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Korruption: Eine Hotline als Alarmglocke

Anne Schwöbel: "Die multinationalen Konzerne sind sich der Gefahr bewusst." swissinfo.ch

Transparency International Schweiz eröffnet eine Hotline für Leute, die Korruption denunzieren. swissinfo hat sich mit Direktorin Anne Schwöbel unterhalten.

Die Aufdeckung mutmasslicher Korruptionsfälle bei der Suva zeigt, dass auch die Schweiz davor nicht gefeit ist.

Bestechung ist in der Schweiz ein Tabu-Thema, obwohl das Phänomen weit verbreitet zu sein scheint. Einer von drei Angestellten soll während seiner Karriere mit illegalen Machenschaften konfrontiert sein, und rund 12% der Fälle von Wirtschaftskriminalität bei Schweizer Unternehmen haben mit Korruption zu tun.

Laut einer Studie der Treuhandgesellschaft KPMG über Wirtschaftskriminalität in Schweizer Unternehmen figuriert Korruption an zweiter Stelle, hinter Betrug, aber noch vor Diebstahl.

Die jüngst erfolgte Aufdeckung mutmasslicher Korruptionsfälle bei der Schweizerischen Unfallversicherungs-Anstalt (Suva) zeigt, dass solche Praktiken nicht nur in Drittweltländern vorkommen.

Ehemalige Suva-Angestellte sollen in Bestechungsaffären im Zusammenhang mit Liegenschaften verwickelt sein, die für mehrere zehn Millionen Franken unter dem Marktpreis verkauft wurden. Gegen sieben Verdächtigte führt die Bundesanwaltschaft ein Verfahren; zwei von ihnen befinden sich zur Zeit noch in Untersuchungshaft.

Transparency International ist eine private, nicht Profit orientierte, politisch unabhängige Organisation, die für die Einführung von Regeln und Grundsatzprinzipien zur Bekämpfung der Korruption kämpft. Anne Schwöbel ist Direktorin des Schweizer Zweigs von Transparency International.

swissinfo: Wo richtet die Korruption am meisten Schaden an?

Anne Schwöbel: Sie fälscht die Konkurrenzfähigkeit, und oft werden die Schmiergelder als Aufwand den Kunden weiter verrechnet.

Bestechungsfälle im öffentlichen Sektor gehen letzten Endes zu Lasten des Steuerzahlers. Schmiergelder sind eine Verschwendung öffentlicher Gelder, weil dabei nicht unbedingt das Projekt mit der besten Qualität gewählt wird.

swissinfo: Ist die schweizerische Gesetzgebung gegen Korruption genügend?

A.S.: Seit dem Jahr 2000 wurde das Strafrecht bezüglich Korruption verschärft. Im Ausland bezahlte Bestechungsgelder können heute nicht mehr von den Steuern abgezogen werden. Im öffentlichen Sektor ist die aktive Korruption ziemlich unterdrückt. Ein Schweizer Beamter, der sich mit Geld oder anderen Mitteln bestechen lässt, riskiert eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren.

Ein Problem bei der Korruption ist die fliessende Grenze der Bestechung bei Geschenken wie Champagner, Uhren, etc.: Sie ist je nach Departement oder Kanton unterschiedlich geregelt. Hier sollte man eine Maximal-Limite festlegen, die auf gesamtschweizerischer Ebene gilt.

swissinfo: Und wie sieht es in der Privatwirtschaft aus?

A.S.: In diesem Sektor wird die Korruption im Rahmen des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb behandelt. Dabei wird nur die aktive Korruption geahndet, und zwar mit einer Geldbusse bis maximal 100’000 Franken oder einer Gefängnisstrafe.

Diese Woche nun hat der Nationalrat beschlossen, die passive Korruption ebenfalls zu ahnden, allerdings lediglich als Antragsdelikt.
Das neue Gesetz wird diese Lücke also schliessen.

swissinfo: Wie beurteilen Sie das neue Gesetz?

