Mit dem Krieg Geschäfte machen
Für den überwiegenden Teil der globalen Wirtschaft sind Frieden und Sicherheit eine Grundbedingung ihrer wirtschaftlichen Aktivitäten.
Zwar verstricken sich immer wieder multinationale Unternehmen in gewalttätige Konflikte, doch nur wenige haben ein langfristiges Interesse an Krieg und Unsicherheit, sagt Daniele Ganser, Leiter der Forschung «Wirtschaft und Gewalt» an der Forschungsstelle für Sicherheitspolitik der ETH Zürich.
Eine Branche jedoch profitiere vom Krieg, sagt Ganser im Gespräch mit swissinfo: Die boomenden Söldner-Unternehmen, die Botschaften, Firmensitze oder militärische Einrichtungen beschützen.
swissinfo: Der grösste Teil der globalen Wirtschaft ist auf Sicherheit und Stabilität angewiesen. Wer profitiert denn vom Krieg?
D.G.: Der Irak-Krieg hat hier ein völlig neues Phänomen ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt: Die Realität von so genannten privaten Militärfirmen, privatized military firms, die ganz direkt vom Krieg profitieren.
Noch nie in der Geschichte gab es so viele private Firmen, die an einem Krieg teilgenommen haben, wie jetzt im Irak. Darunter zum Beispiel die «Blackwater Securities», eine amerikanische Firma, die Ende März prominent in die Schlagzeilen kam, als vier ihrer Mitarbeiter bei Fallujah umgebracht und ihre Leichen geschändet wurden.
Das waren nicht amerikanische Soldaten, sondern private Akteure, ehemalige Special Forces der Navy – deshalb auch der Name Blackwater: Diese Navy SEALS schwimmen bei Spezialaktionen als Kampftaucher im schwarzen Wasser. Viele dieser ehemaligen Elitesoldaten sind von privaten Militärfirmen angestellt und mittlerweile überall auf der Welt zu finden.
Wir beobachten also eine schleichende Privatisierung des Militärs. Der Krieg wird zur Dienstleistung.
swissinfo: Was ist problematisch an diesen modernen Söldnern?
D.G.: Problematisch ist, dass diese Firmen aus finanziellen Gründen an einer Gewaltspirale interessiert sind. «Blackwater» und andere Firmen sind als Aktiengesellschaften organisiert, sie arbeiten um Profit zu machen und werden vom Pentagon beauftragt, spezielle, riskante Operationen im Krieg durchzuführen.
Allein im Irak sind schätzungsweise 15’000 solcher «Corporate Warriors», privater Krieger, in Aktion. Das ist nach den US-Soldaten die zweitgrösste Gruppe, und damit grösser als das Kontingent der britischen Truppen!
Ein Mitarbeiter kann zwischen 500 bis 1500 Dollar pro Tag oder 45’000 Dollar im Monat verdienen. Das sind sehr starke finanzielle Anreize. Einige dieser Söldner haben der Pinochet Diktatur in Chile oder dem Apartheid-System Südafrikas gedient. Heute finden wir sie uaaser in Irak auch in Angola, im Kongo, Sierra Leone, in Kolumbien oder Indonesien.
swissinfo: Wenn die Gewalt weiter zunimmt, wird auch die Nachfrage nach solchen Sicherheitstrupps steigen. Gibt es eine Alternative?
D.G. Erstens denke ich, dass das Militär niemals privatisiert werden darf, das ist viel zu gefährlich. Zweitens denke ich, dass wir von militärischen Konfliktlösungen wegkommen müssen. Auch wenn es schwierig ist, aber die zivile Konfliktlösung bleibt vermutlich unser einziger Ausweg aus der Gewaltspirale.
Es gibt Ansätze in Kolumbien, die Zivilgesellschaft zu stärken, statt mit Gewalt auf Gewalt zu reagieren. Der Norwegische Ölkonzern Statoil zum Beispiel ist mit der Menschenrechtsorganisation Amnesty International eine Allianz eingegangen. Nun versuchen Rechtsanwälte, die Vergehen von Guerillos und Paramilitärs zivilrechtlich zu verfolgen und die Täter vor Gericht zu bringen. Das ist ein langer Weg, aber letztlich der einzige, der aus der Gewaltspirale führt.
Es ist ein Irrtum zu glauben, dass man einen Wirtschaftsraum langfristig mit Gewaltanwendung stabilisieren kann. Gewalt droht immer zu eskalieren.
swissinfo: Sind Schweizer Unternehmen tangiert von diesen unmittelbaren Gewalttätigkeiten und Bedrohungen?
D.G.: Schweizer Unternehmen sind zum grossen Teil Dienstleistungsunternehmen und deshalb selten angewiesen auf einen speziellen Standort. Sie können also meistens solche Krisenregionen der Welt meiden.
Betroffen sind vor allem rohstofffördernde Industrien, die mit Öl, Diamanten, Holz oder Gold Geschäfte machen und dadurch direkt mit der Gewaltspirale verknüpft sind.
Der Irakkrieg wird ja oft auch als Rohstoff-Krieg gelesen: Die USA möchten wegen ihres zunehmenden Verbrauches und dem abnehmenden Weltvorrat die Öl-Versorgung kontrollieren und damit auch ihren Einfluss auf mögliche Rivalen der Zukunft, aus Europa und Asien, vergrössern. Denn alle absehbaren Rivalen der USA werden auch in Zukunft auf Öl angewiesen sein, also entsteht eine starke Hebelwirkung.
Kämpfe um die Rohstoffe sind heute die direktesten Verbindungen zwischen Wirtschaft und Gewalt, denn eine Firma, die Öl fördert, kann nicht einfach den Ort wechseln. Sie muss in die Ölregionen, und sie muss dort bleiben.
Das Problem für Schweizer Firmen ist aber, dass die Zonen der Gewalt heute nicht mehr isoliert bestehen, sondern global an allen Stellen auftreten können, Stichwort Terrorismus.
Wenn aber Krieg und Terrorismus mit der Verfügbarkeit von Massenvernichtungs-Waffen zeitgleich auftreten, so wie heute, muss – auch über die etablierten Grenzen von «staatlich» und «privat» hinweg – gemeinsam ein Ausweg aus der Gewaltspirale gesucht werden.
swissinfo-Interview: Katrin Holenstein
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