Nicht nur junge Ausländer sind gewalttätig
Prävention von Jugendgewalt muss möglichst früh beginnen und darf sich nicht nur an ausländische Jugendliche richten, sagt die Eidgenössische Ausländerkommission (EKA).
Die Autoren einer von der EKA in Auftrag gegebenen Studie schlagen eine mehrdimensionale Vorgehensweise vor, um eine «Willkommenskultur» zu schaffen.
Die neue Verordnung über die Integration der Ausländerinnen und Ausländer sieht Finanzhilfen des Bundes für Projekte vor, «die der Gewalt und der Straffälligkeit vorbeugen». Die Studie des in Cambridge lehrenden Kriminologen Manuel Eisner untersuchte, welche Projekte nützen, welche schaden und welche nutzlos sind.
Willkommenskultur
Die Gewalt Jugendlicher ausländischer Herkunft erscheine immer wieder in den Schlagzeilen, sagte EKA-Präsident Francis Matthey am Dienstag in Bern bei der Präsentation der Studie. Gewiss stelle die schlechte soziale Lage vieler ausländischer Jugendlicher einen Risikofaktor dar. Doch sei die Datenlage ungenügend.
Die EKA sei überzeugt, dass Jugendgewalt gesellschaftliche und individuelle und nicht allein ethnische Ursachen habe, sagte Matthey. Nur ein mehrdimensionaler Ansatz könne Gewalt verhindern und bekämpfen. Deshalb wären Sonderprogramme für ausländische Jugendliche der falsche Weg.
Ziel der Ausländerpolitik sollte es sein, dass ein gesellschaftliches Klima geschaffen wird, das Jugendlichen Perspektiven eröffnet, sagte Matthey. Nötig sei eine «Willkommenskultur», die jungen Menschen ausländischer Herkunft die
Botschaft vermittle, dass sie hier eine Chance haben.
Schon im Kindergarten
Eisner zeigt, dass die Prävention bei Jugendlichen mit einem Migrationshintergrund keine grundsätzlich anderen Massnahmen erfordert als bei Schweizer Jugendlichen. Eine erfolgreiche Prävention sollte schon im Säuglingsalter bei den Müttern beginnen
und im Kindergarten und in der Primarschule fortgesetzt werden.
Gewalttätige Jugendliche seien in der Regel bereits als Kinder mit aggressivem Verhalten aufgefallen, schreibt Eisner. Deshalb seien Fördermassnahmen im Vorschulbereich gezielt auszubauen. Sie sollten sich in angemessener Weise auch auf Kinder ausrichten, die in benachteiligten Situationen aufwachsen.
Die Unterstützung von Eltern, die in schwierigen sozio-ökonomischen Verhältnissen leben, könne einen wichtigen Beitrag zur Gewaltprävention leisten. Dabei müsse der Zugang zu bildungsfernen und mit den hiesigen Verhältnissen nicht vertrauten Personen, vor allem Migrationsfamilien, gesucht werden.
Götti-System
Vorgeschlagen wird weiter eine gezielte Aus- und Weiterbildung von Fachpersonal in der Säuglingsberatung, bei der Mütter- und Väterberatung, bei Krippen- und Spielgruppenleitungen, bei Kinderärzten und Lehrkräften. Zudem sollten die nachbarschaftlichen Netzwerke im Quartier und in den Wohnblocks gestärkt werden.
So könnte etwa ein «Götti-System» für gefährdete, auffällige Jugendliche etabliert werden. Die EKA, die über einen Kredit von 14 Mio. Franken für Integrationsprogramme verfügt, habe einen Teil für die Gewaltprävention reserviert, sagte Matthey. Sie wartet nun auf Projekteingaben.
swissinfo und Agenturen
Gemäss Bundesamt für Statistik wurden 2003 rund 13’500 Jugendliche wegen Straftaten gerichtlich verurteilt. Rund 1200 mehr als noch 1999.
Dabei waren 44% der Delikte Diebstähle, 36% illegaler Drogenbesitz, 13% waren Gewalttaten und 7% andere Delikte.
In der Schweiz leiden 30’000 bis 40’000 Kinder unter Gewalt in der Familie.
Die Eidgenössische Ausländerkommission (EKA) wurde 1970 als Expertenkommission der Schweizer Regierung gegründet und direkt dem Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) zugeordnet.
Die 30-köpfige Kommission setzt sich zur Hälfte aus Ausländerinnen und Ausländern zusammen. Ein Mitglied des dreiköpfigen Präsidiums ist ausländischer Herkunft.
Seit 2001 gibt es in der Schweiz einen Integrationskredit, mit dem Projekte in unterschiedlichen Schwerpunktbereichen finanziell unterstützt werden.
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