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Schweiz rollt für Chinesen roten Teppich aus

Ein Besuch auf dem Titlis-Gletscher ist für die chinesischen Gäste Attraktion Nummer 1. swissinfo.ch

Diese Woche beginnen Gäste aus China einen Besuch in Europa, auch in der Schweiz. Sie profitieren von einem neuen Tourismusabkommen zwischen China und der Schweiz.

Die Schweizer Tourismus-Verantwortlichen empfangen die chinesischen Gäste mit offenen Armen – in der Hoffnung auf wachsende Touristen-Zahlen.

Offiziell werden sie als «Touristen» bezeichnet, doch in Wirklichkeit handelt es sich bei den rund 60 Mitgliedern der Gruppe um Regierungsvertreter, VIPs und chinesische Journalisten.

Die Tourismus-Branche hofft, dies sei der Anfang einer freundlichen chinesischen Invasion, welche der angeschlagenen Schweizer Tourismusindustrie wieder auf die Beine helfen könnte.

Grosse Hoffnung

Nach einer Begrüssungszeremonie am Samstag werden die Besucher im UNO-Hauptquartier in Genf bewirtet, begeben sich dann auf den Genfersee und besuchen schliesslich die beiden Schweizer Tourismushochburgen Interlaken und Luzern.

Die nationale Tourismusorganisation Schweiz Tourismus hat allen Grund zum Feiern.

Für sie ist die Ankunft der Gruppe praktisch ein Beweis dafür, dass Beijings Entscheid, EU-Länder und die Schweiz in den Rang eines «anerkannten Reiseziels» (Approved Destination Status, ADS) zu erheben, bald einmal Früchte tragen könnte.

Die ADS-Bezeichnung öffnet allen Chinesen, die über das nötige Kleingeld verfügen, die Tür zum beliebigen Bereisen der Schweiz, denn eine spezielle behördliche Reisebewilligung ist von nun an nicht mehr erforderlich.

Hinter den Japanern

Schweiz Tourismus ist überzeugt, dass sich die Zahl der chinesischen Übernachtungen in Schweizer Hotels bis 2007 auf 300’000 verdreifachen wird. Damit wären die Chinesen hinter den Japanern die eifrigsten Schweiz-Reisenden unter allen asiatischen Nationen.

Für die Schweizer Tourismusindustrie ist dies die erste gute Nachricht seit vielen Jahren.

Flugreisen sind in den letzten zehn Jahren so billig geworden, dass viele Europäer es mittlerweile vorziehen, ihre Ferien an fernen südlichen Stränden zu verbringen, statt in den heimatlichen Bergen.

Und wenn schon Berge, dann lieber die Alpen der Österreicher. Der Nachbar im Osten hat die Schweiz im alpinen Tourismusduell klar ausgestochen und viele Ferienreisende davon überzeugt, dass Austria ihnen mehr bietet für ihr Geld.

Die Schweiz, nicht Österreich

Doch nicht Österreich sondern die Schweiz gehört laut der Welttourismusorganisation zu den drei Ländern, welche chinesische Europareisende unbedingt besuchen wollen.

Der Tourismusverband hat einen kleinen Führer über Kultur und Gewohnheiten in China produziert mit einer Liste von Tipps und Warnungen für schweizerische Tourismus-Dienstleister.

«Gib einem chinesischen Gast nie ein Zimmer mit einer 4 in der Zimmernummer, denn die 4 bringt Unglück», warnt der Führer.

Schweiz Tourismus bietet Fremdenverkehrsorten auch die Möglichkeit, sich an gemeinsamen Marketing-Aktivitäten zu beteiligen.

China Workshops

Laut Fabrizio D’Aloisio von St. Moritz Tourismus gehören dazu «Workshops und Events in China, Unterstützung und Koordination bei der Übersetzungstätigkeit, sowie bei der Produktion von Broschüren und anderen Werbematerialien auf Chinesisch.»

«Zum Selbstkostenpreis», fügt D’Aloisio gegenüber swissinfo hinzu.

St. Moritz rechnet «in etwa 5 – 10 Jahren mit einer markanten Steigerung der Logiernächte von chinesischen Touristen».

Laut Schweiz Tourismus und einer Umfrage von swissinfo (vgl. «Umfrage chinesischer Tourismus») rechnen sich etwa 20 Tourismus-Destinationen gute Chancen aus, von der chinesischen ADS-Bezeichnung profitieren zu können.

