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Lustloses Ja zum Krankenversicherungs-Artikel

Bundespräsident Couchepin präsentiert die Abstimmungsempfehlungen des Bundesrates. Keystone

Die Schweizer Regierung sagt Ja zum neuen Verfassungsartikel zur Krankenversicherung, der am 1. Juni zur Abstimmung kommt. Es ist aber eine Zustimmung ohne Begeisterung.

Gesundheitsminister Couchepin spricht vom neuen Artikel wie von einem Placebo-Präparat: «Nützt nichts und schadet nichts». Immerhin habe er die richtige Stossrichtung.

Vor den Medien sprach Gesundheitsminister Pascal Couchepin am Montag in Bern von einem «institutionalisierten Ja».

Der Bundesrat halte sich an die künftige Gesetzesbestimmung, dass er keine von der Bundesversammlung abweichende Abstimmungsempfehlung vertreten darf.

Über den eilig gezimmerten Gegenvorschlag zur zurückgezogenen SVP-Prämiensenkungs-Initiative liess Couchepin verlauten, es sei immerhin sinnvoll, die knappe Verfassungsnorm über die Krankenversicherung auszubauen und dabei die heute schon geltenden wichtigsten Grundsätze festzuschreiben.

Verankert werden so laut Couchepin Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit sowie Wettbewerb und Transparenz, aber auch die Eigenverantwortung, die freie Arzt- und Spitalwahl und die Prämienverbilligung.

Die Versicherungspflicht sei nicht in Frage gestellt, an den Zuständigkeiten von Bund und Kantonen ändere sich nichts.

Falscher Bezug zum Vertragszwang

Neu sollen die Beiträge der öffentlichen Hand nicht mehr teilweise an die Spitäler bzw. die Kantone gehen, sondern nur noch an jenen Träger, der die Leistungen vergütet (heute die Krankenkassen).

Dies ist einer der Hauptkritikpunkte des Komitees «Nein zum Kassendiktat».

In einem anderen umstrittenen Punkt beruhigte Couchepin die Gegner der Vorlage. Die Aufhebung des Vertragszwangs zwischen den Krankenkassen und sämtlichen Ärzten, die die Zulassung haben, sei in der Vorlage zum neuen Verfassungsartikel nicht ausdrücklich postuliert.

«Ob man diesen Verfassungsartikel nun bejaht oder verwirft, ändert nichts an der Frage des Vertragszwangs.» Es sei völlig falsch zu behaupten, so der Gesundheitsminister, dass der am 1. Juni zur Abstimmung gelangende Artikel hier irgendwelche Präjudizfunktion habe.

Über diese Vertragsfreiheit werde der Gesetzgeber (das Parlament) frei entscheiden, was er auch ohne die neue Verfassungsgrundlage tun könnte.

Zankapfel Vertragszwang

Was das Parlament betrifft, sorgt jedoch der Umstand für Unmut, dass ein bundesrätlicher Vorschlag zur Aufhebung des Vertragszwangs seit geraumer Zeit bei der vorberatenden Kommission des Ständerats liegt, aber nicht vom Fleck kommt.

Der Vertragszwang besteht darin, dass die Krankenkassen gezwungen sind, mit jedem Arzt, der eine Zulassung erhalten hat, abzurechnen, egal ob er nun billig oder teuer behandelt.

Andererseits werden die Krankenkassen politisch kontrolliert, wenn sie ihrerseits ihre Prämien erhöhen wollen. In diesem von ihnen aus einseitigen Vertragszwang sehen die Krankenkassen deshalb einen Hauptgrund zur Verteuerung des Gesundheitswesens.

Seit langem diskutiert wird deshalb ein Aufheben des Vertragszwangs. Dies ist aber politisch sehr umstritten. Würde der Vertragszwang für Krankenkassen aufgehoben, könnten die Kassen selbst entscheiden, mit zu teuer behandelnden Ärzten nicht mehr zusammen zu arbeiten. Medizinische Leistungsträger sind deshalb für das Beibehalten des Vertragszwangs.

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Auf die Schnelle zu Stande gekommen

Laut Couchepin ist am offenen Verfassungsartikel «für Qualität und Wirtschaftlichkeit in der Krankenversicherung» gar manches auslegungsbedürftig.

Dies rühre daher, dass das Parlament die Vorlage «auf die Schnelle», ohne ordentliche Detailberatung und auch ohne die üblichen Konsultationen verfertigt habe.

Wie Couchepin in Erinnerung rief, hatte sich der Bundesrat in den Räten gegen dieses Vorgehen gewehrt und einen direkten Gegenvorschlag zur SVP-Prämiensenkungs-Initiative als unnötig bezeichnet. Er hatte auch befürchtet, die in Teilpaketen laufende Revision des Krankenversicherungs-Gesetzes (KVG) könnte verzögert werden.

Von dieser Gefahr sprach der Sozialminister diesen Montag allerdings nicht mehr.

swissinfo und Agenturen

Der Verfassungsartikel «für Qualität und Wirtschaftlichkeit in der Krankenversicherung» war vom Parlament im Dezember 2007 als Gegenvorschlag zur Prämiensenkungs-Initiative der Schweizerischen Volkspartei (SVP) verabschiedet worden.

Daraufhin hatte die SVP ihre Initiative zurückgezogen.

Die Gegner kritisieren, der Verfassungsartikel sei in aller Eile zusammengezimmert worden.

Er sei unausgegoren, enthalte eine Reihe von Gummibestimmungen und gebe den Krankenkassen zu viel Macht.

Je nach Interpretation könne der Artikel beispielsweise auch als Grundlage für die Aufhebung des Vertragszwangs zwischen Krankenkassen und Ärzten dienen.

Der Bundesrat lehnt die so genannte Maulkorb-Initiative ab, die ebenfalls am 1. Juni an die Urne kommt. Diese will der Regierung verbieten, sich in Abstimmungskämpfen zu engagieren.

Die Bürger hätten ein Recht auf Meinungsbildung, sagte Bundespräsident Pascal Couchepin.

Deshalb müssten sie vor Abstimmungen auch die Meinung des Bundesrats kennen. Die Initiative war von der rechtsbürgerlichen SVP eingereicht worden.

Dagegen befürwortet der Bundesrat den indirekten Gegenvorschlag zur Initiative, der bei einem Nein zur Initiative in Kraft tritt.

In diesem verlangt das Parlament, dass die Regierung über eine Vorlage sachlich, transparent und verhältnismässig informiert. Aggressive Abstimmungspropaganda ist dem Bundesrat aber untersagt.

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