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Neue UNO-Kampagne gegen Gewalt an Frauen

Die Kampage gegen Gewalt an Frauen baut auf Prävention, Schutz und Betreuung. unfpa

Die Vereinten Nationen haben eine neue Kampagne gegen Gewalt an Frauen lanciert. So machen etwa in der Türkei Fussballer gegen Ehrenmorde mobil.

Wegweisend sind Länderbeispiele, die eine von der Schweiz unterstützte Kulturbeauftragte des Bevölkerungsfonds UNFPA vorgelegt hat.

Die neue globale Kampagne hat die Unterstützung von zwölf UNO-Stellen und UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon, der darauf hinwies, dass statistisch gesehen jede dritte Frau mit Schlägen, erzwungenen sexuellen Handlungen oder anderen Formen des Missbauchs leben muss.

Lösungsansätze gegen Gewalt an Frauen hat der UNFPA mit Fallstudien aus zehn Ländern vorgelegt – und einem neuen «Kulturansatz»: Ob Bangladesch, Mexiko oder die Türkei, in jedem Land wird anders gegen Gewalt an Frauen vorgegangen. Die Beispiele zusammengetragen hat ein Team unter Maysoon Melek, Kultur- und Gleichstellungsbeauftragte des UNFPA von 2002 bis 2006.

Die Arbeit ermöglicht hat die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA). Über die Finanzen hinaus hat sie den Kulturansatz getestet und Anpassungen vorgenommen. Das soziokulturelle Vorgehen erwies sich als hilfreich und wird in weiteren Ländern übertragen, wie Maysoon Melek unlängst in Bern vor der «Parlamentarischen Gruppe Kairo+» berichtete.

Fussballspieler als Botschafter

In der Türkei etwa hat der UNFPA mit einer Untersuchung über «Ehrenmorde» an Frauen und Mädchen Regierung und breite Kreise aufgerüttelt, etwas dagegen zu unternehmen. Der Fonds gewann die Unterstützung der türkischen Fussball-Vereinigung, 18 Super-League-Teams machten bei der «Stopp Gewalt an Frauen»-Kampagne mit.

An einem wichtigen Fussball-Wochenende erreichte die Botschaft ein besonders breites Publikum. Unzählige Männer sahen im Fernsehen die Fussballer mit den Kampagnen-T-Shirts, zudem wurden in der Halbzeit TV-Spots «Stopp Gewalt gegen Frauen» gesendet. «Die Spots werden immer noch landesweit in Kino und Fernsehen ausgestrahlt», sagt die UNFPA-Kulturbeauftragte Azza Karam.

Bemerkenswert war, dass neben der Regierung auch die Zeitung «Hürriyet» sowie private Organisationen sich für eine gemeinsame Kampagne gegen häusliche Gewalt engagierten, obwohl alle Beteiligten auf ihre Unabhängigkeit pochten. Neue Partner stiegen ein: Der staatliche, polyphone Chor gab Konzerte mit Volksliedern gegen Gewalt an Frauen.

Männer-Koalition schaffen

Die breite Information der Öffentlichkeit führte dazu, dass die Regierung zu mehr Anstrengungen gegen Gewalt an Frauen aufgefordert wurde. Trotz guten Willens fehlte es an Geld, doch da sich die Türkei in ihrer Gesetzgebung der EU anpasste, sprach diese die Mittel zur Schaffung von Frauenhäusern und beauftragte den UNFPA mit einem Programm gegen häusliche Gewalt.

Den Erfolg der Kampagne führt Melek darauf zurück, dass Männer angesprochen waren und über Gewalt reden konnten. «Es gibt keinen Fortschritt für Frauen ohne Männer», betont sie. Entscheidend sei zudem, dass viele unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen mitmachen. Türöffner für das Tabu-Thema Gewalt an Frauen sind vielerorts Programme im Gesundheitswesen.

Geld für Prävention fehlt

Gesundheitsdienste und Opferhilfe genügen indes nicht, wie die Debatte der UNFPA-Expertinnen mit der «Parlamentarischen Gruppe Kairo +» zeigte. Ebenso wichtig ist die Prävention, besonders Bildung in Menschenrechtsfragen.

Prävention würde sich für die Volkswirtschaften lohnen: In der Schweiz werden gemäss einer Studie die direkten Kosten infolge der Gewalt an Frauen – Polizei, Justiz, medizinische Versorgung – moderat auf 400 Millionen Franken pro Jahr geschätzt. Nicht eingerechnet sind indirekte Kosten durch Produktivitätsverluste.

Was können Männer tun, fragte Stéphane Rossini (SP/VS). «Gewalt gegen Frauen als öffentliches Problem anerkennen und nicht als private Familienangelegenheit abtun», antwortete Melek.

Sich für die Finanzierung von Schutz und Prävention einsetzen, fügte sie an. Da derzeit ein Gesetz zu Gewalt-Prävention ausgearbeitet wird, sollte es sexuelle Gesundheit einschliessen, befanden die Parlamentarierinnen. Jean-Charles Rielle (SP/GE) wies auf die Notwendigkeit hin, Polizei- und Justizbeamte gezielt zu sensibilisieren, wie es in Genf gemacht wird.

swissinfo, Viera Malach, InfoSüd

Der Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (United Nations Population Fund, UNFPA) wurde 1969 gegründet. Heute ist er innerhalb des UNO-Systems das zentrale Organ im Bereich Bevölkerungsfragen. Der Fonds arbeitet mit Regierungen und nicht-staatlichen Organisationen in über 140 Ländern zusammen und unterstützt Programme zu sexueller und reproduktiver Gesundheit von Frauen, Männern und Jugendlichen.

Die Schweiz arbeitet seit 1973 mit dem UNFPA zusammen. Die DEZA setzt dabei auf die multilaterale Zusammenarbeit. Denn Entwicklungsländer, die in ihr Gesundheits- und Bildungssystem investieren und so tiefere Geburten- und Sterblichkeitsraten erreichen, verzeichnen eine prosperierende Entwicklung. Dies zu fördern und dadurch die Armut zu bekämpfen, ist Ziel und Aufgabe des UNFPA. Der Fonds konnte im muslimische Jemen ebenso Partner für das heikle Thema Gewalt an Frauen gewinnen wie im buddhistischen Kambodscha oder im katholischen Guatemala.

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