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Koordination gegen Bioterrorismus verbessern

Zivilschutz-Übung zur Untersuchung eines möglicherweise mit Anthrax-verseuchten Briefes. Keystone

Seit 2001 hat die Schweiz Fortschritte gemacht beim Schutz der Zivilbevölkerung gegen mögliche Bioterrorismus-Attacken, die Koordination aber muss noch verbessert werden.

So lautet das Echo auf eine Warnung der Europäischen Kommission über die Gefahren möglicher biologischer Angriffe und die Aufforderung zur besseren Zusammenarbeit.

Die Wahrscheinlichkeit, dass Terroristen Pocken, Anthrax, Botulismus oder Ebola-Viren zum Kampf gegen die Schweiz einsetzen, ist gemäss Experten ziemlich gering.

“Aber die Auswirkungen könnten unermesslich sein, deshalb muss man vorbereitet sein”, sagt Patrick Mathys, Vizechef der Abteilung Übertragbare Krankheiten der Sektion Früherkennung und Epidemiologie beim Bundesamt für Gesundheit, gegenüber swissinfo.

2001 wurde die Schweiz zum ersten mal mit der Bedrohung durch Bioterrorismus konfrontiert. Unbekannte versandten 1000 gefälschte Anthrax (Milzbrand)-Briefe. Sie waren wohl motiviert durch Anschläge in den USA, bei denen fünf Menschen starben, nachdem sie dem Bakterium ausgesetzt waren.

Mehrere hundert Schweizer Poststellen und der Zürcher Flughafen wurden damals für kurze Zeit geschlossen.

Der 2004 von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH) veröffentlichte Bericht über die Anthrax-Alarme und das darauf folgende Krisenmanagement zeigte Fehler bei der Kommunikation, der Verteilung der Verantwortlichkeiten und beim Vorbereitungsstand auf.

Grosse Veränderungen

“Seit 2001 hat sich ziemlich viel verändert, sagt Marc Cadisch, Direktor des Labor Spiez, des schweizerischen Fachinstituts für den Schutz vor atomaren, biologischen und chemischen (ABC) Bedrohungen und Gefahren.

“Es wurden sechs kantonale Labors eingerichtet, um Proben sicher analysieren zu können.”

Das Labor Spiez gründete auch ein Zentrum, um alle Mikroben, einschliesslich der gefährlichsten wie Ebola, sicher analysieren zu können.

Die Kommission für ABC-Schutz wurde mit Ausarbeitung einer allgemeinen Strategie beauftragt. Der erste Entwurf wurde der Landesregierung im Juni zugestellt.

“Aber die grösste Herausforderung ist die Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen dem Staat und den Kantonen, damit die Kantone dasselbe Bereitschaftsniveau aufweisen”, sagt Sergio Bonin, Autor eines internationalen Handbuches zur Verteidigung gegen Biowaffen.

Ein weiteres Problem besteht darin, dass es einige Task Force-Gruppen des Bundes gibt, bei denen die Verantwortlichkeiten nicht eindeutig definiert sind.

EU-Zusammenarbeit

Aber auch der bestausgearbeitetste Plan hat Schwächen. “Du bist nie genügend auf einen bioterroristischen Angriff vorbereitet. Du musst deine Pläne immer wieder neu evaluieren, wenn sich die Strategien deiner Gegenspieler ändern”, erklärt Mathys.

“Zudem sind die Vorbereitungsniveaus der Kantone wirklich unterschiedlich und die Möglichkeiten des Staates begrenzt – und diese Strukturen lassen sich nicht einfach so ändern.”

Weiter ist die Zusammenarbeit mit den EU-Staaten für die Schweiz als Nicht-Mitglied auch nicht so direkt, wie sie sein sollte.

“Es muss viel mehr getan werden, und wir tun unser Bestes, um mit unseren EU-Kollegen in Kontakt zu treten. Aber als Nicht-EU-Mitglied werden wir nicht zur Zusammenarbeit eingeladen”, sagt Mathys.

“Die EU hat Alarm- und Informationssysteme, denen wir uns anschliessen möchten. Wegen unseres Nicht-Mitglieds-Status ist das bisher aber nicht möglich gewesen. Das ist halt der Preis, den wir zahlen müssen.”

Grosses Problem?

Für Bonin ist die Schweizer Bereitschaft gegen Bioterrorismus “auf dem richtigen Weg”. Bei einem Pocken-Anschlag wäre jedoch die ganze Welt betroffen.

“Wir sind noch nicht dort, wo wir sein möchten, aber das ist nicht ein spezifisch schweizerisches Problem”, sagt der Zürcher Forscher. “Die Vereinigten Staaten haben seit dem 11. September Milliarden von Dollar ausgegeben. Sie haben lose Pläne aber keine grosse Erfahrung oder ausgebildete Leute – das ist dann der nächste Schritt.”

Bonin sagt, in der Schweiz sei das mehr oder weniger dasselbe; wenn man nämlich einen durchschnittlichen Arzt frage, wisse er nicht sehr viel über Bioterrorismus oder wie man mit ihm in Verbindung stehende Krankheiten erkennt.

“Es fragt sich, wie weit man gehen will”, sagt er. “Bioterrorismus hat enorme Auswirkungen, jedoch eine geringe Wahrscheinlichkeit. Im Moment findet eine grosse Debatte statt, wie gross das Bioterrorismus-Problem wirklich ist.”

swissinfo, Simon Bradley
(Übertragung aus dem Englischen: Etienne Strebel)

Eine Woche nach dem 11. September 2001 rief die Schweiz die “B-Kommission” ins Leben. Darin sind kantonale Experten vertreten, die Schweizer Armee, das Spiez Labor und das Bundesamt für Gesundheit.

Ihr Mandat besteht in der Beobachtung und Bewertung von Entwicklungen mit biologischem Bedrohungspotential.

Die Kommission soll biologische Bedrohungs- und Gefährdungsformen erkennen und Massnahmen zur Ereignisbewältigung vorschlagen.

Zudem wertet sie so geannnte B-Ereignisse aus und fördert die Zusammenarbeit innerhalb des nationalen B-Schutzes.

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