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Scharfe Vorwürfe an die Schweiz: Terrorfinanzierung

Abraham Foxman, Direktor der ADL. www.jewishsightseeing.com

Eine Botschaft an die ganze Welt: Jetzt ist nicht der Zeitpunkt für Geschäfte mit Iran. So umreisst Abraham H. Foxman, Direktor der Anti-Defamation League (ADL), das Ziel der Inserate-Kampagne seiner Organisation gegen die Schweiz.

Die US-Organisation wirft der Schweiz in den Inseraten vor, sie finanziere den globalen Terrorismus.

Ausgelöst wurde die Kampagne durch einen Gasliefervertrag mit Iran, der im Beisein von Aussenministerin Micheline Calmy-Rey in Teheran unterzeichnet wurde.

Auf Anfrage von swissinfo erläutert Foxman die Beweggründe für die Inserate, die am Dienstag in Schweizer Medien und mehreren internationalen Zeitungen erschienen.

Ein Grund für die scharfe Kritik an der Schweiz sei der Zeitpunkt des Vertrags-Abschlusses.

Ausgeschert

Die Schweiz sei mit ihrem Vorgehen zum jetzigen Zeitpunkt ausgeschert aus der amerikanisch-europäischen Allianz, die seit geraumer Zeit versuche, mit Druck auf Iran zu erreichen, dass das Land sein Nuklearwaffen-Programm aufgebe, erklärt Foxman.

Die EU habe Iran mit ausdrücklicher Unterstützung der USA angeboten, im Gegenzug für ein Ende seines umstrittenen Nuklear-Programms die Wirtschaftsbeziehungen auszubauen. Wenn Iran aber sein Atom-Programm ausbaue, drohten weitere Sanktionen.

Das Angebot liege seit einiger Zeit auf dem Tisch, doch bisher sei Iran nicht darauf eingegangen. «Der Schweizer Deal bekräftigt die Iraner in ihrer Position und gibt ihnen Zeit, mit dem Ausbau ihres nuklearen Waffenprogramms fortzufahren.»

Erst am Dienstag habe Iran die Installation von 6000 weiteren Zentrifugen in seiner Urananreicherungs-Anlage in Natanz angekündigt.

Was hat die ADL bewogen, die Schweiz ins Visier zu nehmen, obwohl andere Staaten grössere Handelsbeziehungen mit Iran haben? Der Schweizer Deal sei aus drei Gründen problematischer, betont Foxman.

«Der Umfang von 20 Milliarden Euro, der Zeitpunkt, gleich nachdem der Sicherheitsrat der UNO eine dritte Sanktions-Resolution verabschiedet hatte und der politische Aspekt.»

Unverantwortlicher Entscheid

Weshalb sich die Inserate-Kampagne direkt an Calmy-Rey richtet, begründet Foxman damit, dass die Aussenministerin die Einladung nach Teheran angenommen, an einer Pressekonferenz teilgenommen und von einem «diplomatischen und wirtschaftlichen Erfolg» gesprochen habe.

«Ihr Entscheid, nach Teheran zu reisen, war unverantwortlich. Sie hätte wissen müssen, dass sie von den Iranern manipuliert wurde, um der Welt zu zeigen, dass Iran nicht isoliert dastehe», so Foxman.

«Und sie vertritt die Schweizer Aussenpolitik. Die Inserate richten sich jedoch klar gegen die Schweizer Politik, auch wenn sie an Aussenministerin Calmy-Rey adressiert sind.»

Schweiz sollte sich schämen

Angesprochen darauf, dass die Kampagne Erinnerungen wecke an die Debatte um die nachrichtenlosen Vermögen, sagt Foxman: «Die Schweizer Regierung wird für ihre Handlungen die Verantwortung übernehmen müssen.»

Die Erklärung von Calmy-Rey, der Vertrag sei im Interesse der Energiesicherheit der Schweiz, sei lächerlich. Die EGL selber habe bekannt gegeben, dass der grösste Teil des Gases nach Italien gehe.

Schämen sollte sich die Schweiz aber vor allem deshalb, weil Iran das Geld aus dem Vertrag für sein Nuklearwaffen-Programm zum Kauf von Raketen für die Hisbollah und zur Finanzierung von in Europa stationierten Terror-Gruppen verwenden könnte.

SIG informiert

Alfred Donath, Präsident des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes (SIG), der sich von der Kampagne distanziert hat, sei von der ADL im Voraus informiert worden.

