Schweiz will Libanon-Engagement verstärken
Eine vom Botschafter in Beirut, François Barras, angeführte Schweizer Delegation ist am Dienstag vom libanesischen Premierminister Fuad Siniora empfangen worden.
Dabei informierte der Chef des Schweizerischen Korps für Humanitäre Hilfe, Toni Frisch, über den Stand der Dinge und die vom Bund iniziierten Projekte.
François Barras, der Schweizer Botschafter in Libanon, und Toni Frisch, Chef des Schweizerischen Korps für Humanitäre Hilfe (SKH), sprachen mit Fuad Siniora und Gesundheitsminister Mohammed Dschawad Chalife über Sicherheitsfragen, den Zugang zu den Opfern und die Möglichkeiten der Soforthilfe.
Bereits seien in der Stadt Tyrus in Südlibanon sieben Tonnen Nothilfematerial an die Bevölkerung verteilt worden, teilte die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) mit. Das Material war am Montag vor Ort eingetroffen.
«Unglaubliche Zerstörungen»
Botschafter Barras sprach von «unglaublichen Zerstörungen». Ein Viertel der libanesischen Bevölkerung stehe durch Israels Militäroffensive auf der Strasse.
Brücken, Strassen und auch Flughäfen seien beschädigt. Für ein solch gastfreundliches Land sei das eine «wahre Katastrophe».
SKH-Chef Frisch macht sich derzeit vor Ort ein Bild über die humanitäre Lage. Die Sicherheit und die Versorgung der Zivilbevölkerung seien prekär, schreibt die DEZA.
Dringend benötigt würden Trinkwasser, Nahrung, medizinische Versorgung und Unterkünfte.
Camp aufbauen
In Beirut will das SKH ein Camp für mehrere zehntausend Vetriebene aufbauen helfen und sich zudem um die Versorgung von 67’000 Flüchtlingen in der Region Schuf im Westen der Hauptstadt kümmern.
Am Mittwoch will das SKH die Menschen mit Matratzen, Decken, Wasser und Kochutensilien versorgen.
Die Einwohner der Region Schuf kümmern sich nach Kräften um die vielen Flüchtlinge aus dem Süden, wie ein SKH-Augenschein vor Ort ergab.
Da die Schulferien bis 15. September dauern, wurden viele Flüchtlinge in Schulen einquartiert.
Familien von 10 bis 20 Personen wohnen nun in Schulzimmern, die nur etwa ein Viertel so gross sind wie diejenigen in der Schweiz.
Auch Hotels in teils sehr schlechtem Zustand – ohne Strom und ohne Abwasser-Infrastruktur – werden für die Unterbringung Vertriebener genutzt.
Weiteres Schiff mit Schweizern nach Zypern
Die Schweiz bemüht sich darum, weitere Landsleute in Libanon in Sicherheit zu bringen. Eine von Frankreich gecharterte griechische Fähre mit rund 1000 Plätzen legte am Dienstagabend von Beirut Richtung Zypern ab.
Auch rund 20 Schweizer waren an Bord, wie das Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) mitteilte. Damit seien nun alle ausreisewilligen Schweizer evakuiert worden – mit Ausnahme der gut 30 Schweizer, die sich noch im umkämpften Südlibanon aufhalten.
Die UNO-Beobachtertruppe UNIFIL brachte am Dienstag erneut mehr als 100 Ausländer aus Dörfern nahe des Kampfgebietes in Sicherheit. Unter ihnen befand sich laut EDA auch eine Schweizer Familie.
Mit weiteren Schweizern, die im Süden des Landes blockiert sind, halte die Schweizer Botschaft Kontakt, schrieb das EDA.
Die Botschaft in Beirut musste am Dienstag nach neuen israelischen Luftangriffen aus Sicherheitsgründen vorübergehend geschlossen werden.
Israel verstärkt den Druck
Israel hat am Dienstag erneut bekräftigt, die Hizbollah zu neutralisieren. Damit wird die Hoffnung auf einen baldigen Waffenstillstand hinfällig.
Gleichzeitig hat Israel seine Bodenoperationen gegen die islamistischen Milizen intensiviert. Israelische Flugzeuge und Schiffe fuhren mit dem Bombardement im Süden Beiruts fort.
Für Mittwoch ist in Rom eine Krisensitzung westlicher und arabischer Länder vorgesehen.
swissinfo und Agenturen
Das Schweizerische Korps für Humanitäre Hilfe (SKH) ist seit dem 18. Juli in Zypern, Libanon und in Damaskus im Einsatz.
Zuerst mit 30 Experten, am Dienstag stiessen 12 weitere dazu.
Die Schweiz hat 200’000 Franken an das libanesische Gesundheits-Ministerium für Medikamente überwiesen und 800 kg ärztliches Material nach Beirut verschifft.
Ausserdem hat sie dem IKRK 1,5 Mio. Franken für die libanesischen Opfer der Bombardierung sowie die dort lebenden palästinensischen Flüchtlinge überwiesen.
Laut internationalen Organisationen sind 300 Mio. Dollar nötig, um den Bedürfnissen der Bevölkerung nachzukommen.
Am 12. Juli begann Israel mit den Angriffen gegen Libanon, nachdem zwei israelische Soldaten von den islamistischen Milizen der Hizbollah entführt worden waren.
Insgesamt wurden bisher seit Beginn der Offensive mindestens 390 Personen, davon 334 Zivilisten, getötet worden. 800’000 gelten als vertrieben.
Wie die Europäische Union hat auch die Schweiz sowohl die Reaktion der israelischen Armee als «unverhältnismässig» bezeichnet als auch die Aggressionen der Hisbollah verurteilt.
Die Schweiz hat die beiden Konfliktparteien auch aufgefordert, das Völkerrecht zu respektieren.
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