Kulturschaffende sagen Nein zum Asylgesetz
Über 700 Kulturschaffende aus der ganzen Schweiz rufen dazu auf, das revidierte Asylgesetz in der eidgenössischen Abstimmung vom 24. September abzulehnen.
Am Mittwoch haben sie in Bern mit der Präsentation eines Manifestes ihre Kampagne gegen die umstrittene Vorlage lanciert.
Das Manifest, das als Plakat und Flyer verbreitet wird, enthält einen einzigen Punkt: «Nein zum menschenverachtenden Asylgesetz».
Daneben steht ein Zitat von Franz Hohler: «Die Schweiz hat wesentlich zur Schaffung des neuen Menschenrechtsrats der UNO beigetragen. Gleichzeitig will sie die Menschenrechte an ihren Grenzen abschaffen. Diese Groteske kann sich unser Land nicht leisten.»
Unterzeichnet haben den Aufruf über 700 Kulturschaffende, darunter die Schriftsteller Peter Bichsel und Hugo Lötscher, die Schriftstellerinnen Eveline Hasler und Ruth Schweikert, die Schauspieler Matthias Gnädinger und Bruno Ganz sowie die Musikerinnen Sina und Irène Schweizer. Mit dabei sind auch Viktor Giacobbo, Dimitri und Pipilotti Rist.
Flüchtling mit Familienbüchlein
Vor den Medien im Stadttheater Bern warf der Schriftsteller Guy Krneta die Frage auf, wie denn ein Flüchtling so sein müsste, der dem Flüchtling im Asylgesetz entspräche. Seine Anwort: «Es müsste jemand sein, der seine Papiere mitgenommen hat, seinen gültigen Reisepass, Geburtsurkunde, Blutspendeausweis, Familienbüchlein.»
Es müsste weiter jemand sein, der nicht gekommen sei, um die Hand aufzuhalten, sondern Geld habe. «Wenn ihr nicht wollt, dass unser Asylrecht zum Asyl-Unrecht wird, gibt’s nur eine Antwort auf dieses Gesetz: Refusé (abgelehnt)», sagte Krneta.
Das Leben von 450 Menschen
Die Schriftstellerin Ruth Schweikert gab zu bedenken, dass fortan nur noch Menschen, die innerhalb von 48 Stunden gültige Papiere vorlegen können, überhaupt ins Asylverfahren kämen. Ungefähr 30% der Asylsuchenden hätten aber keine Papiere, das seien bei den aktuellen Zahlen etwa 4500 Menschen.
Wenn 10% von ihnen aus überlebenstechnischen Gründen keine Papiere besässen, seien das 450 Menschen. «Vielleicht können Sie mit diesen 450 Menschen leben, die womöglich ihr Leben verlieren, weil unser Land sie nicht wenigstens anhört. 450 Menschen, das sind nicht viel», steht im Text, den Schweikert für die Kampagne verfasst hat.
Dokumentiertes Schicksal
Ein Papier dürfe nicht über das Schicksal eines Menschen entscheiden, sagte auch der Schriftsteller Lukas Bärfuss. Denn es seien Behörden, die Papiere erteilten, und Verfolgte könnten sich nicht an die Behörden wenden.
Auf das Schicksal eines Betroffenen, das kein Einzelschicksal sei, verwies die per Telefon zugeschaltete Filmemacherin Irene Marty, deren Dokumentarfilm «Ausgeschafft» im Rahmen der Kampagne gezeigt wird.
Der Film erzählt die Geschichte von Stanley Van Tha, eines Flüchtlings aus Burma, der nach der Ablehnung seines Asylgesuchs ausgeschafft und in Burma zu 19 Jahren Haft verurteilt wurde.
Neben dem Film geht auch eine Skulptur von Carl Bucher in den nächsten Wochen auf eine «Tour de Suisse».
Die Kampagne wird von der Sozialdemokratischen Partei (SP) unterstützt, die gemeinsam mit der Flüchtlingshilfe das Referendum gegen das Asylgesetz ergriffen hatte.
swissinfo und Agenturen
Die Teilrevision des Asylgesetzes kommt am 24. September 2006 an die Urne, weil dagegen das Referendum eingereicht worden ist, für das mindestens 50’000 gültige Unterschriften nötig sind.
Die Gesetzesrevision ist umstritten.
Für die Befürworter ist sie dringend nötig, um das Schweizer Asylrecht an das europäische anzugleichen und Missbräuche zu verhindern.
Die Gegner befürchten, das Gesetz dränge Menschen zunehmend in die Illegalität und bedeute das Ende der humanitären Tradition der Schweiz.
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