Musterschüler Schweiz ?
In Sachen Schmiergelder stehen die international tätigen Schweizer Konzerne besser da als auch schon. Dies meldet die Anti-Korruptions-Organisation 'Transparency International'.
Laut der Studie sind nur australische Unternehmen weniger korrupt als schweizerische. Die Schweiz liegt gemeinsam mit Schweden auf Rang 2, gefolgt von Österreich, Kanada, den Niederlanden und Belgien.
Am schlechtesten platziert unter den 21 wichtigsten Exportländern sind Russland und China, deren Unternehmen offenbar «in einem aussergewöhnlich hohen und nicht zu tolerierenden Ausmass» bestechen. Häufig schmieren auch Firmen aus Taiwan, Südkorea und Italien ausländische Beamte.
Frankreich, die USA und Japan schneiden mittelmässig ab. Die Umfrage wurde bei 835 Wirtschaftsexperten aus 15 Schwellenländern durchgeführt.
Im Vergleich zur ersten Erhebung vor drei Jahren verbesserte sich die Schweiz um drei Plätze. Der Präsident von Transparency Switzerland, Philippe Lévy, warnte aber vor voreiliger Selbstzufriedenheit. Zum einen beruhe der Index nicht auf wertfreien Kriterien, sondern auf der Wahrnehmung der befragten Fachleute. Zum anderen sei die Schweiz in den besonders korruptionsanfälligen Branchen wenig konkurrenzfähig. Am häufigsten wird gemäss der Umfrage in den Sektoren Infrastruktur/Grossbauten, Rüstungsindustrie sowie Gas- und Ölindustrie bestochen.
Lob für Schweizer Konzerne
Lévy vermutet, der Verkauf der ABB-Kraftwerkssparte könnte zum verbesserten Image der Schweiz beigetragen haben. In der Baubranche seien international konkurrenzfähige – und damit potenziell Schmiergeld zahlende – Schweizer Unternehmen in ausländische Hände geraten. Sektoren wie die Pharma- und insbesondere die Konsumgüterindustrie, in denen die Schweiz zur Weltspitze zählt, sind nach Angaben Lévys dagegen weniger korruptionsanfällig, weil sie nur in Teilbereichen auf den Goodwill der Behörden angewiesen seien.
Gleichzeitig anerkennt der Präsident von TI Schweiz die Fortschritte von Schweizer Firmen im Kampf gegen die Korruption. Er erwähnte namentlich das Beispiel des Holcim-Konzerns: Die ehemalige Holderbank habe die Eröffnung einer Zementfabrik in Argentinien um sechs Monate zurückstellen müssen, weil sie sich geweigert habe, für die Erteilung einer Umwelt-Zertifizierung Schmiergelder zu bezahlen. Auch Konzerne wie ABB oder Schindler seien gegen die Korruption aktiv geworden.
Aus der Transparency-Umfrage geht weiter hervor, dass eine grössere Pressefreiheit, Anti-Korruptions-Ermittlungen und erhöhte Transparenz der Regierungen für die wichtigsten Faktoren zur Eindämmung der Korruption gehalten werden. Umgekehrt sei die Toleranz der Öffentlichkeit gegenüber Korruption, die Verschlechterung der Rechtsstaatlichkeit sowie die Immunität ranghoher Beamter besonders schädlich.
Fehlende Umsetzung
Nach Lévys Einschätzung wurden bei der Sensibilisierung gegenüber der Korruptions-Problematik in den letzten zehn Jahren bedeutende Fortschritte erzielt. Er lobte auch die Erarbeitung von internationalen Anti-Korruptions-Konventionen und entsprechenden nationalen Gesetzen.
Was bisher aber weitgehend fehle, sei die Anwendung dieser Instrumente. «Wenn ich zynisch wäre, würde ich mir in der Schweiz einen ersten Gerichtsfall wegen Bestechung ausländischer Beamter wünschen.» Dann würde die Wirtschaft aus Angst vor einem Imageverlust ihren Kampf gegen die Korruption noch verstärken, ist Lévy überzeugt.
Keine Frage der Moral
Der Schweizer TI-Präsident forderte dazu auf anzuerkennen, dass «nicht die Moral zunimmt, sondern die wirtschaftlichen Zwänge, gegen die Korruption vorzugehen.» Korruption schade allen: Den Schmiergeld zahlenden Firmen entstünden höhere Kosten und im Falle einer Aufdeckung ein Imageverlust. Die Steuerzahler und Konsumenten bezahlten für schlechtere Leistungen höhere Preise.
Boris Bögli, InfoSüd
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch