Rassismus-Verfahren löst Kopfschütteln aus
Vier Angehörige der Schweizer Armee, die den Hitlergruss gemacht hatten und sich judenfeindlich geäussert hatten, sollen nicht belangt werden.
Der Antrag eines militärischen Untersuchungsrichters auf Einstellung des Verfahrens stösst bei Antirassismus-Fachleuten auf scharfe Kritik.
Die Vorfälle datieren aus dem vergangegen Sommer: Mitte August waren zwei Unteroffiziere und zwei Rekruten der Grenadier-Rekrutenschule Isone (Tessin) nach Hause geschickt worden. Sie hatten sich innerhalb einer Gruppe mit Hitlergruss begrüsst und Hasstiraden gegen die Juden geäussert.
Ein militärischer Untersuchungsrichter hat nun einen Antrag auf Einstellung des eingeleiteten Verfahrens gestellt. Begründung: Die Äusserungen der vier beschuldigten Wehrmänner fielen immer nur innerhalb eines kleinen Personenkreises, sagte Martin Immenhauser, Sprecher der Militärjustiz.
Nicht in der Öffentlichkeit
Die Beschuldigten und diejenigen Soldaten, welche die Anzeigen erstatteten, hätten sich gut gekannt. Deshalb sei der Untersuchungsrichter zum Schluss gekommen, dass keine Öffentlichkeit im Sinne des Gesetzes bestehe.
Immenhauser betonte, dass weder die Militärjustiz noch die Armee Rassismus tolerierten. Auch gebe es in der Militärjustiz keine andere Behandlung als im zivilen Bereich. Die Rechtsprechung der Militärjustiz sei diesbezüglich mit derjenigen des Bundesgerichts identisch.
Nebst der fehlenden Öffentlichkeit habe auch nicht nachgewiesen werden können, dass ein Vorsatz zur Rassendiskriminierung vorhanden war. Den vier Wehrmännern droht eine Disziplinarstrafe wegen Verletzung des Anstandes und groben Unfugs, sagte Immenhauser weiter.
Kommandant will Voruntersuchung
Der zuständige Schulkommandant der Grenadierschule Isone entschied sich, der Empfehlung des Untersuchungsrichters nicht zu folgen und eine Voruntersuchung durch die Militärjustiz anzuordnen, teilte das Verteidigungsdepartement (VBS) mit. Damit wird ein formelles Strafverfahren eingeleitet.
Die zwei Unteroffiziere und zwei Rekruten der Grenadier-RS waren Mitte August administrativ entlassen und nach Hause geschickt worden, nachdem sie durch rassistische Äusserungen und Gesten negativ aufgefallen waren. Der Schulkommandant hatte danach eine vorläufige Beweisaufnahme eingeleitet.
Problematischer Entscheid
Georg Kreis, Präsident der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus (EKR), erachtet die Verfahrenseinstellung der Militärjustiz als problematisch. Unlängst habe das Bundesgericht einen Entscheid gefällt, der in eine andere Richtung weise. So sei «Öffentlichkeit» breiter definiert worden, sagte Kreis gegenüber der Nachrichtenagentur SDA.
Nach dem Entscheid der Militärjustiz brauche es jetzt vor allem eine politische Verurteilung. Die Zivilgesellschaft müsse sagen: «So nicht!» Die Sühne der betroffenen Wehrmänner sei zwar nötig. Doch für seine Arbeit zähle viel mehr die gesellschaftliche Wirkung, so Kreis.
Auch der Freiburger Strafrechtsprofessor und Antirassismus-Experte Marcel Niggli hat Mühe mit dem Entscheid der Militärjustiz. Dieser bedeute, dass die Armee Privatsache sei. Öffentlich könnte damit nur sein, was nicht armeebezogen sei.
swissinfo und Agenturen
Die Schweizer Armee verfügt seit vier Jahren mit der «Fachstelle Extremismus» über ein Instrument, um extremistischen Aktivitäten vorzubeugen und sie zu überwachen.
Pro Jahr werden weniger als acht Fälle gemeldet.
Die Fachstelle schätzt, dass dennoch rund 800 Neonazis in der Schweizer Armee Dienst tun. Meistens halten sie sich zurück.
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