A.S.: Es hat mehrere Mängel. Korruption in der Privatwirtschaft ist lediglich ein Antragsdelikt und kein Offizialdelikt. Wer soll denn klagen? Sicher nicht die beiden Akteure, denn jene Person, die Schmiergelder bezahlt, erhält dafür ja einen Auftrag. Es gibt also kein Opfer im eigentlichen Sinn.

Opfer sind jene Unternehmen, die nicht berücksichtigt wurden. Aber oft wissen diese nicht einmal, dass sie infolge unlauteren Wettbewerbs nicht zum Auftrag gekommen sind. Wenn niemand Anklage erhebt, wird das neue Gesetz als unwirksam sein.

swissinfo: Erhalten Sie Denunzierungs-Anrufe?

A.S.: Ja, mutige Angestellte kontaktieren uns und fragen uns um Rat. Es gibt ein richtiges Bedürfnis danach. Bis Ende Jahr wird Transparency Schweiz eine Telefon-Hotline einrichten zur Beratung und Information der sogenannten «Whistleblowers» (Denunzianten). Man kann uns anonym anrufen, und in gewissen Fällen werden wir Informationen an die zuständigen Behörden weiterleiten.

Gegenwärtig ist es einem Angestellten untersagt, eine Drittperson auf unlautere Praktiken aufmerksam zu machen, die er in seinem Unternehmen festgestellt haben will. Wer so etwas tut riskiert die Entlassung. Als Folge verschiedener Skandale haben Länder wie die USA und Grossbritannien wirksame Schutzmassnahmen für «Whistleblowers» eingeführt.

In der diesjährigen Frühjahrssession verlangte der Nationalrat, die Grosse Parlamentskammer, gegen den Willen von Justizminister Christoph Blocher, dass das neue Gesetz ähnliche Massnahmen vorsieht.

swissinfo: Gibt es noch andere Mängel am neuen Gesetz?

Die Korruption in der Privatwirtschaft wird als Delikt, und nicht als Verbrechen eingestuft. Das Strafmass beschränkt sich auf Busse oder Haft. Und das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb gilt nicht für No-Profit-Organisationen.

Nun sind aber Sportinstanzen wie der Weltfussball-Verband (FIFA) oder das Olympische Komitee (IOC) vor Korruptionsfällen nicht gefeit. Der Ständerat hat indessen auf die Einführung einer Strafnorm bezüglich Bestechung verzichtet.

swissinfo: Unterschätzen die Schweizer Unternehmen die Korruption?

A.S.: Die multinationalen Konzerne sind sich der Gefahr bewusst. ABB, Novartis oder Nestlé haben interne Hotlines eingerichtet, bei denen ihre Angestellten anonym auf entsprechende Probleme hinweisen können. Da geht es um das gute Image.

Die Kleinen und Mittleren Unternehmen (KMU) dagegen glauben, dass sie von der Korruption nicht betroffen sind und kein Geld zur Lösung des Problems haben.

swissinfo-Interview: Luigino Canal
(Übertragung aus dem Französischen: Jean-Michel Berthoud)

Weltweite Korruptions-Summe: 400 Mrd. Dollar pro Jahr.

In der Schweiz haben 12% der Fälle von Wirtschafts-Kriminalität mit Korruption zu tun.

In der Schweiz ist Korruption ein Anklage- und kein Offizialdelikt.

Am 12. Oktober 2005 findet in Bern das Forum gegen Korruption statt. Organisiert wird die Veranstaltung von Transparency International (TI) Schweiz.

TI-Schweiz wurde 1995 gegründet und zählt heute über 140 Mitglieder.

TI ist eine private, politisch unabhängige Non-Profit-Organisation, die für die Einführung von Regeln und Grundsatzprinzipien zur Bekämpfung der Korruption kämpft.

Sie publiziert alljährlich einen weltweiten Korruptions-Index. Im jüngsten Index liegt die Schweiz auf Rang 7. An der Spitze ist Finnland, das am wenigsten von der Korruption betroffen ist.

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