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Mordfall Unterseen: Urteil bestätigt

Die drei Angeklagten bei der erstinstanzlichen Urteilsverkündung 2004. Keystone

Das Berner Obergericht hat die lebenslange Zuchthausstrafe für den Haupttäter im Neonazi-Mord von Unterseen bestätigt.

Für eine «derartige» Verbrechensserie könne nur «lebenslänglich» eine angemessene Strafe sein. Die Verteidigung erwägt den Gang vors Bundesgericht.

Mit dem Urteil folgte die 2. Strafkammer des Berner Obergerichts dem Antrag von Staatsanwalt Markus Weber. Die Verteidigung hatte eine Zuchthausstrafe von 15 Jahren gefordert. Das Obergericht befand, dass für eine derartige «Verbrechensserie», wie sie dem heute 26-jährigen Angeklagten angelastet werden müsse, nur «lebenslänglich» eine angemessene Strafe sein könne.

Der gelernte Plattenleger wurde Ende März 2004 rechtskräftig wegen Mordes, wegen zweifach unvollendeten versuchten Mordes sowie einer strafbaren Vorbereitungshandlung zu Mord verurteilt.

Er galt als Anführer und war zum Tatzeitpunkt zudem vorbestraft: Er war im Mai 2000 wegen einer vierfachen Schussabgabe auf einen Polizeibeamten zu einer 18-monatigen bedingten Gefängnisstrafe verurteilt worden.

Zwei um ein Jahr jüngere Mittäter wurden zu 16 Jahren Zuchthaus verurteilt. Der vierte Täter war zur Tatzeit minderjährig und musste in ein Erziehungsheim. Das Urteil weitergezogen hat einzig der Anwalt des Haupttäters.

«Grausame, qualvolle Elimination»

Wie Oberrichter Martin Räz in seiner Urteilsbegründung betonte, falle ins Gewicht, dass es sich bei der Ermordung des 19-jährigen Oberländers um einen eigentlichen «Overkill» gehandelt habe.

Obschon das schwerst verletzte Opfer «um Verzeihung und Gnade gefleht» habe, habe der Angeklagte als Anführer «die Elimination grausam und qualvoll zu Ende geführt».

Möglicher Weiterzug ans Bundesgericht

Die Rügen der Verteidigung, wonach beim Erstellen der psychiatrischen Gutachtens rechtlich nicht zulässlige Formfehler begangen worden seien, stellte das Obergericht zwar nicht in Abrede, sah darin aber kein Problem.

Konkret geht es in einem Punkt darum, dass der Untersuchungsrichter (UR) für den Haupttäter ein Gutachten bei Professor Volker Dittmann angeordnet hatte, worauf Dittmann die Begutachtung der Mittäter an zwei seiner Mitarbeiter delegierte, ohne dazu offiziell vom UR befugt worden zu sein.

Das Obergericht befand nun am Dienstag, dass es hierbei um eine «formlose Delegation, die jahrelanger Praxis entspreche,» handle. Dies sieht der Verteidiger anders: «Mit grösster Wahrscheinlichkeit werden wir damit ans Bundesgericht gehen», sagte Verteidiger Marcel Grass nach dem Urteil. Bekäme er Recht, müsste ein Obergutachten erstellt werden.

Schweigegelübde gebrochen

Die jungen Männer wurden verurteilt, weil sie Ende Januar 2001 ihren damals 19-jährigen Kollegen bei der Ruine Weissenau in Unterseen im Berner Oberland mit einem Stahlrohr erschlagen hatten. Anschliessend versenkten sie die Leiche im Thunersee.

Der junge Mann musste sterben, weil er ein Schweigegelübde des rechtsextremen «Ordens der arischen Ritter» gebrochen hatte, dem er und die Angeklagten angehört hatten.

swissinfo und Agenturen

Ende Januar 2001 wurde Marcel von Allmen, ein 19-jähriger Sympathisant der rechtsextremen Szene, vermisst gemeldet.

Einen Monat später fand die Polizei seine Turnschuhe im Thunersee. Anschliessend wurde auch seine mit Metallrohren beschwerte Leiche im See gefunden

Einige Tage später gestanden vier Kameraden von Marcel von Allmen, alle Mitglieder des rechtsextremen «Ordens der arischen Ritter», den Mord an von Allmen.

Sie hatten ihn in der Nacht des 27. Januar 2001 mit Stahlrohren in der Ruine Weissenau bei Unterseen im Berner Oberland erschlagen, da dieser ein «Schweigegelübde» gebrochen hätte.

Im März 2004 verurteilte das Kreisgericht Interlaken den Haupttäter zu lebenslanger Haft.

Das Berner Obergericht bestätigt nun das Urteil. Der Verteidiger verlangte eine Strafe von 15 Jahren.

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