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Kriegswirtschaften in Friedenszeiten überführen

Afghanistan: Schwierigkeiten beim Wegrücken von der Kriegswirtschaft. Keystone Archive

An einer Fachkonferenz in Bern haben Experten Möglichkeiten aufgezeichnet, um kriegsabhängige Volkswirtschaften wieder für Friedenszeiten umzugestalten.

Die schweizerischen und internationalen Fachleute betonten, es brauche dafür Stabilität, Basisarbeit und internationales Engagement.

Die Konferenzteilnehmer nahmen sich dabei des Beispiels Afghanistan an. Dort gestaltet sich die Kriegswirtschaft nach 20 Jahren Krieg nur langsam um. Der eintägige Anlass war von der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) und der Schweizerischen Friedensstiftung (swisspeace) organisiert worden.

swisspeace-Direktor Laurent Goetschel definiert den Begriff «Kriegswirtschaft» als eine Reihe wirtschaftlicher Strukturen, die auf bewaffnete Konflikte ausgerichtet sind, möglicherweise aber auch nach Beendigung der Gewalt weiterbestehen.

«Eine Kriegswirtschaft ist darauf angelegt, Geld aus einem kriegs- und nicht friedensbezogenen Zustand herauszuholen», betonte auch Günther Bächler, DEZA-Verantwortlicher für Konfliktprävention und Transformation, gegenüber swissinfo.

Kriegswirtschaften in konfliktgefährdeten Regionen

Kriegswirtschaften trifft man nicht nur in Ländern an, in denen ein Konflikt bereits ausgebrochen ist, sondern auch dort, wo er bereits am Schwelen ist.

Weltweit am meisten von Kriegswirtschaft gezeichnet ist die Region Afrikas, die sich unter dem Sahara-Gürtel befindet, wie die Demokratische Republik Kongo, Liberia, Sierra Leone und Angola. Dazu kommen Südostasien und der Mittlere Osten.

Die lang währende Abfolge von Konflikten, Bürger- und Befreiungskriegen haben einige der Länder in der Sub-Sahara-Region davon abgehalten, normale Volkswirtschaften und eine Demokratie aufzubauen.

«Es kann sich um das Versagen eines einzelnen Landes handeln, das Scheitern einer Regierung oder den misslungenen Versuch, eine Nation aufzubauen – jeweils in Kombination mit Einmischung von aussen», erklärte Baechler.

Kampf der Eliten

Meistens gehe es bei den Kriegen um den Kampf der Eliten um Macht und Kontrolle natürlicher und nicht-erneuerbarer Ressourcen, wie Öl, Holz, Diamanten und Gold.

Laut Paul Collier, Wirtschaftsprofessor der Oxford-Universität, entstehen Kriegswirtschaften eher in afrikanischen Staaten, besonders in den Regionen südlich der Sahara, weil diese sehr stark von natürlichen Ressourcen abhängig seien. Zudem würden diese Länder tiefe Einkommensstandards und Wachstumsraten aufweisen.

Das Ausschalten dieser Risikofaktoren sei der einzige Weg, um die Situation in diesen Ländern zu verbessern.

Beständiger Friede

Frieden könne nur dann beständig und Wachstum nur dann nachhaltig sein, wenn ein Land ökonomisch, sozial und politisch stabil sei, sagte DEZA-Direktor Walter Fust an der Konferenz.

Die Teilnehmenden in Bern waren sich einig, dass die Transformation einer Kriegs- in eine Friedenswirtschaft auf längere Frist hin machbar sei, falls gewisse Schritte eingeleitet würden.

Gedacht wird dabei an das Wiedereinführen der staatlichen Monopole bei Macht- und Steuerhoheit. Die Entwaffnung von Rebellengruppen gehört auch dazu.

Im Fall von Afghanistan seien diese Monopole nicht alle wiederinstalliert worden, sagte Susanne Schmeidl, die swisspeace in diesem Land vertritt. Präsident Hamid Karzai habe sie nicht durchführen können und damit viel an Legitimität eingebüsst.

Partnerschaften

Die Experten waren sich einig, dass Kriegswirtschaften nur dann erfolgreich transformiert werden können, wenn Regierungen, internationale nichtstaatliche Organisationen (NGO) und Private auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene mitarbeiten.

«Man kann die Transformation von oben aus einer globalen Perspektive anpacken, mit Normen, Standards, mit Überwachung und Kontrollen – wie beim Kimberley-Prozess im Fall der Diamanten», sagte Günther Bächler.

«Oder man beginnt die Umwandlung von unten auf lokaler Ebene und versucht, direkt mit dem Leuten an der Basis zusammenzuarbeiten, um ihnen ein richtiges Umfeld aufzubauen.»

Es gibt auch Erfolgsstories

Auch Schmeidl wies auf die Bedeutung der lokalen Partnerschaften hin. So bezeichnete sie die vom Afghan Civil Society Forum organisierten Regionalprogramme als kleine Erfolgsstories.

Die swisspeace-Vertreterin sagte, dass zweieinhalb Jahre Aufbauhilfe noch keine Wunder in Afghanistan bewirken können. Das Land habe 20 Jahre Bürgerkrieg hinter sich. Doch eine schrittweise Aufbauhilfe verbessere die Situation.

Laut Baechler spielt die Schweiz bei dieser Transformation der Kriegswirtschaften eine aktive Rolle. Und zwar indem sie – mit ihrer langen humanitären Tradition – die Menschenrechte und Zusammenarbeit fördert.

swissinfo, Katalin Fekete
(Übertragung aus dem Englischen: Alexander Künzle)

Die Konferenz «Transforming War Economies» fand im September 2004 in Bern statt.

Organisiert wurde sie von der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) und der Schweizerischen Friedensstiftung (swisspeace).

Zu den Regionen, die stark von Kriegen und Konflikten betroffen sind, gehören die Länder südlich der Sahara, Südostasien und der Nahe Osten.
Diese Regionen weisen einen hohen Anteil an Kriegswirtschaft auf. Das sind Wirtschaftsstrukturen, die aus Konfliktsituationen entstehen.
Konflikte in diesen Ländern entstehen vor allem wegen der Abhängigkeit von Bodenschätzen, tiefen Einkommen und tiefem Wachstum.

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