Lauschangriff auf UNO in Genf
Am Genfer Sitz der UNO ist in einem viel frequentierten Saal eine Abhöranlage entdeckt worden.
Wer das raffinierte Abhörsystem installiert hat, ist bislang noch unbekannt. Es scheint osteuropäischer Herkunft zu sein.
Die UNO hat den Fund eines Abhörgeräts in einem ihrer Räume am Hauptsitz in Genf bestätigt. Informationschefin Marie Heuze machte aber keine Angaben dazu, wo das Gerät im Salon Français gefunden wurde.
Zuvor hatte die «Tagesschau» von Schweizer Fernsehen DRS unter Berufung auf das Westschweizer Fernsehen berichtet, die Abhörwanzen seien von Bauarbeitern bei im Herbst begonnenen Renovationsarbeiten in der Täferung entdeckt worden.
Die UNO habe nun eine Untersuchung eingeleitet, die aber streng geheim sei.
Bundesanwaltschaft wird aktiv
Auch die Schweizer Bundesanwaltschaft ist aktiv geworden und prüft, ob sie allenfalls für die Strafverfolgung zuständig wäre. Sie nahm mit der Schweizer UNO-Mission in Genf Kontakt auf.
Falls es sich tatsächlich um eine illegale Abhöraktion handelte, wäre die Zuständigkeit des Bundes zur Strafverfolgung gegeben, erklärte ein Sprecher der Bundesanwaltschaft. Für eine allfällige Strafverfolgung durch den Bund müsste die UNO allerdings zuvor die Immunität für den betroffenen Saal aufheben.
Wer die Geschehnisse in dem viel frequentierten Salon Français belauschen wollte, ist nicht bekannt. Er wird für Treffen von Staatschefs, Ministern und Chefs wichtiger Delegationen genutzt.
Zudem findet dort auch jeden Mittwoch die Videokonferenz zwischen Genf und New York statt.
Raffiniertes Abhör-System
Bei dem Gerät handle es sich um ein raffiniertes Abhörsystem, sagte der Experte Patrik Eugster, Direktor der Genfer Surveillance Consulting Group. Die Gespräche würden aufgefangen und in Sekundenbruchteilen weitergeschickt. Die Impulsabgabe sei so kurz, dass sie nur sehr schwierig zu entdecken sei.
Das Speicherelement stamme offenbar aus Bulgarien oder Ungarn. Die Wanze sei etwa drei oder vier Jahre alt. Er begründete diese Annahme damit, dass die verwendeten Elemente relativ gross seien und dass heute wesentlich kleinere Bauteile erhältlich wären.
Der Experte war der Meinung, das Material stamme aus Russland oder einem anderen osteuropäischen Land. Dies bedeutet aber nicht automatisch, dass die Installation von einem der Herkunftsländer vorgenommen worden sei.
Abhören ist illegal
Das Abhören von Gesprächen ist völkerrechtlich illegal. Die Wiener Konvention von 1961 spricht sich über diplomatische Beziehungen und das Wohlverhalten auf dem diplomatischen Parkett aus.
Die Konvention von 1946 über die Privilegien und Immunitäten der Vereinten Nationen erklärt den Sitz der UNO für unverletzbar. Sie verbietet jede Form von Eindringen in die Tätigkeiten der UNO-Beamten.
swissinfo und Agenturen
Kürzlich veröffentlichte die Washington Post einen Bericht, dass der Chef der Internationalen Atomenergie-Behörde (IAEA) Mohamed ElBaradei vom US-Geheimdienst abgehört worden sei. Der CIA sei interessiert gewesen an seinen Gesprächen zum Atom-Streit mit Iran.
Auch UNO-Generalsekretär Kofi Annan sowie der frühere UNO-Chefwaffen-Inspektor Hans Blix sollen elektronisch bespitzelt worden sein.
Im Februar dieses Jahres hat ein Ex-Spion des britischen Geheimdienstes ausgesagt, die ehemalige UNO-Hochkommissarin für Menschenrechte, Mary Robinson sei abgehört worden.
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