«Mafiosi und Terroristen würden profitieren»
Als "Katastrophe für die internationale Justiz" bezeichnet der Genfer Generalstaatsanwalt Bernard Bertossa die italienischen Ausführungs-Bestimmungen zum Rechtshilfe-Abkommen mit der Schweiz. Am Freitag hiess die italienische Abgeordneten-Kammer das neue Rechtshilfegesetz gut. Die Vorlage muss allerdings nochmals vom Senat genehmigt werden.
Immer wieder verhinderten Forza-Italia-Mitglieder – die Partei von Regierungschef Silvio Berlusconi – in den letzten Jahren die Ratifizierung des Abkommens, das die Zusammenarbeit zwischen der italienischen und der eidgenössischen Justiz vereinfachen sollte.
Anfang August stimmte der Senat, in dem die Anhänger von Berlusconi seit diesem Frühling die Mehrheit haben, dem Abkommen nun aber plötzlich zu. Der Inhalt des Vertrages sei jedoch durch die zugefügten Ausführungs-Bestimmungen ausgehöhlt worden, klagte die linke Opposition.
Erneute Verzögerung
Die Opposition brachte am Donnerstag in der Abgeordneten-Kammer, in der Berlusconis Anhänger ebenfalls die Mehrheit stellen, überraschend einen Änderungsantrag zum Abkommen durch. Am Freitag hiess die Kammer das neue Rechtshilfegesetz zwar gut, doch muss die Vorlage noch einmal vom Senat genehmigt werden. Damit wird die Ratifizierung des Abkommens ein weiteres Mal verzögert.
Die italienischen Ermittler erhofften sich vom Abkommen Rechtshilfe bei den Ermittlungen gegen Ministerpräsident Silvio Berlusconi, der im Verdacht der Steuerhinterziehung, Bilanzfälschung und Korruption steht. In der Schweiz, die das Abkommen bereits 1999 ratifiziert hatte, wurden in Niederlassungen von Berlusconis Firmen schon vor einigen Jahren Akten beschlagnahmt.
Ein Skandal
Im Vorfeld der Debatte im italienischen Parlament hatte der Genfer Staatsanwalt Bernard Bertossa am Donnerstag in einem Interview mit swissinfo erklärt, das neue Gesetz über internationale Rechtshilfe sei «ein Skandal». Er habe noch nie so etwas gesehen, das laufe allen allgemeinen Prinzipien im Bereich der Beweislage zuwider. Bertossa zu swissinfo: «Es handelt sich eindeutig um eine politische Bestimmung, damit alle in den laufenden Verfahren gesammelten Beweise ungültig werden.»
In einem Interview mit der italienischen Zeitung «Corriere della Sera» sagte Bertossa, für die Schweiz würde es praktisch unmöglich, bei Ermittlungen in den Bereichen Korruption, Geldwäsche der Mafia und Finanzierung von Terrorgruppen mit der italienischen Justiz zusammenzuarbeiten.
Bertossa stösst sich vor allem am Paragrafen 17, der ausländisches Aktenmaterial schon beim geringsten Formfehler als unzulässig deklariert. In eine ähnliche Richtung ziele auch Paragraf 12. «Ein Schweizer Magistrat muss ein Experte des italienischen Rechts werden. Sonst nützen all seine Ermittlungen nichts», klagt Bertossa über den Formalismus der Italiener.
Auf die Bemerkung des Journalisten, dass das Abkommen in dieser Form Mafiosi und Terroristen begünstigen werde, antwortete der Genfer Generalstaatsanwalt: «Das stimmt absolut.»
swissinfo und Agenturen
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