Schweiz in Südafrika gegen Europameister Spanien
Die drei Gegner der Schweizer Nationalmannschaft bei der ersten WM auf afrikanischem Boden heissen Spanien, Honduras und Chile. Mit welchen Aussichten reist das Hitzfeld-Team ans Kap? Zwei Experten geben Auskunft.
Die Gruppen-Auslosung fand im International Convention Center von Kapstadt statt. Sie wurde von 200 Millionen TV-Zuschauern aus aller Welt verfolgt.
Die WM-Endrunde dauert vom 11. Juni bis 11. Juli 2010. Das Eröffnungsspiel bestreiten werden Gastgeber Südafrika gegen Mexiko.
Die Schweiz wurde als letztes Team im Topf 4 der Gruppe H zugelost. Das erste Gruppenspiel bestreitet das Team von Ottmar Hitzfeld am 16. Juni gegen Spanien. Am 21. Juni trifft die Schweiz auf Chile, vier Tage später kommt es zum Vergleich mit Honduras.
Was kann man von der Schweizer Nati in Südafrika erwarten? Darüber sprach swissinfo.ch mit Claude Ryf und Yves Débonnaire. Die beiden Westschweizer sind Nationaltrainer im Nachwuchsbereich.
swissinfo.ch: Schätzen Sie die aktuelle Schweizer Nati stärker oder schwächer ein als das WM-Team von 2006?
Claude Ryf: Das ist sehr schwer zu sagen. Grösste Herausforderung von Ottmar Hitzfeld ist es, die Qualität des Schweizer Spiels zu verbessern. Ohne eine solche Steigerung liegen in Südafrika das Achtel- oder gar das Viertelfinale ausser Reichweite.
Yves Débonnaire: Die Equipen von 2006 und heute verfügen über unterschiedliche Stärken. Das momentane Team hat eine solidere Defensive, die sehr gut organisiert und mental sehr stark ist.
Vor vier Jahren war die Nati spielstärker und effizienter. Die Schweizer sind fähig, sich gegen fast alle Länder zu behaupten. Aber man darf nie vergessen, dass es meist Details sind, die am Schluss über Sieg oder Niederlage entscheiden, wie ein Pfostenschuss oder ein umstrittener Penalty.
swissinfo.ch: Welches sind die grössten Defizite der heutigen Nati?
C.F: Vor vier Jahren verfügte die Schweiz über einen Spieler, der nicht mehr erwünscht war: Johann Vogel. Er war zentral für die Organisation des Spiels. Alle grossen Teams verfügen über solch technisch starke Mittelfeldspieler, wie Vogel einer war. Diese verlieren kaum einen Ball und schlagen Pässe, die fast immer ankommen.
Gökhan Inler hat diese Fähigkeiten, aber in der Nati setzt er sich manchmal zu stark unter Druck. Wie die meisten ist er aber noch sehr jung, und es wird sich zeigen, welches Entwicklungspotenzial er hat.
Y.D.: Sicher war Johann Vogel ein technischer Leader, der den Ball halten konnte. Aber erinnern wir uns: Man warf ihm auch vor, den Ball zu stark seitwärts zu spielen. Heute haben wir mit Gelson Fernandes, Gökhan Inler und Benjamin Huggel ein physisch starkes Mittelfeld. Uns fehlt aber eine Spielerpersönlichkeit, die den Rhythmus im richtigen Augenblick erhöhen kann.
swissinfo.ch: Die Schweiz tritt in Südafrika mit einem der besten Trainer der Welt an. Wie wichtig ist Ottmar Hitzfeld?
C.R.: Hitzfeld kann die Emotionen der Spieler antizipieren. Er hat zweimal die Champions League gewonnen, deshalb kennt er den Stress und die Unsicherheiten bestens, die ein grosses Turnier mit sich bringen.
Er hat also die Antworten schon parat auf die Fragen, welche die Spieler beschäftigen werden. Nur ein Trainer von Weltklasse konnte es schaffen, die Schweiz nach der Niederlage gegen Luxemburg noch für die WM zu qualifizieren.
Y.D.: Ottmar Hitzfeld besitzt den Instinkt und die Kultur des Sieges. Seine langjährige Erfahrung wird in Südafrika von unschätzbarem Wert sein.
Nach der Schmach gegen Luxemburg gelang es ihm, die Spieler wieder aufzurichten und voll auf das Spiel gegen Griechenland zu fokussieren. Nur so war der Sieg gegen den Ex-Europameister möglich.
swissinfo.ch: Kann der sensationelle WM-Titel der Schweizer U-17-Helden in Nigeria für die «Grossen» eine Inspiration sein?
C.R.: Das sind zwei verschiedene Arten von Fussball. Die Youngsters sind zweifellos sehr talentiert, aber sie sind noch nicht dem grossen Druck und Stress ausgesetzt, die auf dem höchsten Niveau herrschen.
Spielt die A-Nationalmannschaft eines Tages so wie die Schweizer U-17, werden wir Weltmeister. Aber der Weg dorthin ist noch lang.
Y.D.: Ich mag diesen Vergleich gar nicht. Der Fussball, den die Jungen spielen, unterscheidet sich extrem von dem der A-Spieler. Die Szenenwechsel von einem Tor zum anderen können sehr schnell gehen.
Ich bedauere die Kritik am A-Team nach dem letzten Qualifikationsspiel gegen Israel. Man musste dieses Unentschieden suchen, um sich direkt zu qualifizieren. In dieser Situation muss man sich entscheiden zwischen schönem Spiel und Effizienz.
Die Schweiz bestreitet die vierte WM- oder EM- Endrunde in Folge. Für eine kleine Fussballnation wie die Schweiz ist das einfach aussergewöhnlich, das dürfen wir nicht vergessen!
Samuel Jaberg, swissinfo.ch
(Übertragung aus dem Französischen: Renat Künzi)
Gruppe A: Südafrika, Mexiko, Uruguay, Frankreich.
Gruppe B: Argentinien, Nigeria, Südkorea, Griechenland.
Gruppe C: England, USA, Algerien, Slowenien.
Gruppe D: Deutschland, Australien, Serbien, Ghana.
Gruppe E: Holland, Dänemark, Japan, Kamerun.
Gruppe F: Italien, Paraguay, Neuseeland, Slowakei.
Gruppe G: Brasilien, Nordkorea, Elfenbeinküste, Portugal.
Gruppe H: Spanien, SCHWEIZ, Honduras, Chile.
1934 (Viertelfinal/in Italien/Nationalcoach Heinrich Müller)
1938 (Viertelfinal/Frankreich/Karl Rappan)
1950 (Vorrunde/Brasilien/Franco Andreoli)
1954 (Viertelfinal/Schweiz/Rappan)
1962 (Vorrunde/Chile/Rappan)
1966 (Vorrunde/England/Alfredo Foni)
1994 (Achtelfinal/USA/Roy Hodgson)
2006 (Achtelfinal/Deutschland/Köbi Kuhn)
2010 (Südafrika/Ottmar Hitzfeld)
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