Ohne Sicherheit kein Wiederaufbau in Afghanistan
Laut Schweizer Vertretern erreicht die Hilfe wegen der fehlenden politischen Stabilität in Afghanistan jene Menschen nicht, die sie am dringendsten benötigen.
Bei einem Treffen der International Afghanistan Support Group werden die weiteren Hilfsbedürfnisse Afghanistans diskutiert.
Im Vorfeld der Beratungen am Dienstag und Mittwoch in Oslo sprach swissinfo mit Schweizer Delegierten. Besonders besorgt ist man über die mangelnde Präsenz der Sicherheitskräfte im ganzen Land.
Nach Ansicht der Schweizer wäre dies entscheidend für den Wiederaufbau der Nation, die von Armut gezeichnet und durch zahlreiche, oft widersprüchliche ethnische Gräben getrennt ist.
Walter Fust, Direktor der Schweizer Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit und Leiter der Schweizer Delegation, erklärte, dass es schwierig sein wird, die Hilfe vor Ort zu bringen, solange die Spannungen zwischen den rivalisierenden Kriegsfürsten und ihren Anhängern bestehen.
Die hohen Erwartungen
«Afghanistan braucht nationale Sicherheit, es braucht eine Armee und Polizeikräfte, und die Machtstruktur muss in einer Hand konzentriert sein, jener der Zentralregierung», erklärt Fust gegenüber swissinfo.
Gut ein Jahr ist vergangen seit den von den USA angeführten Luftschlägen gegen Afghanistan, welche das Taliban-Regime zu Fall brachten. Danach erhoffte man sich allgemein, dass nun im Land Stabilität eintreten würde.
Zwar drückte der afghanische Präsident Harmid Karzai die Hoffnung auf weitergehende Hilfe aus. Die Gruppe zur Unterstützung Afghanistans diskutiert aber vor allem, wie die bereits bestehende Hilfe besser über das ganze Land verteilt werden kann.
Stabilität ist nötig
Laut Susanne Schmeichel, regionale Direktorin der regierungsunabhängigen Organisation Swiss Peace in Kabul, werden die Geber immer zurückhaltender bei der Finanzierung der afghanischen Regierung, so lange diese die Stabilität nicht garantieren kann.
«Es ist ein Teufelskreis: Sie bekommen kein Geld, bis sie ihre Fähigkeit zur guten Regierungsführung bewiesen haben, aber ohne Geld können sie diese Fähigkeit nicht aufbauen», gibt sie zu bedenken.
Eine stabile Regierung aufbauen und sicherstellen, dass sie über effiziente Sicherheitskräfte verfügen, dürfte einige Zeit dauern. In der Zwischenzeit wächst in den Menschen in Afghanistan die Angst vor Gewalt und, bei vielen Frauen, vor Vergewaltigung.
Laut Fust könnte die internationale Hilfe dieses Problem lösen, indem sie Pläne ausarbeitet, an denen die Bürgerinnen und Bürger direkt beteiligt werden.
«Wir müssen Wege und Möglichkeiten finden, um in den Gemeinden, Distrikten und Dorfgruppen den Menschen die Ermächtigung zu geben, ihr Leben nachhaltig so zu organisieren, dass sie sich sicher fühlen. Denn sie können nicht warten, bis die Zentralregierung dies für sie tut», so Fust.
Ausländische Firmen willkommen
Die Hilfsorganisationen hoffen, dass ausländische Firmen den Mut haben, in Afghanistan zu investieren, sobald die Sicherheitsprobleme gelöst sind. Damit sollte die Wirtschaft des Landes aufgebaut und für die Menschen im Land längerfristige Stabilität erreicht werden.
Laut Schmeichel könnte die Schweiz hier eine Führungsrolle übernehmen. Sie müsste die Geschäftswelt ermuntern, zu überlegen, welche Möglichkeiten Afghanistan bieten könnte.
Die Schweizer Regierung unterstützt das Land weiter mit Finanzhilfe. Diesen Monat kündigte Aussenminister Joseph Deiss an, dass die Hilfe für Afghanistan nächstes Jahr um 20 Prozent von 25 auf 35 Millionen Schweizer Franken aufgestockt wird.
Nach den Beratungen in Oslo, die mit Hilfszusagen über 1,2 Milliarden Dollar zu Ende gingen, findet am Donnerstag und Freitag in Rom eine weitere Konferenz statt. Dort werden rund 30 Länder über Reformen in Afghanistan diskutieren.
swissinfo, Joanne Shields
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