Schweiz muss mehr tun für Friedenssicherung
Die Schweiz sollte aktiver werden, um ihr Ansehen als internationaler Friedensvermittler wieder herzustellen. Dies sagte Richard Holbrooke gegenüber swissinfo.
Laut dem früheren US-Botschafter fiel die Schweiz in dieser Rolle gegenüber Norwegen zurück und sollte auch mehr Truppen zur Friedenssicherung bereit stellen.
Der ehemalige US-Botschafter bei der UNO und Chefarchitekt des Dayton-Abkommens 1995, das den Krieg in Bosnien beendete, sprach jüngst an der Eröffnung des Zürcher Büros der Organisation Human Rights Watch.
Holbrooke lobte die historische Rolle der Schweiz bei der Förderung der Menschenrechte, besonders durch die Schaffung des Roten Kreuzes und der Ausarbeitung der Genfer Konventionen.
«Die Schweiz stand in der Welt immer für bestimmte Werte, und ich bewundere diese sehr», sagte er gegenüber swissinfo. «Die Eröffnung des Zürcher Büros von Human Rights Watch ist ein grosser Schritt vorwärts, denn die Schweiz ist ein wichtiges Handlungszentrum in diesem Bereich.»
Er glaubt aber, dass die Schweiz in letzter Zeit gegenüber den skandinavischen Ländern an Boden verloren hat. Diese seien in der weltweiten Friedenssicherung aktiver geworden.
Ausserdem habe er das Gefühl, dass der Schweiz eine starke Führungsfigur in der internationalen Diplomatie fehle, seit Flavio Cotti 1999 das Schweizerische Aussenministerium verlassen hat.
Aktive Norweger
«Die Norweger sind weit aktiver als die Schweizer, und ich habe mit beiden Ländern im Balkan und auf Zypern zusammengearbeitet», sagte Holbrooke.
«Als ich in diesen Regionen tätig war, war der Schweizer Aussenminister Flavio Cotti Vorsitzender der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa), und zu dieser Zeit war die Schweiz sehr aktiv. Er war eine starke internationale Figur, wohl die sichtbarste, die die Schweiz in Jahrzehnten hatte. Aber die Schweiz bringt nicht so viele internationale Unterhändler und Diplomaten hervor wie Schweden, Dänemark und Norwegen. Das finde ich schade.»
Norwegen wirkte als Vermittler für die Osloer Abkommen von 1993, die als wichtiger Schritt für den Frieden zwischen Israel und der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) betrachtet werden. Die Norweger versuchen in Sri Lanka aktiv einen Frieden zwischen der Regierung und den tamilischen Rebellen auszuhandeln.
Versuche der Schweiz, eine Lösung im Kosovo zu finden, nahmen dagegen im vergangenen Mai eine negative Wendung, als die Forderung nach einer formellen Unabhängigkeitserklärung für den Kosovo Serbien verärgerte.
Mehr Friedensvermittler
Holbrooke glaubt auch, dass die Schweiz mehr Truppen zur Friedenssicherung in Konfliktgebiete entsenden sollte.
Schweizer Truppen, die zur Friedenssicherung ins Ausland gesandt werden, dürfen erst Waffen tragen, seit das Stimmvolk 2001 eine Verfassungsänderung gutgeheissen hat. Aber bisher wurde nur in den Kosovo eine bedeutende Anzahl Soldaten geschickt.
«Es sollten mehr Schweizer in den internationalen UNO-Friedenstruppen sein. Ich verstehe nicht, warum das nicht so ist», sagte Holbrooke.
Er betonte, dass die Schweizer gute Soldaten hätten, ein Grund, ihre Aktivitäten in der Friedenssicherung zu verstärken.
«Es ist schön, über die Genfer Konventionen zu wachen, aber die Welt braucht Friedensvermittler. Die Schweiz, die keiner äusseren Gefahr ausgesetzt ist und ein grosses stehendes Heer hat, sollte mehr Truppen für die UNO zur Verfügung stellen.»
swissinfo, Matthew Allen, Zürich
(Übertragung aus dem Englischen: Susanne Schanda)
Am 10. Juni 2001 stimmt die Schweizer Bevölkerung einer Verfassungsänderung zu, die Schweizer Soldaten während ihrer Friedenseinsätze im Ausland das Tragen von Waffen gestattet.
Seit 1999 ist die 220 Mann starke Swisscoy in Kosovo stationiert und wird bis 2008 dort bleiben.
Die Schweiz hat im Rahmen der UNO-Gespräche zur Zukunft des Kosovo ihre Vermittlung angeboten.
Im Mai letzten Jahres wurde Aussenministerin Micheline Calmy-Rey von Serbien zurechtgewiesen, als sie sich zugunsten eines unabhängigen Kosovo aussprach.
Die Bemühungen der Schweiz für eine Friedenslösung zwischen Israel und der Palästinensischen Autonomie-Behörde blieben erfolglos. Die israelische Regierung war gegenüber der Genfer Initiative skeptisch.
1999 – 2001: Richard Holbrooke war US-Botschafter bei der UNO,
1994 – 1996: Stellvertretender Staatssekretär für Europa,
1993 – 1994: Botschafter in Deutschland,
1995: Architekt des Dayton-Friedensabkommens für Bosnien und 1997 Sondergesandter für Zypern.
Holbrookes Grossmutter stammte aus Zürich und seine Mutter verbrachte dort ihre Kindheit, nachdem sie Deutschland verlassen hatte.
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