Ogis Traum einer besseren Welt
Sport als Hoffnungsträger und Entwicklungsfaktor: Dies ist die tiefe Überzeugung von Adolf Ogi, dem Initiator des UNO-Jahres des Sports 2005.
An der globalen Sportminister-Konferenz vom 6. – 9. Dezember in Athen will Ogi weiter für seine Idee werben.
Anfangs November haben UNO-Generalsekretär Kofi Annan, der UNO-Sonderbeauftragte für Sport Adolf Ogi und Tennis-Champion Roger Federer in New York das Jahr des Sports 2005 eingeläutet.
Er hoffe, so der Schweizer alt Bundesrat und begnadete Kommunikator im Gespräch mit swissinfo, mit seinem Projekt eine Lawine auszulösen, die alle erfassen wird.
swissinfo: Wann kam Ihnen die zündende Idee, Sport als Mittel der Friedensförderung einzusetzen?
Adolf Ogi: Ich bin froh, dass Sie das als «zündend» bezeichnen, denn es hat noch nicht überall gezündet.
Im Auftrag der UNO bin ich in der ganzen Welt herumgereist und habe festgestellt, dass die Welt krank ist. Es ist uns nicht gelungen, mit Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Religion eine Friedenswelt aufzubauen.
Deshalb brauchen wir ein neues Instrument. Ich habe nicht lange suchen müssen – es ist der Sport, die Erziehung.
swissinfo: Sie sind der Initiator des UNO-Jahr des Sports 2005. Welches Ziel haben Sie vor Augen?
A.O.: Mein Ziel – vielleicht etwas naiv – ist es, eine bessere Generation aufzubauen, die dank der Lebensschule Sport in 20 – 30 Jahren bereit sein wird, in die Ämter der Welt aufzusteigen und in den Bereichen Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Religion und Sport eine bessere Welt aufzubauen.
swissinfo: Wie haben Sie bei Kofi Annan und den UNO-Mitgliedstaaten Ihre Idee durchgebracht?
A.O.: Bei Kofi Annan war das gar kein Problem, er hat mir immer freie Fahrt gegeben. Bei der UNO war es vielleicht nicht so einfach, denn ich kann als Unter-Generalsekretär nicht direkt Anträge stellen.
Die Idee habe ich am 9. Januar 2003 an der Sportminister-Konferenz in Paris lanciert. Mit Hilfe Tunesiens, das gute Beziehungen in der ganzen Welt hat, haben wir eine Resolution ausgearbeitet.
Dem Präsidenten der UNO-Generalversammlung sagte ich: ‹Ich bringe Sonnenschein. Sie haben ja nur mit Negativem zu tun: Afghanistan, Irak, Palästina, Israel.› Er liess sich von mir überzeugen und setzte das Thema auf die Traktandenliste.
Ich hatte erwartet, dass wir zirka 2008 auf die Traktandenliste kommen und 2012 an der Reihe sind. Am vergangenen 3. November, also weniger als 12 Monate nach der Lancierung der Idee, haben die 191 Mitgliedstaaten dieser Resolution zugestimmt.
Das ist ein sehr erfreuliches Resultat, welches ein gutes Netzwerk und gute Beziehungen voraussetzt – das darf ich jetzt vielleicht auch einmal sagen.
swissinfo: Können Sie mir ein konkretes Beispiel geben, wo Sport als friedensfördernden Mittel eingesetzt wird?
A.O.: In den Drittweltländern kann man die Jugend mit den heutigen UNO-Programmen nicht begeistern. Wenn Sie wollen, dass die Jungen Freude haben und mitmachen, dann müssen Sie Sport anbieten. Sport ist in vielen Ländern die einzige Hoffnung.
Einfach ausgedrückt: Geben Sie ihnen einen Ball, formen Sie einen Fussball-, Volleyball- oder Handball-Mannschaft. Dann spielen sie zusammen, lernen integrieren, vergessen ihre täglichen Sorgen und respektieren den Gegner, die Regeln und den Entscheid des Schiedsrichters.
swissinfo: Führt Fairplay im Sport auch zu Fairplay in Politik und Gesellschaft?
