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Schweiz steht auf Obamas schwarzer Liste

Der Gesetzesvorschlag, den Barack Obama mitunterzeichnet hat, hat einige Wellen ausgelöst. Keystone

Der amerikanische Präsidentschaftskandidat Barack Obama und weitere Abgeordnete wollen gegen die Steuerparadiese ankämpfen. Die Schweiz steht mit rund dreissig anderen Ländern auf ihrer schwarzen Liste.

Doch in Washington wie in Bern herrscht über die Angelegenheit diskretes Schweigen.

Der Demokrat Barack Obama hat sich mit zwei routinierten Senatoren zusammengeschlossen, um einen Gesetzesvorschlag auszuarbeiten, der die Schweiz und rund dreissig andere Länder im Visier hat.

Mit dem Demokraten Carl Levin und dem Republikaner Norm Coleman will der junge Präsidentschaftskandidat den Kampf gegen die Steuerflucht verstärken.

Levin und Coleman haben letztes Jahr eine vierjährige parlamentarische Untersuchung abgeschlossen mit einem Bericht, der als Grundlage für eben diesen Gesetzesvorschlag dient und im Februar dem Senat und im Mai der Grossen Kammer unterbreitet wurde.

«Es geht hier um eine grundsätzliche Frage von Gerechtigkeit», erklärte Barack Obama, als er letzten Februar den Text vorstellte. «Wir müssen Personen und Unternehmen bestrafen, die unser Steuerrecht verletzen, damit jene, die hart arbeiten und die Spielregeln einhalten, nicht benachteiligt werden».

Carl Levin seinerseits verwies darauf, dass «die Steuerparadiese den ehrlichen, amerikanischen Steuerzahlern einen ökonomischen Krieg erklärt haben, indem sie den Betrügern helfen, ihre Vermögen zu verstecken».

Eine gewisse Diskretion

Carl Levin und zwei weitere Senatoren haben eine Liste jener Länder erstellt, die sie als «Offshore-Zentren», als Steuerparadiese betrachten. Auf dieser Liste figuriert auch die Schweiz neben 33 andern Ländern, wie Barbados oder Luxemburg.

Von der Schweizer Botschaft in Washington erhält man keine Informationen dazu. «Bei uns ist es Usus, die im Kongress diskutierten Gesetzesentwürfe nicht zu kommentieren», erklärt die Pressesprecherin Emilija Georgieva gegenüber swissinfo.

Auch die Herren Obama, Levin und Coleman die gleiche Zurückhaltung, nachdem die Initiative mit viel Getöse lanciert wurde. Auch ihre Büros wollten gegenüber swissinfo dazu keinen Kommentar abgeben.

Es macht beinahe den Anschein, als ob sich die Senatoren gar von der ominösen Liste distanzierten. Ein Verantwortlicher aus dem Obama-Lager, der anonym bleiben will, weist darauf hin, dass eigentlich «der Internal Revenue Service (IRS)», der interne Dienst für steuerliche Einnahmen, und nicht der Kongress bestimmt, welche Länder als so genannte Offshore-Zentren (Steuerparadies) identifiziert und auf die Liste gesetzt werden können, auf der auch die Schweiz figuriert.

Eine andere Liste der OECD

Deshalb stösst ihr Gesetzesvorschlag auf Schwierigkeiten, vor allem wegen der Unzufriedenheit der Länder, die ins Visier geraten sind. In einem Brief an die drei Senatoren beschwert sich Barbados darüber, dass der Text «fehlerhaft» und «ungerecht» sei.

Botschafter Michael King fügt hinzu, dass die «Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD)» bestätigt hat, dass Barbados kein Steuerparadies sei und keine internationalen Finanzdienste auf Grund des Bankgeheimnisses anziehe.

Auch die Schweiz steht nicht auf der OECD-Liste der Steuerparadiese. Ein mit dem Dossier vertrauter Beobachter weist gegenüber swissinfo darauf hin, dass der Standpunkt der Schweiz, auch wenn sie in der Öffentlichkeit keine Stellung dazu nimmt, bei der Administration Bush und im Kongress bekannt ist; das heisst, dass die Beziehungen zwischen der Schweiz und den USA in Steuerbelangen durch das Doppelbesteuerungsabkommen von 1996 geregelt sind, und dass die Schweiz davon ausgeht, dass dies auch weiterhin der Fall ist.

