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PNOS-Erfolg: Problem, aber keine Trendwende

Aufmarsch von Rechtsextremen am Nationalfeiertag auf dem Rütli 2004. Keystone

Erstmals in der Schweiz hat eine rechtsextreme Partei ein Regierungsmandat erobert. Das sei erstaunlich, aber kein Grund zur Panik, so ein Experte.

Die kleine Solothurner Gemeinde Günsberg wählte am letzten Wochenende einen knapp 20-Jährigen in die Exekutive.

Das 1164-Seelen-Dorf Günsberg im Kanton Solothurn hat als erste Gemeinde der Schweiz einen Vertreter der Partei National Orientierter Schweizer (PNOS), den knapp 20-jährigen Strassenbauer X*, in den siebenköpfigen Gemeinderat gewählt.

Gemäss seiner Wahlpropaganda will X härter gegen Drogendealer und kriminelle Asylanten vorgehen und sich für Bauern im Dorf einsetzen. 21% der Stimmenden im Dorf gaben dem Rechtsextremen ihre Stimme.

Bereits im Oktober 2004 hatte ein PNOS-Mitglied den Sprung ins Stadtparlament von Langenthal im Kanton Bern geschafft.

In Langenthal sei der PNOS-Erfolg auf die tiefe Wahlbeteiligung zurückzuführen, sagt Hans Stutz, Journalist und Beobachter der rechtsextremen Szene.

PNOS holt National-Konservative ab

In Günsberg, das einen Ausländeranteil von 8% aufweist, liege der Fall anders: Hier sei die Schweizerische Volkspartei (SVP) nicht angetreten, nur die Freisinnigen und die Sozialdemokraten.

«Es scheint, dass für Mitglieder des national-konservativen Lagers ein Rechtsextemist ohne weiteres wählbar ist», so Hans Stutz gegenüber swissinfo.

Auch wenn es jetzt zweimal geschehen sei, hält es Stutz für relativ unwahrscheinlich, dass weitere Rechtsextremisten gewählt werden.

Neu sei, dass sich die PNOS als erste rechtsextremistische Partei überhaupt an der institutionalisierten Politik beteilige.

«Möglich wurde dies nur, weil in den vergangen 20 Jahren die SVP, die AUNS (Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz) und andere ähnliche Gruppierungen ein Klima der Diskriminierung und Hetze in diese Gesellschaft eingeführt haben.»

Zahmes Auftreten

Die PNOS wurde im Jahr 2000 gegründet und zählt schätzungsweise 100 bis 130 Mitglieder. Aktiv ist sie vor allem in den Mittelland-Kantonen und den beiden Basel.

Von Beginn an habe sie versucht, als biedere, normale Kraft aufzutreten und habe immer wieder Gewaltverzicht versprochen, obwohl verschiedene Exponenten, auch der Parteipräsident, wegen einschlägigen Delikten vorbestraft seien, so Stutz.



«Die PNOS versuchte, auch was die Wortwahl betrifft, nicht als grobschlächtig aufzutreten. Wenn man allerdings das Programm ansieht, merkt man, dass der Kern teils nationalsozialistisch und der Rest rassistisch ist.»

Diese Sicht bestätigt der Extremismusbericht 2004 des Bundes. «Das Parteiprogramm, die Parteizeitung und andere Publikationen der PNOS sind nach wie vor geprägt von fremdenfeindlicher, antidemokratischer und rechtsextremer Rhetorik.»

Minderheiten im Visier

Gefährlich sei die PNOS, so Stutz, weil in ihrem Umfeld Leute anwesend seien, die Gewalt gegen Minderheiten ausübten, sei das gegen Linke, Schwule, Jüdinnen und Juden sowie Ausländerinnen und Ausländer.

Erwiesen sind Kontakte zwischen der PNOS und der NPD, der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands. Stutz weiss, dass einige wenige Male NPD-Vertreter an PNOS-Veranstaltungen als Gastredner aufgetreten sind. «Sonst agiert die PNOS unabhängig.»

Wie Marcel Alexander Niggli, Strafrechtsprofessor an der Universität Freiburg, erachtet es auch der Beobachter der rechtsextremen Szene als folgerichtig, dass sich einmal Gerichte mit dem Parteiprogramm und der PNOS auseinandersetzen werden. Die Rassismus-Strafnorm ermögliche ein Verbot einer Partei nicht von vornherein.

Nach Angaben der «Neuen Luzerner Zeitung» zieht das Bundesamt für Polizei ein Verbot der rechtsextremen Organisation nicht in Betracht. Eine solche Massnahme komme nur als Ultima Ratio in Frage und sei letztmals gegen die Terrororganisation Al Kaida angewendet worden.

Wachsam sein

Hans Stutz will die Wahl des jungen Günsbergers in die Gemeinde-Exekutive nicht dramatisieren: «Rechtsextremismus ist noch immer eine marginale gesellschaftliche Entwicklung, trotz dieser beiden PNOS-Erfolge. Es ist nicht so, dass jedes Wochenende Angst und Schrecken herrscht. Ich sehe keinen Grund zu Panik, der Strassenverkehr ist noch immer gefährlicher.»

Vorsicht sei aber angesagt, und das schon seit Jahren: «Wir müssen Augen und Ohren offen halten und den Mund aufmachen, wenn wir rechtsextreme Äusserungen und Taten beobachten.»

swissinfo, Gaby Ochsenbein

*Der Name des Betroffenen wurde auf dessen Wunsch am 14.06.2017 anonymisiert.


Die rechtsextreme Szene in der Schweiz besteht aus vielen kleinen Gruppierungen.
Sie verbreitet ihr Gedankengut vor allem an Konzerten und via Internet.
Laut dem Extremismusbericht 2004 des Bundes kann man von gegen 1000 Rechtsextremen ausgehen, dazu gesellen sich rund 800 Mitläufer und Sympathisanten.
Der Altersdurchschnitt liegt zwischen 16 und 22 Jahren.
Die PNOS wurde im September 2000 von Aktivisten der Skinhead-Gruppe «Blood & Honour» gegründet. Sie zählt 100 – 130 Mitglieder.

Die PNOS hat sich schon mehrmals an Wahlen beteiligt. Im Kanton Aargau erzielte ihr Nationalrats-Kandidat nur einen bescheidenen Erfolg.

Im Oktober 2004 wurde das PNOS-Mitglied Tobias Hirschi (20) ins Gemeindeparlament von Langenthal, Bern, gewählt.

Am 24. April 2005 schafft X (19) den Sprung in den Gemeinderat (Exekutive) von Günsberg, Solothurn.

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