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Lage in Myanmar immer noch verzweifelt

Grosse Teile der Küstenregionen stehen nach dem Wirbelsturm unter Wasser. Keystone

Sechs Tage nach dem Zyklon "Nargis" sei das Militärregime immer noch nicht in der Lage, auf die verheerenden Folgen zu reagieren, sagt der Schweizer Asienkorrespondent Peter Achten.

Eine Diplomatin der USA sprach davon, dass der Zyklon «Nargis», der am Samstag den Süden Myanmar verwüstete hatte, bis zu 100’000 Menschen das Leben gekostet haben könnte.

Die burmesischen Militärmachthaber sprechen dagegen immer noch von 23’000 Todesopfern, eineinhalb Millionen Menschen hätten ihr Obdach verloren. 42’000 Menschen würden zudem vermisst.

Zwar landete am Donnerstag, fünf Tage nach der Katastrophe, das erste Flugzeug mit ausländischen Hilfsgütern an Bord in Rangun. Zu den Opfern sei davon aber noch nichts durchgedrungen, sagt der Schweizer Asienkorrespondet Peter Achten gegenüber swissinfo.

Die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit den Generälen wachse. Mitarbeiter der Hilfswerke seien zudem in Thailand blockiert, weil sie auf eine Einreisebewilligung warten müssten, sagt Achten. Der Korrespondent des Schweizer Radios war in Rangun, als der Sturm über das Land fegte. Die Stadt sowie das Delta des Flusses Irrawaddy im Süden Burmas wurden am stärksten in Mitleidenschaft gezogen.

swissinfo: Wie sieht die aktuelle Lage in Rangun aus?

Peter Achten: Sehr chaotisch, was die Hilfe betrifft. Die ausländische Hilfe trifft nur schleppend ein. Die ersten Lieferungen stammten aus Indien, China, Thailand und Bangladesch.

Die Generäle legen den Nothelfern, die in Thailand auf ihren Einsatz warten, aber grosse Steine in den Weg. Diese haben grosse Probleme, Einreisegenehmigungen zu erhalten.

Mehr als eine Mio. Menschen benötigen dringend Lebensmittel, sauberes Trinkwasser, Unterkünfte, Medikamente etc. Sie haben aber noch nichts erhalten. Ihre Lage ist verzweifelt.

swissinfo: Wie stark ist die Infrastruktur in der Stadt zerstört?

P.A.: Im Zentrum sind die Schäden nicht so gross, weil die Gebäude dort aus Beton sind. In den Vororten Ranguns, wo meist mit Holz gebaut wird, haben sehr viele Menschen ihr Haus verloren. Dort gab es auch nach neuesten Angaben 600 Tote.

Viel schlimmer sieht es aber im Irrawaddy-Delta westlich der Stadt aus. Dort stehen über 5000 Quadratkilometer unter Wasser. Uns wurde gesagt, dass es dort allein in einem einzigen Distrikt 80’000 Todesopfer gegeben habe.

Alle Bilder, welche die staatlichen Medien verbreiten, zeigen verheerende Zerstörungen. Die Menschen warten auf Hilfe, die nicht eintrifft.

swissinfo: Tausende von Toten sollen auf offenen Feldern herumliegen. Können Sie dies bestätigen?

P.A.: Ja, diese Berichte treffen zu. Sogar in den Vororten Ranguns sieht man menschliche Leichen, aber auch tote Kühe. Die Angst vor Seuchen ist deshalb gross. Medizinische Hilfe ist sehr dringend, das grösste Problem ist aber sauberes Trinkwasser.

swissinfo: Verzögern die Militärs das Eintreffen der Hilfsgüter?

P.A.: Ja, die Generäle handeln sehr langsam. Ich glaube, sie haben andere Prioritäten: Am Samstag lassen sie die Bevölkerung von Myanmar über eine neue Verfassung abstimmen, und dazu wollen sie offenbar nicht zu viele Ausländer im Land haben.