Eine weitere Schwierigkeit für die Initiative der Senatoren Obama, Levin und Coleman ist die Opposition der Bush-Administration, im Besonderen jene des Ministers für Wirtschaft und Finanzen, Henry Paulson. Dieser befürchtet nämlich, dass eine einseitige Massnahme schädlich ist für die Zusammenarbeit der USA mit den Ländern, die auf der Liste sind.

Das dritte Hindernis ist der demokratische Senator Max Baucus, der die Finanzkommission präsidiert. Am Vorschlag seiner Kollegen bemängelt er, dass darin nur gerade ein Grund für die Steuerflucht behandelt wird. Er ist gegen eine schwarze Liste, die für die Exekutive verbindlich wäre und sich womöglich als inkohärent und unvollständig erweisen würde.

Ein parteipolitischer Hintergrund

Der Gesetzesvorschlag zu den Steuerparadiesen bleibt also vorerst auf Eis gelegt. Aber nicht für lange. Vor den Ferien der Parlamentarier im August könnte die Finanzkommission neue Hearings ansetzen. Auf jeden Fall wird der Text anlässlich der Debatte über das Budget 2008 im September erneut diskutiert werden.

Der Kampf der Senatoren Obama, Levin und Coleman gegen die Steuerparadiese hat klar einen parteipolitischen Hintergrund.

Ziel der Demokraten ist es, die Republikaner als schlechte Verwalter zu entlarven. Für die Demokraten wie auch für einen grossen Teil der Republikaner geht es darum, zusätzliche Einkommen zu generieren und neue Ausgaben finanzieren zu können, ohne die Steuern zu erhöhen oder das Loch im Budget noch zu vergrössern.

swissinfo, Marie-Christine Bonzom à Washington
(Übertragung aus dem Französischen: Christine Fuhrer)

Der Gesetzesvorschlag, unterstützt durch die Senatoren Obama, Levin und Coleman heisst «Stop Tax Haven Abuse Act» und zählt 68 Seiten.

Der Gesetzestext sieht vor, die Machtbefugnisse des Ministers für Wirtschaft und Finanzen und des IRS, des amerikanischen Dienstes für steuerliche Einnahmen, auszuweiten, um im Fall von Steuerflucht ermitteln und gegenüber Ländern, die von den USA als Steuerparadiese betrachtet werden, Sanktionen aussprechen zu können.

Eine der im Text aufgelisteten Sanktionen sieht vor, den Banken, die in Steuerflucht verwickelt sind, zu verbieten, auf dem amerikanischen Markt Kreditkarten auszugeben.

Mit dem Gesetzesentwurf wird ein Verdacht auf Illegalität bei jeglichem Kapitaltransfer in oder aus einem Steuerparadies geschaffen und eine Liste von 33 Ländern erstellt, die in den Augen der IRS «mögliche Standorte für Steuerflucht» sind, dazu gehört auch die Schweiz.

Die Steuerflucht ist in den USA ein ernstzunehmendes Problem. Nach Angaben des Center for International Policy, einem Forschungszentrum in Washington, ist der Betrag der Vermögen von Amerikanern in Steuerparadiesen in drei Jahren um 68 % gestiegen und hat im Jahr 2006 die Billion-Dollargrenze überschritten.

Im Jahr 2001 rechnete der IRS, dass das Steuerdefizit, das heisst die Differenz zwischen dem, was geschuldet und dem was eingenommen wurde, sich auf jährlich 345 Milliarden Dollar beläuft, davon verschwinden 100 Milliarden im Ausland.

«Mit einem Steuerdefizit von 345 Milliarden Dollar und einem Haushaltdefizit von 248 Milliarden, können wir einen Verlust von jährlich 100 Milliarden für die öffentlichen Gelder nicht dulden», unterstreicht Senator Carl Levin.

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