Sie folgen dabei dem Beispiel der Titlisbahnen im Kanton Luzern, die seit zehn Jahren erfolgreich auf dem chinesischen Tourismusmarkt präsent sind.

«Der Titlis wird dieses Jahr rund 20’000 Touristen empfangen, die in Gruppen aus China anreisen» verkündet André Küttel von den Titlisbahnen aus dem fernen Singapur, wo er gegenwärtig auf einer Werbetour durch Asien halt macht.

Chinesische Küche

Ausschlaggebend für den Erfolg der Titlisbahnen war nicht zuletzt deren Entscheid, für ihr Bergrestaurant Mandarin sprechende Führer und chinesische Köche anzuheuern und Werbematerial auf Chinesisch bereitzustellen.

Nicht alle Tourismusanbieter können oder wollen sich das leisten. «Wir haben kein Geld für Investitionen in neuen Märkten», sagt Beat Anneler, der Chef von Thunersee Tourismus im Berner Oberland.

«Wenn wir das Geld hätten, würden wir es wohl eher in Thunersee-Werbung in Grossbritannien und den Niederlanden investieren, die für unsere Region hinter der Schweiz und Deutschland die wichtigsten Kundenländer darstellen», fügt Anneler hinzu.

«In der Schweiz konnten wir in den letzten Jahren leider kein Wachstum im Tourismus verzeichnen», gibt Piotr Caviezel, der Appenzeller Tourismusdirektor zu bedenken. «Dies hat oft damit zu tun, dass man in zu vielen geografischen Märkten agiert, ohne irgendwo den Durchbruch zu schaffen.»

«Die meisten Regionen in der Schweiz haben meines Erachtens nicht die nötigen Mittel und Infrastruktur, um auf den stark wachsenden Märkten in Asien oder Osteuropa erfolgreich aufzutreten», so Caviezel weiter.

Diverse Hürden

Josef Mondl, Sinologe an der Hochschule St.Gallen, schätzt die Erwartungen von Schweiz Tourismus als realistisch ein.

Allerdings meint auch Mondl, der in St. Gallen ein chinesisch-schweizerisches Management-Trainingsprogramm leitet, dass es noch einige Hürden zu überspringen gelte.

«Die meisten Chinesen, die wir etwa im Zuge unseres ‹Sino-Swiss Management Training Program› hier in der Schweiz betreuen, bringen klar ihr Unverständnis zum Ausdruck, wie die Schweiz denn für chinesische Touristen attraktiver werden sollte, solange sie aus den meisten wichtigen chinesischen Städten nicht direkt angeflogen wird», sagt er im Gespräch mit swissinfo.

Und: Auch mit ADS brauchen chinesische Touristen – zusätzlich zum Visum für den Besuch der EU-Staaten gemäss dem Schengener Abkommen – noch immer ein Visum für die Einreise in die Schweiz.

Doch das grösste Hindernis, so Mondl, ist vorderhand immer noch der «Mangel an Verständnis für Kultur und Gewohnheiten der Chinesen».

swissinfo, Dale Bechtel am Thunsersee
(Übertragung aus dem Englischen: Dieter Kuhn)

In China leben 1,3 Mrd. Menschen.
Letztes Jahr reisten über 20 Mio. Personen ins Ausland.
Bis 2020 dürfte sich diese Zahl laut der Welt-Tourismus-Organisation verfünffachen.
Bis 2007 erwartet die Schweiz 300’000 Übernachtungen von Chinesen.

Einige Tipps für Gastgeber von chinesischen Touristen, aus der Broschüre «Hello China»:

Erwähnen Sie keine sensiblen Themen wie Politik, Menschenrechte, Unabhängigkeits-Bestrebungen oder Taiwan.

Wenn Sie eine chinesische Flagge neben ihrem Hotel hissen, vergewissern Sie sich, dass es die Flagge der Volksrepublik China ist.

Geben Sie chinesischen Gästen keine Zimmer auf dem vierten Stock und keine Räume mit einer 4 in ihrer Zahl. Diese Nummer bringt Unglück.

Stellen Sie einen Wasserkocher oder eine Thermosflasche mit heissem Wasser ins Zimmer, denn Chinesen lieben Tee zu jeder Tages- und Nachtzeit.

Einfache chinesische Beilagen sollten bei jeder Mahlzeit zur Verfügung gestellt werden: Reis, gedämpftes oder gebratenes Gemüse und Fleisch in dünne Streifen geschnitten.

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