Lebensabend im «Land des Lächelns»
Den Lebensabend im Ausland, in einer fremden Kultur zu verbringen ist für immer mehr Schweizer eine erstrebenswerte Alternative.
Ernst Herrmann aus Kaiseraugst hat sich diesen Traum vor acht Jahren erfüllt und bereut seinen Schritt nicht.
Eigentlich hätte Ernst Herrmann seinen Lebensabend gerne in Ost-Afrika verbracht. «Aber dort zu leben ist für einen Europäer fast unmöglich, ausser in einem Hotelresort», meint der 70-Jährige, der bereits zweimal den Kilimandscharo bestiegen hat.
Thailand sei «ein Land mit politischer Stabilität und geringer Kriminalität». Es gebe dort eine gute Infrastruktur bezüglich Medizin, Strassen, Telefon, Strom und Wasserversorgung, sagt der ehemalige Maschinenbau-Ingenieur gegenüber swissinfo.
Vor 8 Jahren dann, nach seiner vorzeitigen Pensionierung, reiste Herrmann in das subtropische Land, um sechs bis acht Wochen Ferien zu machen. Ausschlaggebend für seine Entscheidung, in Thailand zu leben, war die Mentalität der Menschen. «Sie sind soft, nicht aggressiv. Man sagt ja nicht ohne Grund: Thailand – das Land des Lächelns», so Herrmann.
Natürlich weiss er, dass das Lächeln nicht immer echt und ehrlich gemeint ist. «Aber ich mag lieber Leute um mich herum, die lächeln, da fühle auch ich mich einfach wohler.»
Schmelztiegel verschiedenster Schicksale
Herrmann ist einer von 477 offiziell auf Phuket lebenden Schweizerinnen und Schweizern. Jede und jeder von ihnen hat individuelle Aufenthalts-Gründe.
Die einen könnten mit ihrer kleinen Invaliden- oder Alters-Renten in der Heimat knapp oder nur sehr schwer überleben. Andere dürfen sich in der Schweiz nicht mehr blicken lassen, weil sie straffällig geworden waren.
Abenteuerlust liess weitere Landsleute aus den vertrauten Strukturen ausbrechen. Einige betreiben ein Gewerbe oder bieten Dienstleistungen an. Es gibt auch Schweizer, die ihren zweiten oder dritten Frühling an der Seite einer jungen Thailänderin geniessen möchten.
Und Hermann zählt sich zu denjenigen, die aus freien Stücken, einfach weil es ihnen gefällt, den Wohnsitz nach Thailand verlegt haben.
Kein Grundbesitz für Ausländer
So hat Herrmann mit seiner thailändischen Lebenspartnerin Daeng ein Haus gebaut. Da Ausländer in Thailand kein Land besitzen dürfen, brauchen sie einen Strohmann – in Thailand ist das meist eine Strohfrau, über deren Namen der Immobilienkauf abgewickelt wird.
Dies kann für den «Farang», den Ausländer, schwer wiegende Konsequenzen haben. «Deshalb muss man einen sauberen Vertrag machen, der von einem vertrauenswürdigen Anwalt abgefasst worden ist», rät Herrmann.
Sonst laufe man Gefahr, dass die Frau eines Tages, nach Differenzen vielleicht, die Türschlösser auswechseln lässt. Ernst Herrmann: «Ich habe Unzählige erlebt, die dann plötzlich auf der Strasse standen. Sie hatten alles verloren.»
Tsunami
Nach den zerstörerischen Fluten des Tsunami vom 26. Dezember 2004 standen auch einige Schweizer Geschäftsleute, die ihre Betriebe in Strandnähe führten, vor dem Nichts.
Besonders hart getroffen wurde aber die einheimische Bevölkerung. Deshalb wollten viele in den betroffenen Gebieten ansässige Schweizerinnen und Schweizer bei der Bekämpfung des Leids helfen.
So auch Ernst Herrmann: «Gleich nach dem Ereignis habe ich versucht, mit Schweizer Behörden in Kontakt zu treten.» Er habe sofort eine E-Mail an die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) geschrieben und seine Hilfe angeboten. Auf eine Antwort warte er heute noch.
«Später habe ich mich bei der Glückskette, beim ‹Mann vor Ort›, gemeldet.» Herrmann wollte ihm seine guten lokalen Beziehungen zur Verfügung stellen. «Er hatte jedoch keine Zeit für mich.»
Auch die Begegnungen mit weiteren Schweizer Hilfswerkvertretern verliefen für ihn enttäuschend. «Ich habe mich deshalb entschlossen, selbst etwas zu unternehmen.»
So unterstützt er unter anderem eine kleine einheimische Gruppe, die sich um Waisenkinder kümmert. Er selbst hat rund 2500 Franken beigesteuert. Einiges mehr ist ihm aus der Schweiz von Verwandten und Bekannten direkt zugeflossen.
«Wir haben eine Textilmal-Ausbildung gestartet. Es ist wichtig, dass die Kinder sinnvoll beschäftigt werden.» Herrmann hat über seine Erfahrungen in dieser Zeit eine ausführliche Dokumentation erstellt.
Ein wenig Schweiz darf es aber schon sein
«In Thailand lebt man als Ausländer sehr gut, man darf sich allerdings nichts zu Schulden kommen lassen», erklärt Herrmann. «Und wenn du einer offiziellen Person deinen Pass aushändigst, steht es 50 zu 50, dass du ihn nur gegen Bezahlung eines Bakschisch (Schmiergeld) wieder zurückbekommst.»
Auch wenn Ernst Herrmann weiter in Thailand bleiben will, so ganz ohne Schweiz möchte er nicht leben. Er liebt die Berge über alles und verbringt deshalb jedes Jahr ein paar Wochen in seiner Ferienwohnung im Wallis.
Und den Kilimandscharo, den möchte er gern noch ein drittes Mal besteigen.
swissinfo, Etienne Strebel, Phuket
In Thailand leben 4039 immatrikulierte Schweizer Bürgerinnen und Bürger. (Stand 31.12. 2004)
Davon sind 1422 Doppelbürger
2289 davon sind Männer, 969 Frauen, 781 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren.
In der Provinz Phuket sind 477 Schweizerinnen und Schweizer immatrikuliert.
16,4% der 3258 stimm- und wahlberechtigten Schweizer Staatsangehörigen in Thailand sind registriert.
Ernst Herrmann ist 70 Jahre alt und lebt seit 8 Jahren auf der thailändischen Insel Phuket. Der vor rund 25 Jahren Geschiedene lebt mit der 40-jährigen Thailänderin Sukanya Daeng Nuansri im eigenen Haus.
Herrmann ist für Daeng Garant für ihre soziale Sicherheit, sie ist für ihn eine verlässliche Lebenspartnerin.
Herrmann hat aus seiner ersten Ehe zwei Söhne und 1 Tochter, die ihn in ihren Ferien ab und zu besuchen.
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