Open Forum: «Denkt nicht reduziert!»
Das Open Forum, eine Nebenveranstaltung zum WEF, wird seit 9 Jahren durchgeführt. Die Diskussionen mit WEF-Teilnehmern, Kritikern und dem Publikum finden Anklang. Simon Weber vom Schweizerischen Kirchenbund erklärt, was es damit auf sich hat.
Zum neunten Mal findet neben dem World Economic Forum (WEF) in Davos auch das Open Forum statt. «Die Idee war, eine Diskussionsrunde zu schaffen, an denen nicht nur irgendwelche Wirtschaftführer beteiligt sind. Wir wollten den normalen Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit geben, bei den Diskussionen dabei zu sein», sagt Simon Weber, der Sprecher des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes (SEK). Die Idee dazu hatte der langjährige Präsident der SEK, Thomas Wipf, der Ende letzten Jahres sein Amt abgab.
Am Open Forum können die Bürgerinnen und Bürger nicht nur bei den Diskussionen dabei sein, sondern auch mitreden. Nach rund einer Stunde Debatte auf dem Podium wird das Mikrophon jeweils ins Publikum gereicht. «Ich habe in diesen Jahren mit dem Open Forum schon viele sehr interessante Fragen und Standpunkte gehört», erzählt Simon Weber. Die Diskutierenden auf dem Podium sind zum Teil die gleichen wie am WEF.
«Wir arbeiten schon seit Beginn mit den Organisatoren des WEF zusammen», erklärt Weber. «Zuerst werden die Themen eruiert, die uns wichtig sind. Erst in zweiter Linie stellt sich dann die Frage, mit wem wir darüber reden wollen.»
Entwicklung
In diesen neun Jahren, in denen Weber nun schon mit dem WEF zusammenarbeitet, hat er bemerkt, wie sich das Wirtschaftsforum auch entwickelt hat. «Ich habe beobachtet, wie das Verständnis für ethische Überlegungen bei den Leuten vom WEF, mit denen wir zusammenarbeiten, zugenommen hat. Sie verstehen besser, welche Gedanken wir uns zum Beispiel in Bezug auf Nachhaltigkeit machen.»
Dass sich das WEF inhaltlich etwas verändert habe, könne man zudem an den Menschen erkennen, die am WEF auftreten, sagt Weber. Während es früher vor allem Wirtschaftsführer gewesen seien, würden heute doch auch viele Regierungsvertreter und Vertreter von Religionen und sogar von Nichtregierungsorganisationen eingeladen. Neben den Wirtschaftsmagnaten, versteht sich.
Der Weg des Dialogs
Mit den globalisierungskritischen Demonstrationen, mit denen vor zehn Jahren nicht nur in Davos, auch in Bern und in anderen Städten gegen die geheimen Treffen von Wirtschaftsführern protestiert wurde, hat der SEK nichts zu tun. «Ich war damals der Meinung, dass gewaltfreie Demonstrationen durchaus ein Weg sein können, Kritik an der Globalisierung zu äussern», sagt Weber, aber der Kirchenbund habe sich entschlossen, einen anderen Weg zu beschreiten. «Den des Dialogs.»
«Der Weg des Dialogs ist eine klassische reformierte Lösung», sagt Weber, der ausgebildeter Theologe und Pfarrer ist. «Es ist nicht so, dass wir den Leuten sagen wollen, welches das richtige Denken oder Handeln ist. Sie sollen sich selbst eine Meinung bilden, und wir geben ihnen in diesem Rahmen die Möglichkeit dazu.»
Komplizierte Sachverhalte, die am Open Forum jeweils diskutiert würden, verlangten, dass man sich Pro und Kontra-Stimmen anhöre. Dass jeweils beide Lager oder verschiedene Meinungen vertreten sind, dafür sorgt das Organisationskomitee des SEK. Heftig seien die Diskussionen meistens schon.
Weiterer Horizont
Eine ganz neutrale Plattform für Debatten ist das Open Forum dennoch nicht, will es nicht sein, wie Weber festhält. In einem Begleitheft zum Programm sind die Gedanken zu den einzelnen Themen aus christlich-reformierter Sicht ausformuliert. Und jedes Jahr findet eine Diskussion zu einem theologischen Thema statt, wie Weber erklärt. Dieses Jahr ist es die Frage: «Braucht Glaube Kirche?».
Das Wichtigste sei aber, fügt er an: «Ich glaube, dass es zu der theologischen Arbeit einer Kirche gehört, den Menschen zu sagen: Denkt nicht reduziert! Je grösser euer Horizont ist, desto grösser ist eure Freiheit – um es im kirchlichen Jargon zu sagen – um auf euren Nächsten einzugehen.»
Eintritt frei
Seit neun Jahren sind die Veranstaltungen am Open Forum jeweils gut besucht oder gar überfüllt. Es gibt keine Möglichkeit, Plätze zu reservieren. Der Eintritt ist frei und wer einen der 400 Plätze ergattern will, muss sich mindestens eine halbe Stunde vor Beginn vor der Aula der Schweizerischen Alpinen Mittelschule (samd) einfinden.
Nicht eine Nebenveranstaltung zum WEF, sondern eine Gegenveranstaltung ist die jährliche Verleihung der Public Eye Awards, der Verteilung von Schmähpreisen an verantwortungslose Unternehmen.
Organisiert wird die Veranstaltung durch die Erklärung von Bern und Pro Natura. Die Preisverleihung soll den Akteuren der Weltwirtschaft zeigen, dass Menschen und Umwelt verachtende Geschäftspraktiken Konsequenzen haben, primär für die davon Betroffenen, aber auch für das Firmenimage.
Dieses Jahr wird sowohl der Global-Award (gewählt von einer internen Fachjury) als auch der People’s Award von einem Online-Publikum aus der ganzen Welt vergeben.
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