Nati sucht Doppelbürger und Auslandschweizer
Der Schweizerische Fussballverband sucht Jugendliche aus der Fünften Schweiz als Ersatz für junge, in der Schweiz ausgebildete Schweizer Doppelbürger, die in andere Nationalmannschaften abspringen.
Schweizer Trainer in Kanada, Brasilien und Argentinien haben sich dem SFV für die Suche freiwillig zur Verfügung gestellt.
«Es haben sich fast 200 junge Auslandschweizer und -schweizerinnen gemeldet, die für die Nationalmannschaft geeignet sein könnten. Aber danach wird es schwierig, denn diese Spieler müssen beurteilt werden, bevor wir sie in ein Trainingslager einladen», erklärt der Technische Direktor des Schweizerischen Fussballverbands (SFV), Hansruedi Hasler.
Die ältesten Interessenten wurden gebeten, ein Video mit ihren Exploits einzuschicken, und die jüngsten (15- bis 17-jährig) werden im Herbst zu einem Trainingslager in Tenero im Tessin eingeladen. Bei dessen Organisation hilft die Auslandschweizerorganisation (ASO) mit.
Keine systematische Talentsuche
Zurzeit besteht noch kein Suchnetzwerk aus Trainern oder «Spionen» in Ländern, wo junge, möglicherweise interessante Talente für die Schweizer Juniormannschaften leben.
«Schweizer Trainer in Kanada, Brasilien und Argentinien haben sich dem SFV als Freiwillige zur Verfügung gestellt», erklärt Hasler. «Aber es ist alles recht kompliziert. Vor allem, wenn man zum Beispiel jemanden hinschicken muss, um einen oder zwei Spieler in Panama zu begutachten. Ganz abgesehen von den Kosten.»
Der Fussballverband rechnet mit einigen Jahren für das Projekt, bevor er beschliesst, ob es sich lohnt, in grösserem Stil zu investieren. Diese erste Vorselektion ist ein Test.
Eine problematische Regelung
Die Schweiz muss viel versprechende Jugendliche, die eines Tages in der Nati spielen könnten, im Ausland suchen. Denn andere Länder zögern nicht, Doppelbürger abzuwerben, die in der Schweiz ausgebildet wurden.
Das ist vor allem mit der neuen Regelung der FIFA möglich geworden. Seit Oktober 2003 kann ein junger Doppelbürger, der in der Juniorenmannschaft eines Landes ausgebildet wurde, ohne weiteres auch für sein zweites Heimatland spielen.
Zdravko Kuzmanovic (Serbien) oder Eldin Jakupovic (Bosnien-Herzegowina) haben das getan. Sogar die Aussicht, an der Euro 08 in der Schweiz mitzuspielen, genügte nicht, diese jungen Talente zu halten.
«In den letzten sechs Jahren hat der SFV für Kuzmanovic alles getan. Er kostete uns 25’000 Franken pro Jahr, der Verband hat nahezu 150’000 in ihn Franken investiert. Und im letzten Moment entschliesst er sich, für Serbien zu spielen. Das ist nicht gerecht», empört sich Hasler.
«Die FIFA-Regelung ist schädlich für Länder, die ihre Spieler ausbilden. Das Alter, in dem man sich für ’sein› Land entscheidet, muss unbedingt heruntergesetzt werden. So profitiert dann auch das Land, das die Ausbildung bezahlt hat, vom Spieler.»
Einige bleiben, einige zögern
Zum Glück für die Schweiz spielen einige in der Schweiz ausgebildete Doppelbürger wie Johann Djourou, Philippe Senderos, Blerim Dzemaili und Valon Behrami auch weiter in der Schweizer Nati.
Sie wollen nicht in die Nationalmannschaft der Elfenbeinküste, Spaniens, Mazedoniens oder Albaniens wechseln, nachdem sie bei den Schweizer Junioren gespielt haben.
Der kolumbisch-schweizerische Doppelbürger Johann Vonlanthen zögerte lange, schloss sich aber dann doch den «Secondos» der Schweizer Mannschaft an. Sie bilden zusammen mit den Deutschschweizern, den Romands und den Tessinern eine manchmal etwas explosive Mischung, welche die Grundlage für das sehr gute Abschneiden der Nati an der Euro in Portugal (2004) und der WM in Deutschland (2006) bildete.
In nächster Zukunft werden sich noch viele entscheiden müssen. So zum Beispiel der Basler Ivan Rakitic, der von Kroatien sehr umworben wird.
swissinfo, Mathias Froidevaux
(Übertragung aus dem Französischen: Charlotte Egger)
Im Oktober 2005 richtete Nati-Trainer Köbi Kuhn in der „Schweizer Revue» einen Appell an die 200’000 jungen Schweizerinnen und Schweizer im Ausland, die gerne Fussball spielen würden.
Fast 200 jugendliche Auslandschweizer meldeten sich beim SFV.
Seit 2003 können junge Doppelbürger-Fussballer aus den Junioren-Nationalmannschaften eines Landes in die Nationalmannschaft ihres zweiten Heimatlandes wechseln.
Früher durfte man, wenn man in einer Nationalmannschaft gespielt hatte, auch wenn es nur fünf Minuten waren, nachher nicht einfach die Farben eines anderen Landes tragen.
Der Schweizerische Fussballverband hat heute 1500 Klubs und 11’200 Mannschaften mit insgesamt 280’000 Spielern.
Der frühere Fussballer Hansruedi Hasler (er spielte sich namentlich mit dem FC Biel in die NLA) trainierte die Juniornationalmannschaften der unter 16- und 17-Jährigen.
Er arbeitete an der Eidgenössischen Hochschule für Sport Magglingen, bevor er 1995 Technischer Direktor des Schweizerischen Fussballverbands wurde.
Unter seiner Leitung wurden die Rahmenstrukturen der Schweizer Junioren professionalisiert. Heute beschäftigen sich gut zehn professionelle Trainer mit dem Nachwuchs.
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