Rassismus gegen Schwarze nimmt zu
Die Diskussion um "schwarze Dealer" ist oft rassistisch eingefärbt. Nun schlägt die afrikanische Gemeinschaft in der Schweiz Alarm.
Organisationen, die den Rassismus bekämpfen, verlangen Präventions-Kampagnen, um Entgleisungen zu verhindern.
«Wenn ich heute durch die Stadt spaziere, habe ich das Gefühl, irgendwie verdächtig zu sein», sagt Noël Tshibangu, Mitglied einer Reflexions- und Aktionsgruppe gegen den Rassismus gegen Schwarze namens «Carrefour de réflexion et d’action contre le racisme anti-Noir» (CRAN).
Tshibangu ist nicht der Einzige, der so fühlt. Heute muss sich die schwarze Gemeinschaft im Alltag anpassen: Sie vermeidet es, sich allzu oft in der Öffentlichkeit zu zeigen.
Immer mehr Schwarze prangern an, in der Schweiz herrsche ein Klima von Verdächtigungen, Feindseligkeiten oder gar Aggressionen, die gegen sie gerichtet seien.
«Die Presse ist für diese Situation mitverantwortlich», so Tshibangu. «Sie stellt die Schwarzen als eine homogene Gruppe aus lauter Drogendealern dar. Dabei handelt es sich nur um eine kleine Minderheit von Afrikanern.»
Alle in einen Topf
Seit Schwarze beim Drogen dealen erwischt wurden, gilt die einfache Gleichung: Schwarze sind Dealer.
Zwar räumen die Schwarzen ein, dass einige von ihnen kriminell sind. Sie sind aber nicht bereit, die Konsequenzen aus dieser Tatsache zu tragen. «Das Problem», erklärt Irenen Godwin Nosa, «liegt darin, dass man die positiven Charakter-Eigenschaften der Farbigen nie hervorstreicht.»
Godwin Nosa, Mitglied des Instituto panafricano in Lugano, meint ironisch: «Das ist etwa so, wie wenn man nur die Mafia erwähnen würde, wenn von Italien die Rede ist.»
Der Rassismus wird deutlicher
Die Malaise ist spürbar. Deutet sie aber wirklich auf einen zunehmenden Rassismus gegen Schwarze hin?
Oder ist es nur der Ausdruck einer grösseren Sensibilität der schwarzen Gemeinschaft, die das Gewicht der Kolonialgeschichte mitsamt deren Vorurteilen tragen muss?
Eines ist sicher, wenigstens für die Vizepräsidentin der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus (EKR): «Die Anzeichen täuschen nicht.»
«Es stimmt», bestätigt Boël Sambuc, «dass der Rassismus gegen Schwarze in der Schweiz zunimmt. Dies ist besonders in der Deutschschweiz festzustellen, wo Skinheadgruppen immer mehr Hetzreden führen.»
Laut Sambuc verschlechtert sich das Klima aber auch in der Westschweiz, vor allem wegen der Affären um den Drogenhandel.
Regionale Unterschiede
Die Kommission gegen Rassismus kann diese Aussagen mit Tatsachen belegen: «Wir verzeichnen eine Zunahme rassistisch angehauchter Artikel in der Deutschschweizer Presse», führt Angst Yilmaz aus. «Sie sind vor allem in den kleinen Regionalzeitungen zu finden, die der eingefleischten Rechten nahe stehen.»
Und die EKR-Sekretariatsleiterin fügt bei: «Das politische Klima ist heute für diese Art Entgleisungen besonders anfällig, und die Abstimmung über die Initiative der Schweizerischen Volkspartei gegen Missbräuche im Asylwesen vergiftet dieses Klima noch zusätzlich.»
In der Romandie stellt sich das Problem anders. Hier geht die Gemeinschaft der Schwarzen auf die Barrikaden. «Wir erhalten immer mehr Klagen von Schwarzen, die in unangebrachte oder gar übertriebene Polizeikontrollen geraten», erklärt Doris Angst Yilmaz.
Die Schuld, das falsche Gesicht zu haben
Laut der Sekretariatsleiterin der EKR kommt es nicht selten vor, dass Farbige mehrmals vom gleichen Polizisten in ihrem eigenen Wohngebiet angehalten werden.
Dass man als schuldig gilt, nur weil man das falsche Gesicht hat, ist also Realität. «Natürlich ist der Kampf gegen die Kriminalität legitim», räumt Angst Yilmaz ein. «Aber die Hautfarbe darf nicht der einzige Grund sein, um Personen anzuhalten und zu kontrollieren.»
Die EKR hat übrigens vor kurzem bei den Kantonalbehörden interveniert, um sie auf diese Probleme aufmerksam zu machen. «Heute müssen wir dauernd dagegen ankämpfen, dass nicht alle in den gleichen Topf geworfen werden. Sonst wird es immer schlimmer, so Sambuc.
Parallel zu den im Kampf gegen den Drogenhandel ergriffenen Massnahmen müssten die Kantone auch Präventions-Massnahmen ausarbeiten, führt Sambuc weiter aus.
«Die Bevölkerung, aber auch die Ordnungskräfte, müssen unbedingt sensibilisiert werden, um Entgleisungen zu verhindern.»
swissinfo, Vanda Janka
1992 kamen 7500 Asylsuchende in der Schweiz aus der afrikanischen Sahelzone.
Im September 2002 liegt deren Zahl bei 17’000 (ein Viertel der Asylsuchenden).
In der Schweiz suchen 67’000 Personen Asyl oder sind provisorisch aufgenommen.
Davon sind schätzungsweise 35’000 afrikanischer Herkunft. Das sind rund 2,4% der gesamten ausländischen Bevölkerung in der Schweiz.
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