Nein, Tom Brady ist längst nicht der einzige Spitzensportler über 40
Gegen alle Wetten hat Tom Brady am Sonntag zum siebten Mal den "Super Bowl" gewonnen – mit 43 Jahren! Täuscht der Eindruck oder werden Profi-Sportler und Sportlerinnen immer älter? Eine Studie der Universität Bern hat diese Frage untersucht.
In der rauen NFL-Welt ist Tom Brady mit seiner 20 Jahre dauernden Karriere einzigartig, auch wenn es auf der gut geschützten Position des Quarterbacks einige ältere Spieler gibt. Das Durchschnittsalter in der ersten American-Football-Liga beträgt, so besagt es die Statistik, knapp über 26 Jahre. Und die Verweildauer in der NFL ist kurz: zwischen 3 und 4 Jahre.
Sportgrössen in fortgeschrittenem Alter gibt es heute einige auf der Welt. In der Schweiz wird Roger Federer dieses Jahr 40 Jahre alt. Während seiner über 20-jährigen Karriere hat der Tennis-Maestro 20 Grand-Slam-Titeln gewonnen, ein Rekord, den er mit dem fünf Jahre jüngeren Rafael Nadal teilt. Obwohl er den grössten Teil des letzten Jahres wegen Operationen am rechten Knie pausieren musste, steht er immer noch Platz 5 der Weltrangliste. Vor wenigen Tagen hat er seine Rückkehr auf die ATP-Tour für diesen März angekündigt.
Auch Skispringer Simon Ammann als «Flying Harry Potter» bekannt wurde, wird dieses Jahr 40 Jahre alt. Beim Comeback im Weltcup vom Ende Januar sprang der vierfache Olympiasieger in Willingen in die Top 10. Er will seine Karriere bis zu den Olympischen Winterspielen 2022 in Peking fortzusetzen.
Wenn man sich in der Welt umschaut, stechen überall Ü40-Sporgrössen heraus. Kazuyoshi Miura zum Beispiel, der älteste Stürmer in Japans erster Fussballliga J1, hat kürzlich einen neuen Vertrag mit seinem Verein unterschrieben, kur vor seinem 54. Geburtstag. Noriaki Kasai, der 48-jähriger ehemalige Olympiasieger im Skispringen, will um die Qualifikation für die Olympischen Spiele im Jahr 2022 kämpfen, es wären seine neunten.
Bei den Frauen wird die 45-jährige Turnerin Oksana Chusovitina aus Usbekistan an den Olympischen Spielen in Tokio teilnehmen, und das in der Gymnastik, einem Sport, in dem der Höhepunkt normalerweise im Teenageralter erreicht wird.
Endlose Passion
Wie ist das überhaupt möglich, fragt man sich. Alle erwähnten Spitzensportler und -sportlerinnen haben etwas gemeinsam: Sie sind nicht nur talentiert, sondern auch ausdauernd und auffallend gut organisiert.
Roger Federer zum Beispiel hat unter seinem spitzen Fitnesstrainer Pierre Paganini mehr auf Qualität als auf Quantität gesetzt. Der Körper verzeiht mit dem Alter weniger, also müssen alle Einsätze gut geplant sein, wie Adrian Rothenbühler, Sporttrainer und Dozent bei der Trainerbildung SchweizExterner Link am Bundesamt für Sport in Magglingen, ausführt. Die Leistung des Teams bei der Planung von Training und Wettkämpfen spiele in den älteren Jahren eine grosse Rolle. Im Falle von Federer kommt Rothenbühler zum Schluss, der Tennisstar habe sein Teammitglieder perfekt ausgewählt und das Trainingssystem von Paganini sei «exzellent».
Sportpsychologe Hanspeter GubelmannExterner Link sagt, es seien psychologische und physische Faktoren, die darüber entschieden, ob Spitzensport im fortgeschrittenen Alter noch möglich sei. «Ammann wie Federer blieben im Verlaufe ihrer Karriere sehr lange von schwerwiegenden Verletzungen oder Stürzen verschont – bis im späten Herbst ihrer Laufbahnen».
Möglicherweise noch entscheidender sei aber ihre ungebrochene Leidenschaft für ihre Sportarten. «Dieses innere Feuer, dass lodert und sie antreibt und die positiven Emotionen, die sie mit ihrem Tun immer wieder erleben dürfen.» Federers Fitnesstrainer Paganini sagte kürzlich in einem InterviewExterner Link mit dem Schweizer Fernsehen SRF, er warte eigentlich nur darauf, dass Federer ihm die Türe vor der Nase zu knalle und sage: «Es reicht jetzt». Aber Federer komme immer mit diesem Funkeln in den Augen.
Karrieren werden länger
Es sind aber auch Entwicklungen in den Bereichen Sportmedizin, Trainingswissenschaften, Rehabilitation, Ernährungswissenschaft und Psycholgie, die das professionelle Leben von Spitzensportlern verlängern. «In den meisten Sportarten dürfte diese Beobachtung zutreffen», sagt Gubelmann. Eine Studie von Forschern des Instituts für Sportwissenschaft der Universität Bern, die 344 Schweizer Spitzensportler untersuchten, ergab, dass sich die aktive Karriere von Männern von 1988 bis 2012 um 7 Jahre und 1 Monat und von Frauen um 4 Jahre verlängert hat.
«Im Zuge der Professionalisierung des Spitzensports dürften dadurch die Rahmenbedingungen insgesamt verbessert worden sein, was einer Verlängerung der Karriere zuträglich ist. Zudem sind die Verdienstmöglichkeiten im Spitzensport durch die Kommerzialisierung und Mediatisierung ebenfalls höher als früher», sagt Gubelmann.
Auf der anderen Seite stehen Faktoren, die Karrieren verkürzen oder im Extremfall auch beenden können. «In vielen Sportarten stossen die Spitzensportler an menschliche Belastungsgrenzen oder erleiden schwere Verletzungen. Es entstehen körperliche Schädigungen, die irgendwann irreparabel sind». Schliesslich führten auch Dopingvergehen immer häufiger zu einem Karriereabbruch.
Wo die Grenzen liegen
Wo aber liegt die natürliche Grenze? Geschwindigkeit und Muskelkraft nehmen ab einem Alter von 25 Jahren tendenziell ab. Etwas anders ist die Ausgangslage bei der Ausdauer, sie kann besser erhalten werden. Trainerbilder Rothenbühler sagt, auch die Mentalität und Erfahrung könne im Spitzensport in gewissen Situationen über den Erfolg entscheiden. «Das ist aber kein langfristiges Konzept. Gerade in Sportarten, in denen die Physis eine wichtige Rolle spielt, kann das Rad der Zeit nicht zurückgedreht werden, erst recht bei der rasanten Entwicklung der meisten Sportarten hinsichtlich der Schnelligkeit und Explosivität.» Die längeren Karrieren sind aus seiner Sicht, auf ein besseres «Loadmanagement» zurückzuführen, eine bessere Abstimmung von Belastung und Erholung.
Wer eine lange Sportkarriere anstrebt, muss vor allem seiner physischen und psychischen Gesundheit Sorge tragen. «Hier lässt sich auch in frühen Jahren einer sportlichen Karriere sinnvoll investieren. Das heisst: Belastungen langsam steigern, die Erholung optimal managen, sich gesund ernähren und ein soziales Netzwerk pflegen», sagt Gubelmann. «Hier sehe ich insbesondere auch die Eltern, die einen entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung der Karriere ihrer Kinder haben.»
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