Naher Osten: Bericht über Neutralität der Schweiz
Der Bundesrat verlangt vom Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) einen Bericht zur Handhabung der Neutralität im Nahost-Konflikt.
Das Dokument soll auch die Probleme analysieren, die sich bei den Themen Völkerrecht und Konflikte zwischen ungleichen Parteien ergeben.
Die Landesregierung habe einen solchen Bericht anlässlich ihrer Sondersitzung zum Nahost-Konflikt am Mittwoch gewünscht, sagte Jean-Philippe Jeannerat, Sprecher beim Departement von Aussenministerin Micheline Calmy-Rey. Er bestätigte damit einen Bericht der «SonntagsZeitung».
Das EDA habe die Arbeit dazu noch nicht aufgenommen, erklärte er. Die Spannweite des Berichts zur Schweizer Neutralität im Nahen Osten wird laut Jeannerat «über die aktuellen Ereignisse in Israel und Libanon hinaus reichen».
Auch in der Frage des internationalen Völkerrechts könne die Analyse ausgedehnt werden auf andere Konflikte zwischen Staaten oder zwischen Gruppierungen innerhalb eines Landes. «Es gibt noch andere asymmetrisch verlaufende Konflikte», sagte Jeannerat.
Kellenberger anderer Meinung
Genau als das Gegenteil bezeichnet Jakob Kellenberger den Konflikt. Für den Präsidenten des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) liegt aus Sicht des humanitären Völkerrechts ein zwischenstaatlicher bewaffneter Konflikt zwischen Israel und Libanon vor.
Ausreichend dafür sei der Einsatz israelischer Streitkräfte auf libanesischem Territorium ohne die Zustimmung der Regierung sowie die errichtete See- und Luftblockade. Dies hat Kellenberger in der «NZZ am Sonntag» geschrieben.
Eigentlich gekämpft werde zwischen Israel und dem Hisbollah. Auch in diesem Verhältnis seien aber die Regeln des humanitären Völkerrechts anwendbar, hielt der IKRK-Präsident fest.
Grundsatz der Verhältnismässigkeit
Das IKRK hat laut Kellenberger den Konfliktparteien die wichtigsten Regeln des humanitären Völkerrechts mit Nachdruck in Erinnerung gerufen, allen voran die Verpflichtung, die Zivilbevölkerung nicht anzugreifen.
Es habe auch von Anfang an auf der Respektierung des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit in der Anwendung militärischer Gewalt bestanden, betonte Kellenberger.
«Gelitten wird in erster Linie in der libanesischen Zivilbevölkerung mit ihren vielen Toten und Verletzten und einer zerstörten Infrastruktur», schrieb der IKRK-Präsident.
Gelitten werde aber auch in der Zivilbevölkerung in Nordisrael, auch wenn sich Anzahl der Opfer und Grad der Zerstörung nicht mit den Verhältnissen in Libanon vergleichen liessen.
100 Millionen Franken
Libanon wird gemäss Kellenberger nach dem Sudan (Darfur) zum zweitwichtigsten Einsatzgebiet des IKRK in diesem Jahr. Die Organisation rechnet mit Ausgaben von 100 Millionen Franken. Der Bundesrat unterstützt die IKRK-Aktion in Libanon mit 5 Mio. Franken.
Die Durchführung von Hilfsoperationen erweise sich auf Grund der pausenlosen Angriffe als schwierig, so Kellenberger weiter. Die Erweiterung der Aktionsfähigkeit des IKRK sei jedoch in Anbetracht der dringenden humanitären Bedürfnisse ein Muss.
Ziel des IKRK für die verbleibenden Monate dieses Jahres sei es, in Libanon mindestens 200’000 Personen monatlich mit Nahrungsmitteln und Gütern des täglichen Gebrauchs zu versorgen, den Zugang zu Trinkwasser für 1,2 Millionen Menschen zu sichern und medizinische Einrichtungen für 650’000 Menschen zu unterstützen.
swissinfo und Agenturen
Die Schweizer Regierung hat bisher 6,5 Mio. Fr. für Nothilfe an das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) bewilligt.
Das Schweizer Aussenministerium (EDA) hat bisher 875 Personen aus Libanon evakuiert, darunter 80 Menschen anderer Nationen.
Die Evakuierungen haben bisher 2,5 Mio. Fr. gekostet.
Der Konflikt – der Schlimmste seit der israelischen Invasion des südlichen Libanons 1982 – begann, nachdem die Hisbollah-Milizen vor zwei Wochen zwei israelische Soldaten entführt und immer wieder Raketen auf israelisches Gebiet abgefeuert hatten.
Am frühen Sonntag Morgen sind bei einem israelischen Luftangriff auf das Dorf Kana im Südlibanon über 50 Menschen getötet worden, darunter mehr als 30 Kinder.
Kurz darauf trafen rund 30 Raketen die israelische Hafenstadt Haifa und weitere Ortschaften. Laut Polizeibehörden wurde dabei eine Person verletzt.
Die Schweiz hat zum Schutz der Zivilbevölkerung einen sofortigen Waffenstillstand gefordert. Sie begrüsste auch die Einberufung einer dringlichen Sitzung des UNO-Sicherheitsrats am Sonntag.
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