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Kriminelle junge Ausländer: Couchepin schaltet sich ein

(Ausländer-)Jugendgewalt - ein dankbares Wahlkampfthema. Keystone

Zwar spricht sich Innenminister Pascal Couchepin für die Ausschaffung von jungen Ausländern aus, die ein schweres Delikt begingen. Aber er lehnt die Ausweisung ganzer Familien ab.

Francis Matthey, Präsident der Ausländerkommission, bekämpft diesen Vorschlag: Damit würde das Problem der Ausländergewalt und –Integration nicht gelöst.

Bundesrat Pascal Couchepin hat sich von den Rezepten der Schweizerischen Volkspartei (SVP) gegen die Jugendgewalt distanziert. In einem Interview mit der Westschweizer Sonntagszeitung «Le Matin dimanche» warnt der freisinnige Bildungsminister zugleich vor Panikmache.

Er sei zwar dafür, dass man einen jungen Ausländer ausschaffe, wenn er ein schweres Delikt begangen habe, sagte Couchepin.

Denn eine solche Massnahme diene auch als abschreckendes Beispiel für andere Jugendliche und zeige diesen, dass sich die Sanktionen nicht nur auf eine Freiheitsstrafe oder eine Erziehungsmassnahme beschränkten.

Er wehre sich aber gegen Kollektivstrafen, sagte der Vorsteher des Eidgenössischen Departements des Innern (EDI) und lehnte die Wegweisung ganzer Ausländerfamilien wegen straffällig gewordener Jugendlicher ab.

SVP-Kernthema Ausländergewalt

Ende Januar war an der Delegiertenversammlung der SVP beschlossen worden, die Gewalt von Ausländern zu einem Kernthema zu machen. Die rechtskonservative SVP als stärkste Partei der Schweiz erwägt auch eine Initiative zum Thema Transparenz über Herkunft und Nationalität der Täter.

Am 19. Februar verlangte die SVP-nahe Vereinigung «Sicherheit für alle», dass der Staat härter gegen Gewalttäter und jugendliche Kriminelle vorgeht. Mit 31’000 Unterschriften wurde eine Petition mit dem Titel «Das Mass ist voll» eingereicht.

Darin wird unter anderem die Ausweisung von Ausländern verlangt, die an schweren Straftaten beteiligt waren. Und: Gefordert wird von der Vereinigung auch die Ausweisung der Eltern, wenn schwere Gewalttäter minderjährig sind.

Transparenz der Kriminalstatistik

Als unerfreulich bezeichnete Couchepin auch die Diskussion über die statistische Aufschlüsselung der Kriminalstatistik nach neu eingebürgerten Schweizern, wie sie auch von der Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP) befürwortet wird.

«Ich bin zutiefst Humanist», sagte Couchepin und fügte hinzu, dass er hoffe, seine (freisinnige) Partei werde diese Werte weiterhin verteidigen.

Beunruhigt zeigte sich der Magistrat vor allem über die SVP. Sie mache die Jugendgewalt zum Wahlkampfthema und konstruiere ein Amalgam aus Gewalt, Jugend und Ausländern.

Jugendgewalt als Wahlkampfthema

Die Gewalt steige aber bei den jungen Schweizern noch stärker als bei den Ausländern. Es handle sich also nicht nur um ein Integrationsproblem, sondern auch um ein Problem der Schweizer Jugend.

Couchepin warnte vor Panikmache. 90% der Jugendlichen kennten kein Gewaltproblem. Und er selber sei in einem Kanton aufgewachsen, in dem an jedem Wochenende bei Tanzveranstaltungen Flaschen über den einen oder anderen Kopf geschlagen worden seien.

Es gehe darum, gemeinsam nach Massnahmen zu suchen und sowohl Repression wie auch Prävention und Erziehung einzubeziehen. Der EDI-Chef bezeichnete dabei die von der Eidgenössischen Jugendkommission vorgeschlagene Methode der Wiedergutmachung als guten Weg.

Schweizer sollen Mentalität ändern

Neben Couchepin hat am Wochenende auch Francis Matthey, Präsident der Eidgenössischen Ausländerkommission (EKA), die «ideologische Debatte» um junge Ausländer beklagt.

Matthey forderte einen «Mentalitätswandel». Die Ausländer müssten sich um Integration bemühen, aber die Schweizer sollten sie dabei unterstützen, erklärte Matthey in einem Interview mit der Zeitung Le Matin vom Samstag:

«Wir müssen aufhören, sie wegen ihrer Herkunft zu stigmatisieren und ihre wirtschaftliche und soziale Lage berücksichtigen.»

Junge Ausländer würden überdurchschnittlich oft Delikte begehen, sie hätten aber auch grössere Probleme als junge Schweizer.

swissinfo und Agenturen

2005 wurden in der Schweiz laut Bundesamt für Statistik über 14’000 Jugendstrafurteile gegen Minderjährige gesprochen.
1999, als die Statistik eingeführt wurde, zählte man 12’000.
79,3% der Urteile betrafen männliche Jugendliche, 62,7% solche mit Schweizer Staatsbürgerschaft.
Seit 1999 ist ein Ansteigen der Urteile wegen Straftaten im Bereich Strassenverkehr, Straftaten gegen Leib und Leben, gegen Vermögen und Freiheit zu beobachten.

Die Debatte steht vor dem Hintergrund einiger Aufsehen erregender Gewalttaten der letzten Zeit. Die Taten wurden vor allem von der Boulevard-Presse gross herausgestrichen.

Anfang November wurde in Seebach/Zürich eine 13-jährige Schülerin von mehreren Schülern vergewaltigt. Die Täter waren fast ausschliesslich Ausländer.

Im Juni wurde in Rhäzüns im Kanton Graubünden ein 5 Jahre altes Mädchen von zwei Schülern vergewaltigt. Die Täter waren 10 und 13 Jahre alt und stammten aus dem Kosovo.

1996 wurde ein Projekt lanciert, um die Daten der 26 kantonalen Polizeien, des Bundes und der Grenzwach-Behörden neu zu gruppieren.

Dieses Projekt befindet sich in der Endphase und ermöglicht eine präzise Kartographie der Delikte in der Schweiz ab 2010.

Damit wird es möglich, Delinquenten besser zu verfolgen und gleichzeitig die Manipulation der Daten zu verhindern.

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