Und dass die Schweizer Juden eine eigene Position hätten, sei zu respektieren.

Für die ADL gehe es jedoch um ein Thema mit Auswirkungen nicht nur auf Israel, sondern auf Europa, die USA und den Rest der Welt. Die Botschaft richte sich an die ganze Welt.

«Jetzt ist einfach nicht der Zeitpunkt, aus dem Kreis verantwortungsbewusster Staaten auszubrechen, die sich einig sind, dass es Druck auf Iran braucht, damit das Land sein Nuklearwaffen-Programm aufgibt.»

Zur Frage, ob die Schweiz dabei sei, Fehler aus ihrer Vergangenheit zu wiederholen, meint Foxman, Analogien seien nicht immer nützlich. «Aber Iran hat mit der Vernichtung Israels gedroht.»

Iran sei nicht nur der weltweit führende staatliche Unterstützer von Terrorismus, sondern ein ideologischer Führer der radikal-islamischen Bewegung. Und diese anerkenne niemanden als neutral.

Die Schweiz sei eine westliche Demokratie. «Sie sollte die Bemühungen anderer westlicher Demokratien nicht unterminieren, Iran von der Beschaffung von Nuklearwaffen abzuhalten.»

Ein Spiegel für die Schweiz

Zum Vorwurf, die ADL diffamiere mit der Kampagne die Schweiz, mache also genau das, wogegen sie offiziell ankämpfe, sagt Foxman: «Wir halten der Schweiz einen Spiegel hin, damit sie sich selber anschaut.»

Wenn das Bild wenig schmeichelhaft sei, könne die Schweiz dies ändern, indem sie auf Geschäfte mit Iran verzichte, einem Land das nach Ansicht der internationalen Gemeinschaft wirtschaftlich geächtet werden sollte.

swissinfo, Rita Emch, New York

Micheline Calmy-Rey war am 16. und 17. März in Iran.

Im Zentrum ihres Besuches standen das Kernenergie-Dossier, die Menschenrechte und die Unterzeichnung eines Gasliefervertrags zwischen der staatlichen iranischen Gasliefergesellschaft und der Elektrizitätsgesellschaft Laufenburg.

Noch am Tag des Abschlusses kritisierten die USA das Geschäft. Israel sprach von einem unfreundlichen Akt und bestellte den Schweizer Botschafter ein. Harsche Kritik kam nicht nur von der ADL, sondern vorher bereits vom Jüdischen Weltkongress.

Die Kritik an der Schweiz und die ADL-Kampagne kann nach Ansicht der Schweizer Botschaft nicht mit der Debatte um die Holocaust-Gelder verglichen werden.

Bei den nachrichtenlosen Vermögen sei es um ein Kapitel der Schweizer Geschichte gegangen, das schmerzhaft aufgearbeitet werden musste, erklärte die Kommunikationschefin der Schweizer Botschaft in den USA, Emilija Georgieva.

Der Gasliefervertrag sei ein Geschäftsabschluss, der in Übereinstimmung mit geltendem nationalen und internationalem Recht erfolgte. Aber trotzdem müsse die Schweiz aufmerksam bleiben und sehen, wie die Dinge sich weiter entwickeln, so Georgieva.

Der Gas-Deal und der Besuch der Aussenministerin in Teheran seien kürzlich bei einem Treffen mit dem US-Aussenministerium und einem weiteren mit einer jüdischen Organisation in Washington zur Sprache gekommen. Das Thema habe aber keines der zwei Treffen dominiert.

Was die Schutzmacht-Mandate der Schweiz für die USA angeht, verwies Georgieva auf die Erklärung eines Sprecher des US-Aussenministeriums von letzter Woche, in der dieser bekräftig hatte, dass sich an der Politik Washingtons im Zusammenhang mit den Schutzmandaten, welche die Schweiz in Iran und Kuba für die USA ausüben, nichts verändert habe.

Die Anti-Defamation League wurde 1913 in den USA gegründet, um gegen die Diffamierung und Diskriminierung von Juden anzutreten.

Neben dem Antisemitismus kämpft die Organisation heute gegen alle Formen von Vorurteilen.

In der Kontroverse um die Holocaust-Gelder auf Schweizer Banken hatte die ADL eine weniger scharfe Position eingenommen als der Jüdische Weltkongress und die Schweiz für ihre Schritte zur Vergangenheitsbewältigung auch gewürdigt.

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