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Massnahmen um irakische Flüchtlingswelle zu stoppen

Flüchtlinge mit Sack und Pack warten in einer Reiseagentur in Bagdad auf ihre Abreise. (Bild: Reuters)

Die Schweizer Behörden zeigen sich besorgt über die Verschlechterung der humanitären Situation in Irak und die Lage der Flüchtlinge.

Millionen Irakerinnen und Iraker sind wegen der andauernden Gewalt aus ihren Häusern geflohen – laut UNO bis zu 50’000 pro Monat.

«Das ist eine ernste humanitäre Situation», sagte Toni Frisch, der Delegierte für humanitäre Hilfe, gegenüber swissinfo.

«Das Problem ist, dass ich keine Verbesserung sehe. Wir müssen davon ausgehen, dass sich vorläufig nichts ändert.»

In den letzten Monaten ist die Zahl von Irakerinnen und Irakern, die aus ihrem Land geflohen sind, auf über 2 Millionen gestiegen. Weitere 1,8 Mio. Personen sind gemäss Schätzungen der UNO innerhalb des Landes auf der Flucht. Es handelt sich um die grösste Migrationswelle in dieser Region seit 60 Jahren.

Das UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) beschreibt die Situation als «Grab» und beobachtet eine andauernde Verschlechterung. Es bittet die Staatengemeinschaft, Asylsuchende aus Irak aufzunehmen.

Das Hochkommissariat hat rund 73,5 Mio. Franken Soforthilfe bereitgestellt und plant für April in Genf eine internationale Konferenz zur Lage der irakischen Flüchtlinge.

Verletzliche Bevölkerung

Mit dem andauernden Blutvergiessen im Bürgerkrieg ist die Lage in Irak zunehmend prekärer geworden.

«Die Lebensbedingungen der Bevölkerung haben sich in alarmierender Weise verschlechtert», sagt Barbara Dätwyler von der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA).

«Die Mehrheit der Menschen in Irak hat keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser oder sanitären Einrichtungen. Unterernährte Kinder sind ein grosses Problem und viele Kinder können aus Sicherheitsgründen keine Schule besuchen.»

Auch jetzt, wo sich die Gewalttätigkeit weiter ausbreitet, ist eine zunehmende Zahl von Irakern auf der Flucht, darunter viele, die benötigt würden, um die Infrastruktur des Landes wieder herzustellen, die Wirtschaft anzukurbeln und Schulen und Spitäler aufzubauen.

Nachbarn unter Druck

Mindestens eine Million Irakerinnen und Iraker sollen nach Syrien geflohen sein, weitere 750’000 nach Jordanien und Zehntausende nach Ägypten, Iran, Libanon und in die Türkei. Sie sind für ihre Gastländer eine enorme Belastung. Viele der Flüchtlinge leben in extremer Armut.

«Frauen, die ihre Familien ernähren müssen, sind besonders gefährdet», sagt Dätwyler. «Es gibt Berichte über sexuelle Ausnutzung und Gewalttätigkeit.»

Wegen der prekären Sicherheitslage kann die DEZA noch nicht im Irak arbeiten. Während der letzten Jahre gewährte man deshalb Hilfe via Organisationen wie Première Urgence oder das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK).

In Syrien und Jordanien unterstützt die DEZA Hilfsprogramme des UNHCR für irakische Flüchtlinge. Sie hat auch Experten nach Jordanien geschickt und plant dasselbe für Syrien.

Das DEZA-Budget für Irak beträgt für das laufende Jahr 2,5 Mio. Franken. Und der DEZA-Beitrag für UNHCR-Flüchtlingsprojekte in Jordanien und Syrien beläuft sich auf 2,5 Mio. Franken.

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Deza

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) ist die Agentur für internationale Zusammenarbeit im Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA). Sie ist Teil der Schweizer Behörden (Verwaltung) und zuständig für die Gesamtkoordination der Entwicklungs- und Ostzusammenarbeit mit andern Bundesämtern sowie für die humanitäre Hilfe der Schweiz.

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Iraker in der Schweiz

Die Zahl der Flüchtlinge, die Europa erreichen, ist relativ klein. So haben etwa 20’000 in der Europäischen Union (EU) Asyl gesucht. Die Zahl nimmt jedoch zu.

Auch die Zahl der irakischen Asylsuchenden in der Schweiz ist relativ klein. Gemäss dem Bundesamt für Migration (BFM) sind gegenwärtig 3657 Gesuche hängig.

Im letzten Jahr verdoppelten sich die Anträge auf 816. Dies ist verglichen mit Ländern wie Schweden wenig, das fast die Hälfte aller irakischen Asylsuchenden in Europa beherbergt – über 9000.

Das BFM prognostiziert weiterhin keinen raschen Anstieg der irakischen Asylgesuche in der Schweiz, weil die irakische Gemeinschaft im Land sehr klein sei.

«Es ist viel wichtiger, den Flüchtlingen die Möglichkeit zu bieten, in der Region zu bleiben», sagt BFM-Kommunikationschefin Brigitte Hauser.

«Die Schweiz ist kein Land, das einfach zu erreichen ist», sagt Yann Golay, Sprecher der Schweizerischen Flüchtlingshilfe. «Die geringe Anzahl ist auch auf die generelle Abnahme von Asylgesuchen in den letzten Jahren zurückzuführen.»

swissinfo, Simon Bradley
(Übertragung aus dem Englischen: Etienne Strebel)

Das UNHCR schätzt, dass rund 2 Mio. der 26 Mio. zählenden irakischen Bevölkerung seit 2003 aus dem Land geflüchtet sind, hauptsächlich in Nachbarstaaten. Rund 1,8 Mio. Menschen sind innerhalb des Landes auf der Flucht.

Die am häufigsten gewählten Routen nach Europa sind via Strasse oder Meer von der Türkei aus nach Griechenland und in die Balkan-Staaten. Nur sehr wenige Personen kommen per Flugzeugen.

Zwei Drittel der aus Irak stammenden Asylsuchenden sind irakische Kurden. Davon sind 80% junge Männer – Frauen und Kinder gelangen selten bis nach Europa.

Gemäss dem UNHCR sind 2006 rund 500’000 Iraker aus ihrem Haus geflüchtet.

Anzahl Iraker in Nachbarländern: Syrien (1 Mio.), Jordanien (750’000), Libanon (40’000), Ägypten (20- bis 80’000).

Asylsuchende in Europa: 2005: (10’600), 2006: (19’000).

Asylsuchende in der Schweiz: 2000: (932), 2001: (1219), 2002: (1185), 2003: (1458), 2004: (631), 2005: (468), 2006: (816).

Ende 2006 waren rund 6000 Personen mit irakischem Pass in der Schweiz registriert.

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