Kritik an Kriminal-Statistik
Statistiken, wonach über die Hälfte aller Straftaten in der Schweiz im vergangenen Jahr von Ausländern begangen wurden, werden als irreführend kritisiert.
Das Bundesamt für Polizei gibt zu, dass die Zahlen nicht das ganze Bild zeigen, da sie alle verdächtigten und nicht nur die verurteilten Täter enthalten.
Das Bundesamt für Polizei lastet 55% der Straftaten des vergangenen Jahres ausländischenden Staatsangehörigen an. Das Bundesamt räumt ein, dass die Statistik kein umfassendes Bild über Ausländer und Straftaten in der Schweiz liefert.
«Aus den Daten geht nicht hervor, woher die Delinquenten kommen und warum sie straffällig werden», sagte fedpol-Sprecher Guido Balmer gegenüber swissinfo. «Wir wissen bloss, ob sie Schweizer oder Ausländer sind.»
Er fügte bei, dass das System der Daten-Erfassung vom Bundesamt für Statistik (BFS) gegenwärtig überarbeitet werde mit dem Ziel, sowohl Einheimischen wie Ausländern eine klarere Übersicht über die Verbrechenslage in der Schweiz zu vermitteln.
«Nicht nachweisbar»
Die Eidgenössische Ausländerkommission (EAK) warnte, dass die Kriminalstatistik zu «falschen Interpretationen» führen könnte, weil sie den Eindruck erwecke, dass mutmassliche Delinquenten die Straftaten, deren sie bezichtigt wurden, begangen hätten.
Dass die Zahl der ausländischen Täter zugenommen habe, sei nicht nachweisbar. Wie viele Ausländer wirklich kriminell seien, darüber könne nur eine Statistik Auskunft geben, welche sich auf die Zahl der Verurteilten stütze, betonte die Kommission.
Von anderer Seite wurde auch darauf hingewiesen, dass die Kriminalstatistik keinen Unterschied macht zwischen Ausländern, die viele Jahre in der Schweiz gelebt haben und solchen, die hin und wieder kurz über die Grenze kommen mit der Absicht, ein Delikt zu verüben, wie etwa Diebstahl.
Trotzdem sagte Martin Killias, Professor für Kriminologie und Strafrecht an der Universität Lausanne gegenüber swissinfo, ein so hoher Ausländeranteil bei Delikten sei ungewöhnlich für ein Land in Westeuropa. Wahrscheinlich sei der Umstand, dass in der Schweiz 20% der Bevölkerung Ausländer sind, ein Grund dafür.
Minderheiten
«Die Tatsache, dass so viele Ausländer hier leben ist insofern relevant, als in allen Ländern mit grossen Minderheiten der Prozentanteil an Straffälligen bei diesen Minderheiten meist wesentlich höher ist als bei dem Rest der Bevölkerung», sagte Killias. «Das gilt für die USA, Kanada, Australien und in der ganzen Welt.»
Der Wohlstand der Schweiz, so Killias, dürfte ebenfalls ein gewichtiger Faktor sein. «Wirtschaftlich gesehen ist es zum Beispiel bestimmt interessanter, hier Drogen zu verkaufen als in Italien, weil die Preise in der Schweiz viel höher sind und die Leute mehr bezahlen», so er.
Wesentlich seien auch die unterschiedlichen sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen zwischen Minderheiten und dem Rest der Bevölkerung.
Diskriminierung
Killias weist Vermutungen zurück, wonach die auf der Anzahl gemeldeter Straftaten in den 26 Kantonen gründende fedpol-Statistik zum Teil auch rassistische oder diskriminierende Hintergründe haben könnte.
«Entsprechende Studien der letzten 20 Jahre zeigen, dass der Ausländeranteil der mutmasslichen Straftäter nach Aussage von betroffenen Opfern mit den Polizei-Statistiken übereinstimmt», sagte Killias.
«Wir haben auch geprüft, ob Schweizer Opfer eines Delikts rasch geneigt sind, verdächtige Ausländer anzuzeigen, aber dem war nicht so», betonte Killias.
Zur Statistik befragt sagte das Bundesamt für Polizei, der steigende Ausländeranteil bei Straftaten sei kein Grund zur Besorgnis.
«Es besteht kein Anlass dazu, denn der Anteil der ermittelten ausländischen Delinquenten bewegt sich bereits seit 1996 auf einem Niveau von über 50%», sagte fedpol-Sprecher Balmer zu swissinfo.
swissinfo, Isobel Leybold
(Übertragung aus dem Englischen: Monika Lüthi)
55 der Straftaten werden ausländischen Staatsangehörigen angelastet.
Im Vorjahresvergleich entspricht das einer Zunahme von 4,5%.
Der Anteil der verdächtigten ausländischen Täter bewegt sich seit 1996 auf einem Niveau von über 50%.
3500 der 5000 Insassen in Schweizer Gefängnissen sind Ausländer.
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