Mit Plakaten gegen Fälschungen und Piraterie
Der Handel mit gefälschten Produkten nimmt stetig zu und beschert der Schweizer Wirtschaft Verluste bis zu 2 Mrd. Franken jährlich. Mit einer Kampagne wollen Behörden und Wirtschaft nun die Bevölkerung sensibilisieren.
Laut Bundesrat Blocher werden Fälschungen und Piraterie allzu oft als Kavaliersdelikt betrachtet. Sie hätten jedoch gravierende Folgen.
«Wer von uns ist nicht schon mit Fälschungen oder Raubkopien in Berührung gekommen? Unter einem Mantel an einem fernöstlichen Strand oder am Mittelmeer», fragte Justizminister Christoph Blocher rhetorisch und verwies auf die «gravierenden wirtschaftlichen Schäden».
Es gehe jedoch um mehr als finanzielle Verluste oder – bei gefälschten Medikamenten – um gesundheitliche Risiken.
«Die Einkünfte finanzieren andere kriminelle Aktivitäten – vom Drogen- und Menschenhandel über die Prostitution bis hin zum Terrorismus.»
Gefälschte Produkte werden auf dem Schwarzmarkt gehandelt. Deshalb gibt es keine genauen Zahlen, sondern lediglich Schätzungen.
Demnach kommen laut der EU-Zollstatistik 5% der in die EU-Länder importierten gefälschten Waren aus der Schweiz. Damit liegt die Schweiz nach China, von wo 84% der Waren herkommen, auf dem zweiten Platz.
«Fest steht aber, dass die Schweiz keine Fälschungsindustrie hat», führte Blocher aus. «Es handelt sich im Transitware.»
Die Schweizer Behörden sind daran, die Gesetze zu verschärfen. So soll der Zoll gefälschte Uhren auch bei Privatpersonen beschlagnahmen können. Strafrechtlich können jedoch auch künftig lediglich Händler belangt werden. Blocher kündigte in Zürich eine Erhöhung des Strafmasses und der Bussen für den Handel an.
Gesetze lösen das Problem nicht
Der Download von Musik oder Filmen und das Kopieren für private Zwecke bleiben weiterhin straffrei. Strafbar werden sollen der Upload (zur Verfügung stellen) und der illegale Handel.
Zurzeit beschäftigt sich das Parlament mit Gesetzesänderungen, die voraussichtlich 2008 in Kraft treten.
Fälschungen und Piraterie haben in den vergangenen Jahren auch in der Schweiz stark zugenommen und kosten die Schweizer Wirtschaft jährlich bis zu 2 Mrd. Franken.
Im Wissen darum, dass Gesetze das Problem nicht allein lösen können, haben betroffene Wirtschaftszweige zusammen mit den Behörden die Internet-Plattform «Stop Piracy» ins Leben gerufen.
Mit einer Plakatkampagne in den neun grossen Agglomerationen des Landes soll die Bevölkerung für das Problem sensibilisiert werden. Die Plakate enthalten Slogans zu Uhren, Musik oder Pharmaprodukten und werden ab Donnerstag hängen.
Keine öffentlichen Gelder
Die Uhrenindustrie argumentiert mit den gefährdeten Arbeitsplätzen, die Pharmabranche warnt vor den gesundheitlichen Folgen und die Musikindustrie setzt auf die Solidarität mit den Lieblingskünstlern.
Die Kampagne erscheint gleichzeitig in deutscher und französischer Sprache, nicht aber auf Italienisch. Felix Addor, Mitglied der Direktion beim Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum, begründet dies im Gespräch mit swissinfo mit den fehlenden finanziellen Mitteln.
«Man hätte mich standrechtlich erschossen, wenn wir auch nur einen einzigen Franken aus öffentlichen Geldern eingesetzt hätten. Mit einem Budget von lediglich einer halben Million Franken mussten wir die Aktion bündeln.»
Addor bedauert auch, dass die «schwerst betroffene» Maschinenindustrie und die Nahrungsmittelbranche nicht oder noch nicht mit an Bord sind.
Bundesrat Blocher versichert, er rede bei jedem seiner Besuche bei einem ausländischen Justizminister über Fälschungen. «Aber wissen Sie, man muss schauen, dass die Zustimmung beim Gespräch nicht die höfliche Form der Ablehnung ist.»
swissinfo, Andreas Keiser
Fälschung und Piraterie sind weltweit ein Problem. Laut aktuellen Schätzungen beträgt der Anteil gefälschter Güter bis zu 9% des Gesamtmarktes.
Der Verlust für die herstellende Wirtschaft wird weltweit auf jährlich mehr als 400 Mrd. Dollars geschätzt.
Schweizer Firmen verlieren bis zu 2 Mrd. Franken pro Jahr.
Unter Piraterie versteht man die unerlaubte Verwendung von Werken (Musik, Texte, Bilder, Filme), die durch das Urheberrecht geschützt sind.
Gefälscht werden Waren wie Uhren, Arzneimittel, medizinische Geräte, Brillen, Flugzeugbauteile, Lebensmittel, Kosmetika, Zigaretten, Mode und Möbel.
Auch die Software-Industrie ist von der Problematik betroffen. In der Schweiz sind schätzungsweise 32% der auf den Computern installierten Software-Programme Raubkopien.
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