Die grossen Demonstrationen, die einen ökonomischen Hintergrund hatten, sind ja erst einige Monate her. Das Militär hatte die Proteste mit aller Härte niedergeschlagen. Die Generäle sind sich vermutlich bewusst, dass sie in einer sehr kritischen Situation sind. Deshalb prüfen sie sehr genau, wen sie einreisen lassen.

Viele Menschen, mit denen ich gesprochen habe, sind sehr wütend über die schleppende Reaktion der Militärs. Sie klagen, dass die Armee sehr schnell vor Ort sei, wenn es um die Niederschlagung eines Protests gehe. Wenn es aber um Hilfe gehe, sei von den Soldaten nichts zu sehen.

swissinfo: Will das Regime zeigen, dass es mit der Katastrophe alleine fertig werden könne, oder steckt die Furcht vor ausländischem Einfluss hinter dieser Haltung?

P.A.: Die Militärs wollen schlicht die Kontrolle behalten. Das geht nur, wenn man alles in den Händen hält.

In den Medien sieht man die Armee, die der Bevölkerung zu Hilfe eilt. Das ist reine Propaganda. In den ersten beiden Tagen nach dem Zyklon war kein einziger Soldat zu sehen. Erst danach waren einige Soldaten im Einsatz, aber nur vor Ministerien und Villen von Regierungsmitgliedern oder reichen Geschäftsleuten. Der grosse Rest der Bevölkerung blieb sich selbst überlassen.

swissinfo: Sind erneute Proteste in Rangun möglich, sollten die Lebensmittel knapp werden?

P.A.: Diese Gefahr besteht. Seit dem Zyklon haben sich die Reispreise in Rangun verdoppelt oder verdreifacht. Auch die Benzinpreise stiegen. Es gibt kein Baumaterial, ein einfacher Nagel kostet ein Vermögen. Die Regierung wird grosse Probleme haben, diese zunehmende Wut unter Kontrolle zu halten.

swissinfo: Wie lange werden sich die Menschen noch ruhig verhalten?

P.A.: Im Moment ist das grösste Problem das Überleben. Falls die Regierung nicht grosse Mengen Hilfsgüter ins Land hereinlässt und weiter nichts für die Menschen tut, könnte sie in zwei bis drei Monaten ein Problem haben. Ich gehe eher von diesem Szenario aus

swissinfo-Interview: Morven McLean
(Übertragung aus dem Englisch: Renat Künzi)

Die Schätzung der Opferzahlen des Zyklons Nargis vom 3. Mai wurden seit der Katastrophe stetig nach oben korrigiert.

Kurz nach dem Wirbelsturm war von einigen tausend Opfern die Rede.

Die letzte Schätzung der Regierung liegt bei etwa 23’000 Toten. Unabhängige Beobachter schätzen die Zahl aber um ein mehrfaches höher ein.

Die Militärjunta des Landes hat in den Tagen nach der Katastrophe grossen internationale Hilfslieferungen die Einreise ins Land verweigert.

Derzeit kommen erste Lieferungen der Vereinten Nationen (UNO) und der USA ins Land.

Nargis war der schlimmste Zyklon in der Region seit 1991 in Bangladesch 143’000 Menschen ums Leben gekommen sind.

Die Tsunami-Katastrophe im Indischen Ozean hat 2004 über 230’000 Menschenleben gefordert.

Die Schweiz sendet Hilfsgelder für die Opfer des Wirbelsturms. Einerseits über die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza), die 500’000 Franken gesprochen hat, andererseits über diverse Nichtregierungs-Organisationen, darunter auch das Schweizerische Rote Kreuz (SRK).

Die Glückskette sammelt ebenfalls Spenden für das krisengeschüttelte Land. Diese können auf das Postkonto 10-15000-6 oder online eingezahlt werden (Vermerk Burma/Myanmar).

Schweizer Katastrophen-Experten wurden in die betroffene Region geschickt, darunter Spezialisten für Trinkwasser und Wiederaufbau.

Die Schweizer Hilfskräfte konzentrieren sich auf medizinische Nothilfe, sicheres Trinkwasser und Unterkunft für die Opfer des Zyklons.

swissinfo.ch

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