Rechts-Demos spülen Extremisten ans Licht
Das Auftreten von Neo-Nazis am National-Feiertag hat den Rechts-Extremismus als Thema wieder ins Rampenlicht gerückt.
Medienberichte, wonach sich den Rechtsextremen vermehrt Frauen anschliessen, werden von einem Extremismus-Experten relativiert.
Ordnungskräfte und Beobachter des 1.-August-Anlasses auf dem Rütli meinten festzustellen, dass sich bedeutend mehr Frauen als in früheren Jahren unter den militanten Rechtsextremen aufhielten, die die Rede von Bundespräsident Samuel Schmid störten.
Hans Stutz, ein Journalist der Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus, der über die rechtsextreme Szene recherchiert, sieht das anders. Für ihn machen Frauen nur eine von vier bis fünf Personen aus, die an diesen Rechtsaussen-Anlässen mitmachen.
Dieses Verhältnis sei seit Jahren stabil geblieben, und er glaubt, dass sich auch in Zukunft daran nicht mehr viel ändern werde.
Der Szenenkenner sagt auch, dass diese Frauen innerhalb der Bewegung, von einer oder zwei Ausnahmen abgesehen, keine grosse Rolle spielen.
swissinfo: Was wissen Sie über den Hintergrund der Frauen, die rechtssextremen Gruppen in der Schweiz angehören?
Hans Stutz: Wir wissen weder über die Gruppen noch über die Frauen im speziellen gross Bescheid. Die wenigen Fakten, über die wir verfügen, gelten für Männer und Frauen respektive einfach für die Mitgliedschaft in solchen Gruppierungen.
Die meisten stammen aus ländlichen und konservativen Gegenden oder aus Kleinstädten. Üblicherweise gehören diese Leute nicht zu den Gebildeten und arbeiten in einfachen oder unqualifizierten Jobs.
swissinfo: Was macht für Frauen den speziellen Reiz beim Rechts-Extremismus aus?
H.S.: Es ist derselbe wie bei Männern – Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Intoleranz gegenüber dem Liberalismus oder allem, was ihnen gegen den Strich geht.
Möglicherweise spielen noch andere Faktoren eine Rolle, zum Beispiel der Protest der Jugendlichen gegen das Establishment. Im Fall der Frauen mag auch sein, dass männliche Führungsfiguren in der Gruppe eine gewisse Faszination auf sie ausüben.
Zahlreiche Anhänger verschwinden nach einer gewissen Zeit wieder aus der Rechtsaussen-Szene, weil sie ein gewisses Alter erreichen oder familiäre Verpflichtungen rufen. Doch ihr politisches Gedankengut ändert nicht.
swissinfo: Welchen Einfluss werden die rechtsextremen Militanten – mit oder ohne Frauen – in naher Zukunft ausüben?
H.S.: Es gibt Anzeichen, dass sie an Bedeutung gewinnen, oder zumindest nicht einbüssen werden.
Doch könnte ein einziger Extremisten-Vorfall, der in negative Schlagzeilen mündet, das Vorankommen der Rechtsextremen hemmen, zumindest für eine gewisse Zeit.
Es fiel auf, wie der Mord-Prozess von 2001, nachdem ein junges Mitglied einer Nazi-Gruppierung in Interlaken umgebracht wurde, zu einer Abnahme des Interesses an Extremisten-Gruppen führte.
swissinfo: Welche Rolle spielen die Schweizer Medien beim Abdecken der Themen Extremismus und Rassismus?
H.S.: Die Medien neigen dazu, Extremismus, Rassismus und Gewalt gegen Ausländer oder gegen Linksstehende zu ignorieren oder zu unterschätzen.
Ebenfalls offensichtlich ist, dass die Medien den Extremismus für gewisse Gelegenheiten aufbauschen, besonders jeweils am Nationalfeiertag und rund um die Rütli-Feierlichkeiten.
Doch das Thema fällt dann so schnell wieder aus den Schlagzeilen wie es hineingerutscht ist. Eine ungeschriebene Regel besagt offenbar, zuerst gross Krach schlagen und das Ganze dann wieder vergessen.
swissinfo: Wie sollten Medien über Extremismus berichten?
H.S.: Ich denke, es gibt nie genug kritische Publizität, wenn es um Rechtsextremismus geht. Militante lieben es nicht, in den Schlagzeilen zu stehen, ausser die Medien lassen sich als Plattform nutzen.
Sie scheuen zu viel Medienpräsenz, weil dies zu öffentlichem Druck führen könnte. Sie sprechen sehr selten mit Journalisten. Rechtsextreme ziehen die Anonymität vor.
Doch eine kritische Berichterstattung ist überlebenswichtig um die Neo-Nazis zu bekämpfen. Das Berichten ist eine Möglichkeit, die Öffentlichkeit über mögliche gefährliche Organisationen und Einzelpersonen zu informieren, die lieber im Halbdunkel agieren.
swissinfo-Interview: Urs Geiser
(Übertragung aus dem Englischen: Alexander Künzle)
Laut Bundesamt für Polizei (fedpol) gibt es rund tausend rechtsextreme Militante in der Schweiz.
Der Experte Hans Stutz schätzt, dass rund 250 Frauen als Supporterinnen den extremistischen Gruppen zugerechnet werden können.
Doch nur eine oder zwei Frauen dürften dabei eine aktive Rolle spielen.
Stutz verneint Vermutungen, wonach die Zahl militanter Rechtsextremistinnen in den vergangenen Jahren erheblich gestiegen sei.
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