Vor 25 Jahren räumte Zürich die offene Drogenszene
Der Zürcher Platzspitz oder "Needle Park" war während der 1980er- und frühen 1990er-Jahre eine offene Drogenszene. Heroinabhängige konnten sich Spritzen setzen, ohne festgenommen zu werden. Als Drogensüchtige und Dealer aus ganz Europa anreisten, zeigte sich die Welt schockiert, und die Behörden schlossen den Park 1992.
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Die britische Multimedia-Journalistin Jo, die 2010 in die Schweiz zog, hat Erfahrung in den Bereichen Fernsehen, Radio und Online. Sie leitet ein Team von Videojournalisten, Bildredaktorinnen, einem Grafikdesigner, Datenjournalisten und Community-Entwickler, und ist auf Social Media spezialisiert. Kürzel: jf
Gleich hinter dem Landesmuseum, in nächster Nähe des Zürcher Hauptbahnhofs, existierte seit 1987 eine offene Drogenszene. Sie wurde weltweit bekannt, als die Situation ausser Kontrolle geriet, mit Hunderten Dealern und Drogenabhängigen, von denen viele dringend medizinische Betreuung nötig gehabt hätten. Einige Ärzte leisteten Freiwilligenarbeit – zuerst gegen den Willen der Behörden – und versorgten Wunden, kümmerten sich um Fälle von Überdosierung und gaben saubere Spritzen ab. Später durften sie dies mit Erlaubnis tun.
Der politische Druck allerdings wurde immer grösser, weshalb die Polizei in den Park geschickt wurde, was zu chaotischen Szenen führte. Viele Drogenabhängige flüchteten und wussten nicht, wohin sie gehen sollten. Es fehlte an einer organisierten sozialen Unterstützung für die Süchtigen. Der Platzspitz wurde am 5. Februar 1992 offiziell geschlossen. Ein schweres Eisentor versperrte den Süchtigen fortan den Zutritt.
Das abrupte Ende der offenen Drogenszene führte dazu, dass sich Süchtige und Dealer einen neuen Ort suchten. Sie fanden diesen im nahen Letten-Areal, zwischen einer nicht mehr benutzten Bahnstation und der Limmat, die durch Zürich fliesst. Diese Drogenszene wurde schliesslich 1995 durch die Polizei geräumt.
Die Erfahrungen in Zürich führten schliesslich dazu, dass die Schweiz künftig einen pragmatischen Ansatz gegenüber dem Drogenmissbrauch verfolgte. Möglichkeiten zum Nadelaustausch wurden aufgebaut, saubere «Fixerstübli» mit medizinischem Personal eingeführt, und heute existieren Methadon-Programme und sogar ein Heroinabgabe-Programm für Schwerstsüchtige.
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«Das Heroinprogramm ist eine Art Prestigegeschichte»
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Das Treiben wurde von den Behörden lange toleriert, bis der politische Druck immer grösser wurde. Am 5. Februar 1992 wurde der Platzspitz geräumt und mit einem Eisentor verriegelt, die Drogenabhängigen wurden vertreiben, flankierende soziale und medizinische Massnahmen gab es kaum. Die Drogenszene löste sich aber nicht in Luft auf, sondern verschob sich auf das Areal…
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