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Schweiz bietet Hilfe für Kosovo-Gespräche

Calmy-Rey traf im August den Präsidenten des Kosovo, Ibrahim Rugowa. Keystone

Im Kosovo ist ein Sondergesandter der UNO zu Gesprächen über die Zukunft der Provinz eingetroffen. Die Schweiz will dabei ihre "guten Dienste" anbieten.

Doch die Schweizer Behörden warnen, die Verhandlungen könnten lange dauern und zäh werden. Ein Kompromiss sei für alle Seiten wichtig.

Dieser Tage wird Martti Ahtisaari, UNO-Sondergesandter des Generalsekretärs Kofi Annan, im Kosovo zu Gesprächen erwartet. Er soll bei der Entscheidung helfen, ob die Provinz unabhängig werden oder ein Teil von Serbien-Montenegro bleiben soll.

Seit dem 78-tägigen Kampf zwischen der NATO und Serbien 1999 wird Kosovo von den Vereinten Nationen (UNO) verwaltet, und die NATO ist verantwortlich für die militärische Sicherheit.

Die Lage im Kosovo bleibt angespannt, die lokalen ethnischen Albaner verlangen die Unabhängigkeit. Ein Schritt, den die serbische Regierung in Belgrad ablehnt.

Unabhängigkeitsgespräche

Im letzten Mai hatte sich die Schweiz an einer Sitzung des UNO-Sicherheitsrats in New York für einen unabhängigen Kosovo stark gemacht.

Die Bemerkungen des Schweizer UNO-Botschafters Peter Maurer hatten damals in diplomatischen Kreisen für Aufregung gesorgt. Aussenministerin Micheline Calmy-Rey erhielt bei ihrem Besuch in Serbien-Montenegro im Juni einen Rüffel.

Kurz darauf, ungeachtet der aufziehenden diplomatischen Krise zwischen Bern und Belgrad, hatte Calmy-Rey eine vielbeachtete Reise in den Kosovo dazu genutzt, internationale Unterstützung für die «formale Unabhängigkeit» der Provinz zu suchen.

Laut dem langjährigen Schweizer Diplomaten Jean-Jacques de Dardel hat sich diese Haltung seither nicht geändert.

«Wie in der Debatte des UNO-Sicherheitsrats im Mai gesagt, sind wir klar der Meinung, dass die Aufrechterhaltung des Status quo das Risiko einer Destabilisierung birgt. Nicht nur im Kosovo, sondern in der ganzen Region», sagte er gegenüber swissinfo.

«Unter diesen Umständen ist, auf lange Sicht, die realistischste Lösung eine formale Unabhängigkeit des Kosovo.»

Kompromisse nötig

Doch der Diplomat ergänzte, ein solches Abkommen müsste «mit allen beteiligten Partnern verhandelt und von allen akzeptiert» werden. Kompromisse seien dabei «essenziell und müssen von allen Seiten gemacht werden».

Er widersprach auch Anschuldigungen, dass die Schweiz mit ihrem Vorschlag für Kosovo bereits vor der Aufnahme der Gespräche mit dem Feuer spiele.

«Unsere wichtigen Interessen in der Region, wo wir hunderte Millionen Dollar in Frieden und Stabilität investiert haben, sowie die nahen menschlichen Beziehungen zwischen der Schweiz und Kosovo berechtigen unsere Ansicht, eine eigene Position vertreten zu dürfen», sagte de Dardel.

«Die Schweiz unterstützt den Dialog zwischen Pristina und Belgrad seit mehreren Jahren aktiv. Wir sind bereit, weiterhin diese Rolle zu spielen, falls die Betroffenen dies wünschen.»

Die Verhandlungen dürften rund ein Jahr dauern. Beobachter sind sich einig, dass die Gespräche höchstwahrscheinlich zu einer Art von Unabhängigkeit führen werden – allerdings mit einer fortwährenden Rolle der internationalen Friedenstruppen.

Menschenrechte

Für de Dardel ist klar, dass die Schweiz von der internationalen Gemeinschaft erwartet, keine Kompromisse einzugehen, wenn es um die Menschenrechte für die Minderheitengruppen in der Region geht.

«Wir haben nicht vor, unsere Anstrengungen zur Verbesserung der Lebenslage von Minderheiten im Kosovo zu reduzieren. Auch werden wir keine Halb-Massnahmen akzeptieren bei der Anwendung von Standards, die gleiche Rechte für alle garantieren.»

Der Sonderbeauftragte Ahtisaari wollte derweil keine grossen Worte über das Programm oder die Dauer der anstehenden Verhandlungen verlieren. Er sagte einzig, es liege an den Verhandlungspartnern zu entscheiden, «wie schnell oder langsam wir vorankommen».

Bereits vor der geplanten Ankunft des früheren finnischen Präsidenten in dieser Woche hat eine militante Kosovo-albanische Gruppe einen Angriff auf die Provinzhauptstadt vor den Gesprächen angedroht.

«Es ist sehr gut möglich, dass die Stadt Pristina am Mittwoch Ziel unserer Befreiungskräfte sein wird», zitierten lokale Medien die Gruppe.

swissinfo, Ramsey Zarifeh
(Übertragen aus dem Englischen: Christian Raaflaub)

Der Schweizer Diplomat Jean-Jacques de Dardel wurde 1954 geboren.
Nach Wirtschaftsdiplom und Doktorat in Politikwissenschaften stieg er 1981 im Aussenministerium ein.
Seit 2004 leitet er dort die Politische Abteilung 1 (Europa, Europarat, OSZE).

Das 78-tägige NATO-Bombardement beendete im Sommer 1999 die Vertreibung der albanischen Bevölkerung aus der südserbischen Provinz Kosovo.

Seither steht die Provinz unter UNO-Verwaltung, demokratische Standards sind im Entstehen.

Die Statusfrage wurde bisher ausgeklammert: Pristina fordert die Unabhängigkeit, laut Belgrad soll die Provinz Teil Serbiens bleiben.

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