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Mehr Verdächtigte in «Öl für Nahrung»-Skandal

Zuckerladung in einer Lagerhalle in Basra. Keystone

Wegen der Unregelmässigkeiten beim UNO-Hilfsprogramm "Öl für Lebensmittel" für Irak hat sich nun auch die Schweizer Strafjustiz eingeschaltet.

Die Bundesanwaltschaft gab bekannt, dass sie gegen mehrere Personen wegen Korruptions- und Geldwäscherei-Verdachts ermittelt und Konten blockiert hat.

In der Schweiz laufen «seit einigen Wochen» strafrechtliche Ermittlungen im Zusammenhang mit dem UNO-Hilfsprogramm für den Irak «Öl für Lebensmittel». Ermittelt wird wegen aktiver und passiver Bestechung und Geldwäscherei.

«Die Ermittlungen richten sich gegen unbekannt sowie gegen drei namentlich bekannte Beschuldigte», präzisierte der Sprecher der Bundesanwaltschaft (BA), Hansjürg Mark Wiedmer, am Donnerstag. Er bestätigte einen Bericht der Nachrichtenagentur AP. Zur Nationalität der Beschuldigten wollte sich Wiedmer nicht äussern.

Internationale Ermittlungen

Die international ausgerichteten Ermittlungen seien durch Angaben der Meldestelle für Geldwäscherei des Bundes ausgelöst worden. In diesem Zusammenhang seien auch Vermögenswerte von «beträchtlicher Höhe» in der Schweiz blockiert worden. Welche Firmen von der Untersuchung verdächtiger Finanzströme betroffen sind, sagte Wiedmer nicht.

Die Geldwäscherei-Meldestelle des Bundes hatte Mitte April bekannt gegeben, dass sie im Zusammenhang mit dem UNO-Hilfsprogramm zu Gunsten Iraks einige Meldungen wegen Geldwäschereiverdachts erhalten und alle an die Bundesanwaltschaft weitergeleitet habe. Erstmals bestätigte die BA nun, dass sie in dieser Angelegenheit Ermittlungen aufgenommen hat.

Die Bundesanwaltschaft nehme die ihr als Strafuntersuchungsbehörde zustehenden Möglichkeiten zum Informationsaustausch und zur Zusammenarbeit mit allen beteiligten Behörden auf nationaler und internationaler Ebene wahr, sagte der Sprecher.

Schweiz spielte zentrale Rolle

Rohölhändler mit Sitz in der Schweiz hatten gemäss dem von den Vereinten Nationen (UNO) eingesetzten unabhängigen Untersuchungskomitee IIC unter dem «Öl für Lebensmittel»-Programm irakisches Erdöl im Gegenwert von 3,5 Milliarden Dollar gekauft, was einem Anteil von fünf Prozent am gesamten Volumen des Hilfsprogramms entsprach.

Zudem sollen ausländische Erdölhändler den Erwerb bedeutender Mengen von irakischem Erdöl über Banken in der Schweiz finanziert haben. Laut der Liste, die das vom früheren US-Notenbankpräsidenten Paul Volcker geleitete IIC veröffentlicht hatte, figurierten Schweizer Firmen hinter Frankreich und Russland an dritter Stelle bei den unter dem Hilfsprogramm bewilligten Ölgeschäften mit dem Regime von Saddam Hussein.

seco unterstützt Ermittlungen

Das Staatssekretariat für Wirtschaft (seco), das für die Überwachung der Sanktionen gegen Irak zuständig war, hat dem IIC in den vergangenen Monaten in mehreren Fällen Amtshilfe geleistet und Bankunterlagen aus der Schweiz übermittelt.

Das seco selber hat bisher einen Fall von Sanktionsverletzungen geahndet: Im vergangenen Oktober wurde der Inhaber einer Genfer Ölhandelsfirma mit 50’000 Franken gebüsst, und zwar wegen Kickback-Zahlungen in der Höhe von 60’000 Dollar für einen Ölkaufvertrag unter dem Hilfsprogramm.

Eine andere in Genf ansässige Ölhandelsfirma, die Africa Middle East Petroleum (AMEP), sagte dem Volcker-Ausschuss, dass sie im Oktober 2001 einen illegalen Aufpreis von 160’000 Dollar auf ein irakisch kontrolliertes Bankkonto in Jordanien bezahlt hat.

Die Rolle der Banken ist ausserdem von der Eidgenössischen Bankenkommission (EBK) unter die Lupe genommen worden. Die EBK stellte dabei keine allgemeinen Missstände fest, gab aber bekannt, dass in einem Fall noch vertiefte Prüfungen im Gang seien.

swissinfo und Agenturen

Das «Öl für Lebensmittel»-Programm dauerte von 1996 bis 2003.
Bei dem Programm soll der Ex-Diktator Saddam Hussein über 5 Mrd. Dollar unterschlagen haben.
Mit dem UNO-Programm konnte der unter einer Wirtschaftsblockade stehende Irak Öl exportieren und dafür dringend benötigte Nahrungsmittel einführen.
Die Untersuchungs-Kommission der UNO ermittelt in über 50 Ländern gegen Menschen und Unternehmen, die in den Bestechungs-Skandal verwickelt sein könnten.

Die UNO hatte im April 2004 drei unabhängige Beobachter beauftragt, die Korruptionsvorwürfe im Zusammenhang mit dem Programm «Öl für Lebensmittel» zu untersuchen.

Die Untersuchungs-Kommission wird vom ehemaligen US-Notenbankchef Paul Volcker geleitet. Ihr gehört auch der Basler Strafrechts-Professor Mark Pieth an.

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