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Lausanne will auch ein «Fixerstübli»

Heroin- und Spritzenabgabe an Schwerstsüchtige in Zürich. Keystone

Nach dem Modell der bereits existierenden Fixerräume in Genf und der Deutschschweiz will nun auch Lausanne eine Anlaufstelle für Süchtige eröffnen.

Eine von der Linken eingebrachte Motion, die einen Fixerraum verlangte, wurde am Dienstagabend vom Stadtparlament angenommen.

Nach einer animierten Debatte stimmten 49 Stadträte der Motion zu, 30 Stadträte, vor allem aus den bürgerlichen Reihen, lehnten den Vorstoss ab.

Damit soll Lausanne, 20 Jahre nachdem Bern den ersten Fixerraum der Schweiz eröffnete und als zweite Stadt der Romandie, ein Gassenzimmer bekommen. In Fixerräumen erhalten Drogenkranke medizinische Überlebenshilfe. Sie dürfen aber auch mitgebrachte Drogen konsumieren, was im Rat deutliche Opposition hervorrief.

«Wir müssen im Kanton Waadt endlich die vierte Säule der Schweizer Drogenpolitik, die so genannte Überlebenshilfe, ausbauen», begründet die SP-Stadträtin Solange Peters ihre Motion.

Ziel sei, die Risiken für die Ansteckung mit Hepatitis-und HI-Viren zu senken, erläutert die Motionärin und praktizierende Ärztin. Gleichzeitig soll das «Fixerstübli» den Drogenkranken ermöglichen, sich sozial aufzufangen und eine Therapie ins Auge zu fassen.

In den letzten 15 Jahren sind in Lausanne verschiedene Versuche gescheitert, ein Gassenzimmer zu eröffnen. Die Fronten verlaufen entlang dem Links-Rechts-Schema und die Linke stellt im Rat die Mehrheit.

Rechte Opposition

Die Rechte will sich gegen «die Banalisierung der Drogensucht» wehren. Offen wird in diesen Kreisen bereits über Referenden und Einsprachen gesprochen; sei es gegen den Investitions- oder Betriebskredit oder gegen den Standort.

«Es geht hier um eine ethische und moralische Frage», begründet die liberale Stadträtin Nicole Grin die Vorbehalte. Seit Jahren lautet das drogenpolitische Credo vieler Bürgerlicher der Westschweiz gleich: Der Staat darf nicht einerseits den Drogenkonsum unter Strafe stellen und andererseits einen Ort schaffen, wo Drogen eingenommen werden dürfen.

Die «Nachzügler» aus der Romandie

Dass die Westschweizer hinter den Alemannen nachhinken, könnte laut Markus Jann, Sektionschef Drogen im Bundesamt für Gesundheit (BAG), unter anderem mit kulturellen Unterschieden zu tun haben. Dabei spiele der Einfluss Frankreichs eine Rolle. Der westliche Nachbar verfolgt traditionell eine repressive Drogenpolitik.

Professor Daniel Kübler glaubt nicht an kulturelle Unterschiede. Die grundsätzlichen Argumente in der Drogenproblematik seien in der ganzen Schweiz gleich. «Es sind ideologische Positionen, die sich seit Jahren nur wenig verändert haben», erklärt der auf Drogenpolitik spezialisierte Politologe der Universität Zürich.

Erst die offenen Drogenszenen ab Ende der 1980er-Jahre etwa am Platzspitz, am Letten und im Kocherpark haben laut Kübler Bewegung in die ideologische Front gebracht und zum Handeln gezwungen. «Diese offenen Szenen haben die Bereitschaft für einen pragmatischen Ansatz sicher gefördert», glaubt auch Jann.

Laut Kübler hat der Druck in der Westschweiz lange gefehlt. Die dortigen Kantone hatten ihr Drogenproblem teilweise nach Bern und Zürich exportiert. Diese Erklärung kann auch für kleinere Deutschschweizer Städte wie Winterthur oder Thun gelten. Dort sind Gassenzimmer-Projekte in den letzten fünfzehn Jahren gescheitert.

Umstrittenes Projekt in Luzern

Kübler vermutet, dass ohne sichtbares Elend die vierte Säule der Schweizer Drogenpolitik wieder vermehrt unter Druck kommen könnte. In Luzern etwa wollten die Behörden nach 1994 wieder einen Fixerraum eröffnen. Anwohner reichten dagegen eine Beschwerde ein. Zudem muss sich irgendwann auch das Stimmvolk über ein Definitivum äussern.

Für den Widerstand gegen diese Art von Überlebenshilfe in der Waadt macht Kübler lokale Konstellationen verantwortlich. Die Fachleute vor Ort seien entscheidend.

In der Waadt seien dies während Jahren Nicht-Mediziner gewesen, die sich gegen den begleiteten Drogenkonsum und auch gegen Ersatzprogramme aussprachen. In der Deutschschweiz hätten dagegen Mediziner mit dem Auftauchen von AIDS das Heft in die Hand genommen.

swissinfo und Thomas Zimmermann, sda

In Fixerräumen erhalten Drogenabhängige Überlebenshilfe. Damit sollen die Risiken für die Ansteckung mit Hepatitis- und HI-Viren gesenkt werden.

In der Schweiz betreiben 8 Städte Fixerräume: Bern hat 1986 damit angefangen, gefolgt von Zürich, Basel, Biel, Olten, Schaffhausen und Solothurn. In der Romandie hat Genf 2001 den «Quai 9» geschaffen.

Die schweizerische Drogenpolitik beruht auf vier Pfeilern: Prävention, Risikoreduktion, Therapie und Repression.

Der Drogenkontrollrat der UNO kritisiert die Schweiz regelmässig für ihre vergleichsweise liberale Drogenpolitik.

Dss Lausanner Stadtparlaments hat am Dienstag eine Motion zur Schaffung eines Fixerraumes mit 49 gegen 30 Stimmen angenommen.
Die Motion wird an die Exekutive weitergeleitet. Diese bereitet ein Projekt vor, das, einmal angenommen, durch ein Referendum bekämpft werden kann.

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