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Rasen im Ausland kann teuer werden

Nur wenn die ausländischen Temposünder direkt angehalten werden, hat die Polizei das Bussgeld auf sicher. Keystone

Die meisten EU-Länder wollen sich beim gegenseitigen Eintreiben von Verkehrsbussen helfen. Die Schweiz bleibt da aussen vor, sie ist auf bilaterale Abkommen angewiesen. Ausländische Raser nutzen das manchmal aus – mit wechselndem Erfolg.

Die im Ausland verursachte Verkehrsbusse bezahlen oder den Bussenbescheid gleich in den Papierkorb werfen? Diese Frage stellen sich Schweizer, die im Ausland gegen die Strassenverkehrsgesetze verstossen haben und Ausländer, die das hier tun. Eine schlüssige Antwort kann weder die eine noch die andere Gruppe erwarten.

Die EU-Kommission hat herausgefunden, dass ausländische Fahrer rund dreimal häufiger gegen Verkehrsregeln verstossen als einheimische. Sie will deshalb eine elektronische Datenbank einrichten, mit der Halter rasch und einfach ermittelt werden können.

Laut EU-Verkehrskommissar Siim Kallas sollen die Regeln «nun einen abschreckenden Effekt haben und das Verhalten ändern». Die Schweiz beteiligt sich nicht an der neuen Datenbank.

Keine Sanktionen für Schweizer?

Können denn nun Schweizer Automobilisten ohne Sanktionen befürchten zu müssen im Ausland rasen, ihr Fahrzeug betrunken lenken oder rote Ampeln und Einbahnstrassen «übersehen»?

Das könnte teuer werden. Insbesondere, wenn die Verkehrsgesetzübertretung in Deutschland oder Frankreich begangen wurde. Mit diesen Ländern hat die Schweiz ein Polizeiabkommen geschlossen. Aber nur Frankreich zieht die von der Schweiz verhängten Bussen an Franzosen ein, während die Schweiz dasselbe macht mit Schweizern, die in Frankreich gegen die Verkehrsregeln verstossen haben.

Mit Deutschland werden zwar die Daten der fehlbaren Verkehrssünder ausgetauscht, aber einkassiert wird nicht automatisch. «Wenn ein Deutscher eine Verkehrsbusse nicht bezahlen will, tut er das nicht. Wenn ein Schweizer eine deutsche Busse nicht bezahlen will, bezahlt er sie nicht. Direkte Konsequenzen hat das weder in der Schweiz noch in Deutschland. Man bekommt eher Probleme, wenn man dann die Grenze übertritt», sagt Thomas Rohrbach vom Bundesamt für Strassen Astra gegenüber swissinfo.ch.

Kantönligeist

Trotzdem: Der Kanton Zürich schickt die Strafzettel direkt nach Deutschland und ist mit dem Rücklauf ziemlich zufrieden: rund 80% der Bussen werden auf das eigens in Deutschland eingerichtete Konto einbezahlt. In die anderen Nachbarländer der Schweiz schickt die Zürcher Polizei jedoch keine Strafzettel.

Dies kann man für Italien, Österreich und Liechtenstein noch nachvollziehen, da keine Polizeiabkommen mit diesen Ländern bestehen – mit Frankreich dagegen schon. Offenbar findet die Zürcher Kantonspolizei das Ausfindigmachen der Halter als zu aufwendig.

Ganz anders der Kanton Solothurn: Er betreibt vor dem Autobahnkreuz Härkingen eine festinstallierte Radarstation. Urs Eggenschwiler, Mediensprecher der Solothurner Kantonspolizei, sagt gegenüber swissinfo.ch: «Wir schicken alle unsere Bussen schon seit Jahren ins Ausland.» Ein Insider grinst: «Da fahren eh nur Ausländer rein, die ihr Navigationsgerät nicht auf den neusten Stand gebracht haben.»

«Wer nicht bezahlt, wird ausgeschrieben. Und wer dann in die Schweiz einreist, kommt bei der Grenzkontrolle dran», sagt Eggenschwiler weiter. Ohne Bezahlung kommen die Verkehrssünder dann gar nicht mehr in die Schweiz hinein.

Und der Rücklauf scheint auch hier nicht schlecht zu sein: Der Sprecher der Kantonspolizei Solothurn spricht von rund 80%.

Den Lenker suchen, nicht das Auto

Aber man könne nicht nur auf die erfassten und identifizierten Kontrollschilder zählen. «Man braucht da schon die Person. Denn es könnte ja sein, dass das Auto inzwischen einen anderen Halter hat. Und im Ausland bleiben die Autonummern oft am verkauften Fahrzeug», so Eggenschwiler.

«Man kann also nur Personen zur Fahndung ausschreiben.» Dies gelte natürlich nicht für aktuelle Fahndungen, wenn ein Fahrzeug als gestohlen gemeldet sei oder es im Zusammenhang mit einer Straftat gesucht werde.

In einem Fall jedoch können die Behörden mit Sicherheit auf die Bussgelder von rasenden Ausländern zählen: «Bei Geschwindigkeitskontrollen mit Anhaltemannschaft», sagt Rohrbach. «Da zahlt jeder vor Ort. So macht das zum Teil die Bündner Polizei auf der A13, auf der San Bernardino-Route. Temposünder werden dort sogar bis zum Post- oder Bankomaten begleitet.»

Verkehrsbussen dürfen von ausländischen Staaten in der Schweiz direkt zugestellt werden.
 
Mailand, London sowie Gemeinden in den Niederlanden, Norwegen und Schweden haben offenbar das Busseninkasso privaten Firmen übertragen. Laut fedpol ist es möglich, dass das Vorgehen der privaten Gesellschaften gegen Art. 271 StGB (Verbotene Handlung für einen fremden Staat) verstossen könnte.
 
Ausländische Verkehrsbussen können nur aufgrund eines Staatsvertrages in der Schweiz durchgesetzt werden (aktuell nur der Fall mit Frankreich). Die Behörden des die Busse verfügenden Staates können bei Nichtbezahlung Massnahmen treffen wie Vor-Ort-Zahlung der Busse bei der Grenzüberschreitung oder Beschlagnahmung des Fahrzeuges bis zur Bezahlung der Busse.
 
Bezahlen Ausländer für eine in der Schweiz begangene Verkehrsübertretung die Strafe nicht, sieht das Bundesrecht die Ausschreibung im schweizerischen Fahndungssystem Ripol vor. Schweizerische Bussgeldbescheide können bis zu drei Jahren auf Schweizer Gebiet vollstreckt werden, in den Nachbarländern oft nur ein paar Monate.

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