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Kriegsgefangene: «Wende» der USA wird begrüsst

Camp Delta, Guantanamo Bay: Hier werden von den USA hunderte von Kriegsgefangenen festgehalten. Keystone

Die Entscheidung der USA, weltweit ihre Kriegsgefangenen unter die Genfer Konvention zu stellen, sei ein Durchbruch, sagt ein Rechtsexperte gegenüber swissinfo.

Andrew Clapham, Professor am «Institut Universitaire de Hautes Etudes Internationales» (IUHEI) in Genf meint, dass nun der Status der Gefangenen geklärt sei.

Am vergangenen Dienstag gab das Pentagon bekannt, dass weltweit alle Gefangenen in Gewahrsam des US-Militärs unter den Schutz von Artikel 3 der Genfer Konvention von 1949 gestellt würden.

Der besagte Artikel verbietet Gewalt gegen Häftlinge, einschliesslich Misshandlung und Folter. Auch demütigende und erniedrigende Behandlung ist untersagt. Weiter verbietet der Artikel die Aburteilung eines Gefangenen ohne rechtskräftigen Prozess.

Als Reaktion auf den Entschluss der USA sagte das Schweizer Aussenministerium (EDA) am Mittwoch, man habe mit Interesse davon Kenntnis genommen und begrüsse die «schnelle Entscheidung». Sie unterstreiche das Primat der internationalen Menschenrechte in einer komplexen Angelegenheit.

Das in der Schweiz ansässige Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) äusserte sich zurückhaltend auf den Schritt der USA. Sprecherin Antonella Notari sprach von einem «wichtigen Schritt der USA hin zur Respektierung der Menschenrechte».

Die Entscheidung der amerikanischen Regierung erfolgte, nachdem der Oberste Gerichtshof der USA entschieden hatte, dass die von Präsident Bush angestrebten Militär-Tribunale für die Kriegsgefangenen auf Guantanamo ungesetzlich seien. Die amerikanische Administration hatte zuvor etlichen Terrorverdächtigen die Unterstellung unter die Genfer Konvention versagt.

swissinfo: Was bedeutet dieser Schritt der USA nun?

Andrew Clapham: Ich denke, es ist ein wichtiges Signal an alle amerikanischen Dienststellen und Agenten, dass die Vereinigten Staaten in die Genfer Konventionen eingebunden werden und dass alle beteiligten gemäss diesen Konventionen zu handeln haben. Das war bislang nicht die Nachricht, die verbreitet wurde und wir wissen, dass etliche Fehlhandlungen vor diesem Hintergrund stattgefunden haben.

Hoffentlich werden sich die Verantwortlichen künftig eine Zuwiderhandlung zwei Mal überlegen. Nach einigem Überlegen werden sie nämlich feststellen, dass sie persönlich für Kriegsverbrechen verantwortlich sind, wenn sie Artikel 3 verletzen.

swissinfo: Bedeutet diese «Wende» einen Sieg für das IKRK oder hat sich die Regierung Bush lediglich dem Obersten Gerichtshof gebeugt?

A.C.: Ich glaube, es ist von beidem etwas. Das IKRK und Mary Robinson, die ehemalige UNO-Hochkommissarin für Menschenrechte, sowie diverse nichtstaatliche Organisationen haben immer wieder verlangt, dass auch in Guantanamo die Genfer Konventionen gelten.

Natürlich wurde der Beschluss durch den Entscheid des Obersten Gerichtshofes beeinflusst. Aber er war vorgespurt, weil alle zuständigen Stellen dies immer verlangt hatten.

swissinfo: Aber das Pentagon spricht nur von den Gefangenen des Militärs, nicht aber von denjenigen des Geheimdienstes CIA.

A.C.: Das Gesetz sagt, dass die «Konfliktpartei» an den Artikel 3 gebunden ist, nicht nur das amerikanische Verteidigungs-Ministerium. Und «Konfliktpartei» meint die Vereinigten Staaten.

So hält die Meinung, dass die CIA-Gefangenen nicht darunter fallen, dem Gesetz nicht stand.

swissinfo: Das Pentagon bestreitet, das es sich hier um einen Kurswechsel der Politik handle. Die Häftlinge seien immer «human» behandelt worden. Wird sich nun konkret für die Gefangenen etwas ändern und wie kann das kontrolliert werden?

A.C.: Das IKRK besucht die Häftlinge, ergo wird ihre Lage kontrolliert. Ab und zu kommen Personen frei und die berichten über die Zustände und wie sie behandelt wurden.

Es ist jedoch schwierig vorauszusagen, was kurzfristig geschehen wird. Vieles davon läuft auf der psychologischen Ebene.

Doch ist nun ein starkes Signal gesendet worden und es gibt kein Argument mehr für die USA, sich nicht zu verpflichten, die Gefangenen human zu behandeln. Sie stehen nun unter dem Schutz der Genfer Konventionen und damit ist ihr Status klar geregelt.

swissinfo-Interview: Adam Beaumont, Genf
(Übertragung aus dem Englischen: Urs Maurer)

Die Genfer Konventionen sind zwischenstaatliche Abkommen des Humanitären Völkerrechts.

Sie enthalten für den Fall eines bewaffneten Konflikts Regeln für den Schutz von Personen, die nicht an den Kampfhandlungen teilnehmen.

Die Bestimmungen der vier Konventionen von 1949 betreffen die Verwundeten und Kranken der bewaffneten Kräfte im Felde (Genfer Abkommen I), die Verwundeten, Kranken und Schiffbrüchigen der bewaffneten Kräfte zur See (Genfer Abkommen II), die Kriegsgefangenen (Genfer Abkommen III) und die Zivilpersonen in Kriegszeiten (Genfer Abkommen IV).

Die Schweiz ist Depositärstaat der Genfer Konventionen. Die erste Konvention geht auf IKRK-Gründer Henri Dunant zurück (1864).

Andrew Clapham ist Professor für internationales Recht am «Institut Universitaire de Hautes Etudes Internationales», Genf.
Er wird künftig Direktor der Genfer Akademie für Internationale Menschenrechte, die 2007 eröffnet wird.

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