A.O.: Fairplay im Sport könnte bespielgebend sein. Leider Gottes wird es aber, vor allem in der westlichen Welt, manchmal auch kaputt gemacht durch Schlägertrupps, welche die Plattform des Sports missbrauchen.
Aber als Ganzes gesehen ist es vergleichbar mit dem Eisberg: Sie sehen die Spitze, aber was sich unterhalb tut, was durch die sportliche Erziehung Positives bewirkt wird, wird vielfach vergessen.
swissinfo: Ist Sport denn nicht Luxus? Brauchen arme Länder nicht eher Spitäler und Schulen?
A.O.: Das brauchen sie auch, und da unterstützt sie die UNO auch. Der Sport ist nicht eine Frage des Geldes oder des Luxus›.
Ich war beispielsweise in Palästina und habe gesehen, was der Sport dort auslöst. Spiel und Sport ist für die Kinder die einzige Möglichkeit, für ein paar Minuten aus dieser traumatisierten Zeit herauszukommen.
swissinfo: Sport soll nicht nur Spass sein, sondern auch einen Beitrag zur wirtschaftlichen, sozialen und humanitären Entwicklung leisten. Was heisst das konkret?
A.O.: Ein Beispiel: Wir haben mit der Internationalen Arbeits-Organisation (ILO) in Moçambique Klein –und Mittelbetriebe lanciert, in denen eigene Sportartikel wie Fussbälle produziert und Uniformen geschneidert werden.
Sie sehen: Sport ist nicht einfach Sport, Sport ist auch Arbeit, Wirtschaft, Geld, – Sport ist alles.
swissinfo: Sport soll mithelfen, die extreme Armut auf der Welt zu halbieren – eines der Milleniums-Ziele der UNO. Ein Fussball kann den Hunger jedoch nicht stillen.
A.O.: Das können Sie nicht dem Sport anlasten. Die Milleniums-Ziele wurden im Jahr 2000 entschieden. Der Sport wird innerhalb der UNO wird erst seit 2001 gepflegt.
Ich bin überzeugt, dass der Sport mithelfen kann, die Ziele der Welt für 2015 schneller und besser zu erreichen.
swissinfo: In der Schweiz sind Tausende von Anlässen geplant. Ist die Schweiz wegen Ihrer Person besonders aktiv?
A.O.: Zuerst einmal hoffe ich, dass diese geplanten Anlässe auch realisiert werden. Es ist nicht eine Frage des Geldes, sondern des guten Willens.
Dass die Schweiz das Oberthema «Bewegung» gewählt hat, ist sehr gut, denn wir kennen hier das Problem Übergewicht. Deshalb kommt für die Schweiz das Jahr des Sports vielleicht gerade zur rechten Zeit.
Das Jahr des Sports – eine Plattform für alle 191 UNO-Mitglieder – sollte nicht am 31. 12. 2005 enden, sondern eine Lawine auslösen, die alle mitreisst – im Interesse einer besseren, einer friedlicheren, einer gesünderen, einer tolleren und schöneren Welt.
swissinfo-Interview: Gaby Ochsenbein
2003 wurde in Magglingen eine Deklaration zu Sport und Entwicklung verabschiedet. Dezember 2005 findet dort eine weitere Konferenz statt.
2005 finden zahlreiche weitere Konferenzen statt:
Tunis: Sport und Gesundheit
Bankok: Sport und Erziehung
Moskau: Sport und Frieden
Japan: Sport und Umwelt.
Das UNO-Jahr des Sports 2005 geht auf eine Initiative von alt Bundesrat Adolf Ogi zurück.
Ogi gehörte von 1988 – 2000 der Schweizer Regierung an.
Seit 2001 ist er UNO-Sonderbeauftragter für Sport im Dienst von Entwicklung und Frieden.
In der Schweiz sind Tausend Anlässe geplant, welche Jung und Alt zu mehr Bewegung anregen sollen.
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