Libanon braucht internationale Solidarität
Am Donnerstag findet in Stockholm eine Geberkonferenz über humanitäre Hilfe und den Wiederaufbau Libanons statt, an der auch die Schweiz teilnimmt.
Zu dem Treffen hat die schwedische Regierung 60 Staaten und internationale Organisationen eingeladen. Am Freitag wird gleichenorts die Lage in den palästinensischen Gebieten erörtert.
Nach einem Monat Krieg steht Libanon vor einem humanitären und wirtschaftlichen Scherbenhaufen. Israels Bombardierungen zerstörten im Süden und Osten des Landes mehr als 80% der Infrastruktur.
Laut Jakob Kellenberger, Präsident des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK), sind gegen eine halbe Million Menschen auf humanitäre Soforthilfe angewiesen, darunter viele Vertriebene, die nun wieder in ihre zerbombten Wohnorte zurückkehren.
Hilfsgelder auf der Wartebank
Auf Antrag von Aussenministerin Micheline Calmy-Rey hatte der Bundesrat, die Schweizer Regierung, Ende Juli einen Soforthilfekredit von 5 Mio. Franken zugunsten des IKRK gesprochen. Weitere 2,4 Mio. Franken kostete die Evakuierung von Schweizern aus Libanon.
Den von Calmy-Rey zusätzlich verlangten Nachtragskredit von 15 Mio. Franken für Notüberlebenshilfe wollte der Bundesrat an seiner Sitzung vom 23. August aber nicht sprechen. Man wolle die Resultate der Geberkonferenz in Stockholm abwarten. Der Bundesrat verspreche sich, dass der Schweizer Beitrag «gezielt und bedürfnisgerecht» eingesetzt werden könne, so die Landesregierung.
Verheerende Kriegsschäden
Der Krieg in Libanon hat dem Land verheerende Folgen beschert. Über 1000 Libanesen kamen während der israelischen Offensive ums Leben. Weitere Todesopfer gab es auch nach dem Inkrafttreten des Waffenstillstandes am 14. August, und zwar bei der Detonation von vorher nicht gezündeten israelischen Streubomben. Gegen eine Million Personen wurden vertrieben.
Der libanesische Council for Development and Reconstruction (CDR) schätzte Anfang August die bis dahin bekannten Kriegsschäden auf 2,5 Mrd. Dollar. Davon entfallen 1,4 Mrd. auf die Zerstörungen von Wohnhäusern.
Die Schäden an der Infrastruktur Libanons betragen laut dem CDR 785 Mio. Dollar. Im Bericht werden zerbomte Brücken und Strassen sowie Verwüstungen am Flughafen von Beirut, an Teilen von Elektrizitätswerken, der Telekom, der Wasserversorgung, der Kanalisation und Ölanlagen genannt. Zudem führte ins Meer ausgeflossenes Öl zu einer Umweltverschmutzung riesigen Ausmasses.
Touristen bleiben aus – Investoren ziehen weg
Nach dem Ende des letzten Bürgerkriegs 1991 dauerte es 15 Jahre, bis sich Libanons Wirtschaft wieder erholte. Der grösste wirtschaftliche Aufschwung spielte sich in den vergangenen Jahren in der Tourismusbranche ab. Rekordjahr war 2004 mit 1,3 Mio. Touristen, insbesondere aus den reichen Golfstaaten. Jetzt kommen keine Touristen mehr.
Arabische Investoren aus der Golfregion hatten den Bauboom und die touristische Entwicklung mitfinanziert. Jetzt ziehen sie ihr Geld ab und investieren es in stabilen Ländern.
Schlimmer als im Bürgerkrieg
Der libanesische Ministerpräsident Siniora spricht von den «schlimmsten wirtschaftlichen Schäden der jüngsten Geschichte des Landes».
Nach Einschätzung des CDR sind diese nicht mit denen des Bürgerkrieges von 1975 bis 1991 vergleichbar. Während sich damals die Kampfhandlungen auf Kleinkriege verschiedener Gruppen beschränkt hätten, seien Israels Attacken systematisch auf die Zerstörung von Libanons Infrastruktur ausgerichtet gewesen.
Mit einer Staatsverschuldung von 35 Mrd. Dollar stehe das Zedernland nun am wirtschaftlichen Abgrund, heisst es beim CDR.
«Es ist ausserordentlich wichtig, dass wir jetzt Solidarität mit Libanon zeigen», sagte der schwedische Aussenminister Jan Eliasson im Vorfeld der internationalen Geberkonferenz von Stockholm. Schweden erhofft sich von der Geberkonferenz 500 Mio. Dollar zugunsten Libanons.
swissinfo, Jean-Michel Berthoud
Stockholm, 31. August: Geberkonferenz über humanitäre Hilfe und Wiederaufbau Libanons.
Stockholm, 1. September: Konferenz über die humanitäre Lage in den palästinensischen Gebieten.
Die Schweiz ist mit einer Delegation aus dem Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) vertreten (Humanitäre Hilfe-DEZA, Direktion für Völkerrecht).
Die Schweiz ist in Libanon in mehreren Bereichen aktiv.
Am 18. Juli sicherte Bundesrätin Micheline Calmy-Rey dem libanesischen Ministerpräsidenten Siniora die Unterstützung der Schweiz zu.
Aufgrund einer präzisen Einschätzung der Bedürfnisse leistete die Humanitäre Hilfe der Schweiz der von den Folgen des Konfliktes betroffenen libanesischen Bevölkerung unverzüglich Hilfe.
In Libanon, in Zypern und in Syrien sind bzw. waren mehrere Expertenteams der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) im Einsatz.
Auch die palästinensische Zivilbevölkerung in den besetzten Gebieten erhält weiterhin Hilfe von der Schweiz.
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