Letzte Runde vor der Schengen-Ratifizierung
Die 27 EU-Staaten sollten am Dienstag ihr Zustimmungs-Prozedere zum Abkommen beginnen, das die Assoziierung der Schweiz in den Schengen-Raum erlaubt.
Griechenland, Tschechien und Belgien haben ihre Vorbehalte aufgehoben, so dass Bern hoffen kann, auf den 1. November 2008 in den Schengen-Raum einzutreten.
Damit beginnt, beinahe zwei Jahre nach der Ratifizierung seitens der Schweiz, in der Europäischen Union die entscheidende Schlussphase der Ratifizierung der bilateralen Schengen/Dublin-Abkommen.
«Grundsätzlich hatten wir eigentlich nie Probleme», sagt ein belgischer Diplomat gegenüber swissinfo. «Aber wir mussten warten, bis die neue Schweizer Regierung gewählt ist, bevor eine Zustimmungs-Verfügung zum Abkommen erlassen werden kann.»
Ministerratsbeschluss erwartet
Am Dienstag werden sich die Fachdiplomaten der 27 EU-Staaten in der so genannten EFTA-Gruppe über das Prozedere beugen. Und gemäss Traktandenliste will die slowenische EU-Ratspräsidentschaft die Zustimmung zum notwendigen EU-Ministerratsbeschluss.
Dabei werde es keine Schwierigkeiten geben, heisst es im EU-Ministerrat, der dieses Dossier nicht mit dem Steuerstreit zwischen Bern und Brüssel in Verbindung bringen will. Experten der Schweiz und der EU werden die umstrittene Steuerfrage am 23. Januar in Brüssel erneut erörtern.
Hoffnung für November
Falls alles klappt, könnte die Ratifizierung durch die EU-Minister noch im Januar erfolgen und die Abkommen somit Anfang März in Kraft treten. Erst dann kann die Evaluierung der Schengen-Tauglichkeit der Schweiz, deren positiver Abschluss für ein Mitmachen ab November notwendig ist, beginnen.
Doch die EU-Staaten müssen der Ratifizierung zuerst einstimmig zustimmen, und bis zum Ministerratsbeschluss kann jeder EU-Staat noch neue Vorbehalte anbringen. Technisch gesehen ist zudem die Zustimmung für mehrere Abkommen notwendig.
Rumänische und bulgarische Vorbehalte in Sicht
Von rumänischer und bulgarischer Seite her könnten Vorbehalte auftauchen. Nach dem EU-Beitritt der beiden Länder vom 1. Januar 2007 warten diese immer noch auf den Abschluss eines Abkommens, das ihren Staatsbürgern schrittweise den freien Zugang zum Schweizer Arbeitsmarkt ermöglicht.
Ferner muss eine Übereinkunft zustande kommen, die einen erneuten finanziellen Beitrag der Schweiz (300 Mio. Franken für fünf Jahre) zur Reduzierung der wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten in der EU vorsieht.
Jede zusätzliche Verzögerung würde die Chancen der Schweiz für einen Eintritt in den Schengen-Raum auf den 1. November dieses Jahres kompromittieren.
Die EU muss auch noch die Kapazität der Schweiz zur Durchführung aller Massnahmen des Schengen/Dublin-Abkommens im Sicherheitsbereich und der internationalen polizeilich-juristsichen Zusammenarbeit evaluieren.
Noch viel Arbeit
Während der Fussball-Europameisterschaft 2008, die unter höchster Sicherheitsstufe in der Schweiz und Österreich stattfindet, wird kein entsprechender Test möglich sein.
Die Schweiz muss ausserdem noch ins Schengen-Informationssystem integriert werden (SIS: die europäische Datenbank über gesuchte Personen und gestohlene Objekte).
Bern muss ferner seine Flughäfen sichern und die Euro-Kompatibilität in Sachen polizeilicher Kooperation, Datenschutz und Visa-Erteilung beweisen.
Die Schweiz ist sich bewusst, dass die EU in Sachen Disziplin hart ist. So mussten die neun neuen EU-Staaten, die am 21. Dezember 2007 in den Schengen-Raum aufgenommen wurden, eine zweite Eignungsprüfung machen. Die Resultate der ersten Evaluation waren von Brüssel als ungenügend erachtet worden.
swissinfo, Tanguy Verhoosel, Brüssel
(Übertragung aus dem Französischen: Jean-Michel Berthoud)
Das Abkommen von Schengen wurde 1985 in der luxemburgischen Stadt von Deutschland, Frankreich und den Benelux-Staaten unterzeichnet.
Das Abkommen in den Bereichen Justiz und Polizei bildet den gesetzlichen Rahmen für den schrittweisen Wegfall der Personenkontrollen innerhalb der EU.
Um die Sicherheit nach der Öffnung der Binnengrenzen zu garantieren, werden die Kontrollen an den Aussengrenzen verstärkt. Konkret bedeutet dies länderübergreifende Polizeikooperation und koordinierter Kampf gegen das organisierte Verbrechen.
Zu den bisherigen 15 EU-Ländern des Schengenraumes sind am 21. Dezember 2007 neun der zehn neuen Mitgliedsländer gestossen. Es sind dies Polen, Tschechien, Ungarn, Slowakei, Slowenien, Estland, Lettland, Litauen und Malta.
Das schweizerische Parlament ratifizierte das Schengen-Abkommen am 16. Oktober 2004.
Am 5. Juni 2005 hiess das Schweizer Stimmvolk den Beitritt der Schweiz zu Schengen mit 54,6% Ja-Stimmen gut.
Laut Zeitplan sollte die Schweiz am 1. November 2008 beitreten. Weil einzelne EU-Mitgliedstaaten das Abkommen mit der Schweiz noch nicht ratifiziert haben, könnte sich der Beitritt verzögern. Daneben spielen auch noch technische Gründe eine Rolle.
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