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Parlament reicht der Fünften Schweiz die Hand

Viele Kinder von Auslandschweizern besuchen jedes Jahr das Bundehaus und informieren sich über die schweizerischen Institutionen. Keystone

Das Schweizer Parlament wünscht sich Verbesserungen für Auslandschweizer, sei es auf administrativer oder politischer Ebene. Zwei Motionen sollen dies ermöglichen. Für die Auslandschweizer-Organisation ist das ein "sehr ermutigendes Zeichen".

Mitten im Wahlkampf hat der Ständerat am Donnerstag der Motion von Pius Segmüller, Luzerner Nationalrat der Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP), zugestimmt. Diese verlangt eine «stärkere staatsbürgerliche Einbindung von Auslandschweizern durch bessere politische Information».

Konkret geht es in diesem Begehren darum, den Auslandschweizerinnen und Auslandschweizern nicht nur die offiziellen Erklärungen der Regierung zu den Wahlen zukommen zu lassen, sondern auch die Informationen der politischen Parteien, die Wählende im Inland zusätzlich erhalten.

Segmüller hat diese Erfahrung als ehemaliger Kommandant der Schweizer Garde im Vatikan und somit als Auslandschweizer selber gemacht: «Ich habe diese Motion eingereicht, weil ich während viereinhalb Jahren in Italien gelebt habe. Auch wenn ich im Stimm- und Wahlregister eingetragen war, habe ich nicht genügend Informationen erhalten, um mir eine umfassende Meinung zu Wahlen und Abstimmungen machen zu können», sagt er gegenüber swissinfo.ch.

«Ich bin sehr erfreut, dass die Regierung auf die Motion eingetreten ist, und die beiden Parlamentskammern diese einstimmig unterstützt haben», so Segmüller. Er sei daher zuversichtlich, dass das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) «einen Weg findet, die Dokumentationen der Parteien zu erhalten und diese zusammen mit den Kantonen den Schweizerinnen und Schweizern im Ausland zukommen lassen wird».

Diese Gruppe müsse ernst genommen werden, «nicht nur als eine Kraft für die Wirtschaft, sondern auch als politische Kraft», sagt Segmüller.

«Am Dialog interessiert»

Für Rudolf Wyder, Direktor der Auslandschweizer-Organisation (ASO), beweist der Entscheid des Parlaments, «dass die politischen Parteien am Dialog mit den Auslandschweizerinnen und Auslandschweizern interessiert sind». Wyder begrüsst, «dass das Elektorat im Ausland in Kontakt mit den politischen Parteien kommt, damit diese deren Haltung kennenlernen, wie auch, dass die Schweizer im Ausland der Nation ihre Meinung sagen können».

Dass die Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer in der Schweizer Politik eine wichtige Rolle spielten, werde auch von der Landesregierung anerkannt, sagte die Sprecherin der vorbereitenden Kommission, Anne Seydoux-Christe, vor dem Plenum.

Auch wenn die Wahlen vom 23. Oktober bereits zu nah sind, um die Informationen der Parteien bereits dieses Jahr an die Auslandsgemeinde zu verschicken, ist Segmüller trotzdem überzeugt, dass dies für die nächsten Wahlen in vier Jahren möglich sein wird. «Das ist ein längerfristiges Projekt», pflichtet ihm Wyder bei.

Viele Dienstleistungen, ein Schalter

Was die Administration betrifft, hat der Ständerat auch die Motion der Genfer Nationalrätin Martine Brunschwig Graf von der Freisinnig-Demokratischen Partei (FDP.Die Liberalen) gutgeheissen. Diese fordert, «dass die Bundesstellen und ihre Dienstleistungen gegenüber Auslandschweizern und Auslandschweizerinnen koordiniert und aus einer Hand bzw. im Sinne eines ‹Guichet unique› erfolgen». Auch kantonalen und kommunalen Stellen solle eine Nutzung dieses ‹Guichet unique› ermöglicht werden.

Die Landesregierung hat in ihrer Antwort auf die Motion das Begehren der Nationalrätin anerkannt: «Das Anliegen der Motionärin verdient Unterstützung: Gerade an der Zentrale könnten die verschiedenen Stellen, die sich mit Auslandschweizer-Angelegenheiten befassen, in der Tat noch enger und koordinierter zusammenarbeiten», schrieb der Bundesrat.

Andererseits existiere innerhalb des EDA bereits ein «Guichet unique» der Konsularischen Direktion, wie die Aussenministerin und gegenwärtige Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey vor dem Ständerat betonte. «Diesen Schalter verstärken wir derzeit. Die von der Autorin der Motion gewünschte interdepartementale Koordination zu Gunsten der Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer wird dazu beitragen, diesen Zugang noch wichtiger werden zu lassen.»

Doch dies ist für Rudolf Wyder von der ASO noch nicht genug: «Man muss weiter gehen und ein Auslandschweizer-Gesetz schaffen, das nicht nur die Basis für eine administrative Koordinierung legt, sondern auch für eine gemeinsame Strategie im Umgang mit der Diaspora.»

Die Landsleute im Ausland können seit 1977 in allen 26 Kantonen den Nationalrat wählen oder sich in die Grosse Kammer wählen lassen. Für den Ständerat, die Kleine Kammer, haben sie diese Rechte jedoch nur in 11 Kantonen.

Um an den eidgenössischen Wahlen teilzunehmen, müssen sich die Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer in ein Wahlregister eintragen. Wählen können sie in ihrer letzten Wohngemeinde in der Schweiz oder in ihrem Heimatort.

Seit 1992 die schriftliche Stimmabgabe eingeführt wurde, hat die politische Partizipation aus der Fünften Schweiz stark zugenommen: Ende 2010 waren 135’877 Auslandschweizer im Stimm- und Wahlregister eingetragen.

An den letzten nationalen Wahlen 2007 hatten 44 Ausland-Schweizer für den Nationalrat kandidiert. Keinem von ihnen gelang jedoch der Sprung in die Grosse Kammer.

(Übertragen aus dem Italienischen: Christian Raaflaub)

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