lautet die Kritik: Umweltschäden und Menschenrechts-Verletzungen.
D.G.: Wir stecken mitten in einem Lernprozess und können nicht erwarten, dass sich die Dinge sofort ändern.
Der Anreiz, hohe Gewinne zu machen, wird immer gross sein, sogar wenn dabei neben Umweltschäden auch Gewaltkonflikte entstehen.
Die Rechnung der Wirtschaft sollte aber alle Faktoren einbeziehen, auch den möglichen Schaden.
Wenn das Wasser privatisiert wird und sich grosse Konzerne weltweit das Recht zum Trinken erkaufen und damit handeln, dann werden wir Kriege um das Wasser haben, wie wir sie gegenwärtig um das Öl haben. Das ist ganz klar.
Der Punkt ist aber, dass wir als Menschheit aus diesen Konflikten längerfristig nur als Verlierer hervorgehen können, weil sich die geographischen Räume der Gewalt zusehends ausbreiten.
swissinfo: Das Projekt der ETH Zürich untersucht das Potenzial von Unternehmen, Konflikte zu verhüten. Was empfehlen Sie den Schweizer Unternehmern?
D.G.: Wir treten nicht als Berater auf, um der Wirtschaft zu sagen, was sie zu tun hat. Das Forschungsfeld ist noch sehr neu.
Wir versuchen als erstes herauszufinden, wo die einzelnen Unternehmen eine Verbindung zur Gewalt haben und ob diese Verbindung die Gewalt fördert oder sie reduziert, auch wenn die Kausalkette manchmal schwierig nachzuzeichnen ist. Am Ende suchen wir Beispiele, wo eine Veränderung der Wirtschaftstätigkeit auch die Gewalt reduziert hat.
swissinfo: Sie appellieren also an das Eigeninteresse: Die Unternehmen sollen Gewalt-Verstrickungen erkennen, bevor sie von Menschenrechts-Organisationen entdeckt und an die Öffentlichkeit gebracht werden?
D.G.: Genau. Unsere Forschung geht vom legitimen Eigeninteresse der Privatwirtschaft aus. Die Furcht vor Image-Kampagnen ist aber nicht alles, was die Unternehmen antreiben kann. Das allein wäre zu kurzsichtig.
Das Eigeninteresse umfasst auch die Sicherheitslage generell. Für den grössten Teil der globalen Wirtschaft, auch für die Schweizer Wirtschaft, sind Frieden und Sicherheit eine Grundbedingung ihrer Tätigkeit. Wenn die Gewalt um sich greift, dann wird die Basis ihrer wirtschaftlichen Aktivität zerstört, und irgendwann ist der Punkt erreicht, an dem alle nur noch Verlierer sind.
swissinfo: Wer macht mit bei diesem Projekt?
D.G.: Wir führen Gespräche mit allen Schweizer multinationalen Unternehmen, von ABB über Novartis bis UBS.
Was das Projekt am Schluss bringen wird, hängt davon ab, welche Leute für das Thema delegiert werden, wie stark die Leute innerhalb ihrer Firma positioniert sind und welchen Einfluss sie auf die Geschäftsleitung haben.
swissinfo: Wie weit kann ein Unternehmen mit Forderungen an eine Regierung gehen?
D.G.: Das Verhältnis der Wirtschaft zu ausländischen Staaten ist immer etwas schwierig, weil sie nicht auf derselben Ebenen stehen. Ein Unternehmer ist Privatmann und nicht Vertreter seiner Regierung.
Im vertraulichen Gespräch können Wirtschaftsakteure gegenüber der Regierung aber festhalten, dass sie gewisse Investitionen nicht machen werden, wenn zum Beispiel im Land weiter gefoltert wird. Das hätte einigen Einfluss, da bin ich überzeugt. Immerhin steht da die Warnung im Raum, sich wirtschaftlich aus einem Land zurückzuziehen.
Eine andere Möglichkeit ist, mit gewissen Gütern gar nicht zu handeln, mit Blutdiamanten und Konfliktholz etwa oder mit Landminen und anderen Kriegsgütern. Die grossen internationalen Finanzströme sind natürlich mit diesem Handel verbunden. Und zumindest indirekt betrifft dies auch die Schweiz.
In einem grossen Portfolio können solche direkten oder indirekten Beteiligungen schnell aus dem Blick geraten. Um hier Transparenz zu schaffen, sind die Finanz-Intermediäre gefordert. Ich denke, bis in zehn Jahren werden viele Banken gewaltfreie Fonds anbieten, vergleichbar mit den heutigen Öko-Fonds.
Das Problem ist, dass die globale Gewalt in diesen zehn Jahren vermutlich weiter zunehmen wird. Zwar liegt es nicht im Interesse der Wirtschaft, dass ihre eigene Geschäftsbasis kaputtgeschlagen wird – aber das Umdenken braucht noch Zeit.
swissinfo-Interview: Katrin Holenstein
Für den überwiegenden Teil der globalen Wirtschaft sind Frieden und Sicherheit eine Grundbedingung ihrer wirtschaftlichen Aktivitäten.
Einzelne Branchen profitieren aber direkt von gewalttätigen Konflikten, so Daniele Ganser.
Im Irakkrieg sind dies die US-amerikanischen privaten Militärfirmen.
Diese «privatized military firms» sind boomende Söldner-Unternehmen, die Botschaften, Firmensitze oder militärische Einrichtungen beschützen.
Beispiel: Die «Blackwater Securities»: Vier ihrer Mitarbeiter wurden Ende März bei Fallujah umgebracht und die Leichen von Aufständischen geschändet.
Ganser schätzt die Zahl der «Corporate Warriors» im Irak auf 15’000.
Ein privater Söldner kann zwischen 500 bis 1500 Dollar pro Tag oder bis 45’000 Dollar im Monat verdienen.
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch