Schweiz will Rotkreuz-Konflikt verhindern
Die Rotkreuz-Bewegung diskutiert seit längerem die Einführung eines neuen Symbols. Die Schweiz engagiert sich für eine Lösung dieser heiklen Frage.
Israel möchte der Rotkreuz-Bewegung beitreten, ohne eines der beiden bisher zugelassenen Embleme zu übernehmen.
Die israelische Hilfsorganisation Magen David Adom (Roter Davidstern) möchte seit 1949 der Internationalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmond-Gesellschaften beitreten. Bisher wurde dies abgelehnt, weil die Israelis keines der beiden gültigen Symbole – Rotes Kreuz und Roter Halbmond – übernehmen wollen.
Eine Lösung des Konfliktes hat man am Genfer Sitz des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) schon lange zur Hand: Neben dem Kreuz und dem Halbmond soll es einen Rhombus, einen «Roten Kristall», geben, wie Jean-François Queguiner vom IKRK gegenüber swissinfo sagt. Dieser würde bei Einsätzen in Kriegs- und Konfliktregionen als einheitliches Schutz-Emblem der Rotkreuz-Bewegung dienen.
«Als Kennzeichnung für sonstige Aktivitäten und Auftritte könnten die einzelnen nationalen Gesellschaften den ‹Roten Kristall› mit dem Symbol ihrer Wahl – Rotes Kreuz, Roter Halbmond oder eben dann auch Roter Davidstern – füllen», so Queguiner.
Aktive Schweiz
Für die Schaffung eines zusätzlichen Symbols für die Rotkreuz-Bewegung braucht es ein drittes Zusatzprotokoll zu den Genfer Konventionen, das von den 191 Unterzeichnerstaaten verabschiedet werden muss.
Das Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) verschickte im vergangenen Monat eine diplomatische Note an die 190 anderen Signatarstaaten. Darin bietet sich die Schweiz an, als Depositarstaat Ende Oktober in Genf eine Konferenz durchzuführen.
Dazu führt der Schweizer Diplomat Didier Pfirter jetzt Konsultationen. Er traf in Genf bereits Vertreter von 40 Staaten und bereiste sechs Hauptstädte im Nahen Osten.
Optimistisches IKRK
Für das IKRK ist die Lösung des Emblem-Problems Sache der Politik. «Wir mischen uns da nicht ein, das EDA bemüht sich jetzt intensiv darum», sagt IKRK-Sprecherin Antonella Notari gegenüber swissinfo.
«Wir sind so optimistisch wie schon lange nicht mehr. Die Zeichen stehen recht gut, es gibt auch eine weitgehende Unterstützung für das Projekt dieses Zusatzprotokolls zu den Genfer Konventionen», so Notari. Grosse Unbekannte bleibe allerdings der Zeitrahmen.
Obwohl die Lage im Nahost-Konflikt nach wie vor entscheidend für die Emblem-Frage sei, gehe es dem IKRK generell schon seit langem darum, unabhängig davon und weltweit ein Kennzeichen zu schaffen, das der Organisation erlaube, überall ohne kulturell-religiöse Vorurteile ihre Mission erfüllen zu können, betont die IKRK-Sprecherin.
Amerikanischer Druck
Aus Protest gegen die Nichtaufnahme des israelischen Roten Davidsterns in die Internationale Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmond-Gesellschaften sperrt das amerikanische Rote Kreuz seit fünf Jahren seine Zahlungen an die Institution.
Frank Mohrhauer, Sprecher der Föderation, will über die Höhe der ausstehenden Zahlungen nicht sprechen. «Es ist aber sicher ein grösserer Betrag», sagt er gegenüber swissinfo. Laut amerikanischen Quellen handelt es sich um über 35 Mio. Franken.
Nach dem fünfjährigen US-Zahlungsboykott müsste die Föderation gemäss ihren internen Regeln Sanktionen ergreifen. Die Generalversammlung vom kommenden November müsse den Zahlungsverzug formell feststellen, sagt Mohrhauer. Die Folge für die Amerikaner wäre, dass sie sich nicht mehr in die Organe der Föderation wählen lassen könnten.
Dass Sanktionen gegen das amerikanische Rote Kreuz, auch wenn sie noch so harmlos sind, zu einem Konflikt zwischen Genf und Washington führen könnten, will auch Roy Probert von der Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmond-Gesellschaften nicht glauben. «Es gibt wichtigere Probleme für die USA», so Probert.
Auch IKRK-Sprecherin Notari glaubt nicht an einen möglichen «Racheakt» der USA, der sich letzten Endes auch gegen das IKRK richten könnte. Die USA sind mit über 200 Mio. Franken jährlich immerhin sein grösster Beitragszahler.
Zudem sei das amerikanische Rote Kreuz nicht identisch mit der Bush-Regierung, betont Notari. Natürlich wisse man, dass der von den Republikanern beherrschte US-Kongress sich zu Aktionen gegen das ungeliebte IKRK hinreissen lassen könnte. Doch die US-Regierung anerkenne und schätze die Bemühungen der Schweiz, des IKRK und der Föderation für eine Lösung des Emblem-Konfliktes.
Nahost-Konflikt nach wie vor im Brennpunkt
Die von der Schweiz mit viel Engagement angestrebte Lösung des Emblem-Konfliktes der Rotkreuz-Bewegung hätte eigentlich schon vor fünf Jahren greifen können. Eine Konferenz der Unterzeichnerstaaten der Genfer Konventionen dazu war im Oktober 2000 schon einmal geplant.
Die Schweiz blies die Konferenz dann wohlweislich ab, nachdem der damalige israelische Oppositionsführer Ariel Sharon seinen Marsch auf den Jerusalemer Tempelberg inszeniert hatte. Denn darauf begannen die Palästinenser ihre zweite Intifada.
Heute ist die Lage im Nahen Osten zwar etwas entspannter, dennoch ist ein «Roter Kristall» als allseits respektiertes Schutzzeichen der Rotkreuz-Bewegung nicht problemlos absehbar.
swissinfo, Jean-Michel Berthoud
Das in Genf ansässige IKRK wurde 1863 gegründet.
Das IKRK hilft in bewaffneten Konflikten und gilt als Hüter der Genfer Konventionen.
Die Schweiz zahlte 2003 90 Mio. Franken ans IKRK, die USA 221 Mio. Franken.
Die Internationale Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmond-Gesellschaften wurde 1919 gegründet.
Die Föderation koordiniert die Hilfe der nationalen Gesellschaften bei Katastrophen.
Das Sekretariat in Genf hat ein Jahresbudget von 38 Mio. Franken, woran das Rote Kreuz der USA einen Viertel beisteuern sollte. Seit 2000 stehen diese Beträge aus.
Das Emblem des Roten Kreuzes geht auf die Gründungszeit des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) zurück. Man suchte damals nach einem Symbol für die humanitäre Tätigkeit und kam dabei auf die Idee, die Schweizer Flagge als Vorbild zu nehmen und einfach die Farben zu wechseln.
Einige Jahre nach der Gründung der Organisation führte die Türkei (das damalige Osmanische Reich) Krieg gegen Russland und konnte sich nicht vorstellen, die humanitäre Hilfe auf dem Schlachtfeld unter dem Zeichen des Kreuzes durchzuführen. Deshalb nahm man dann die türkische Flagge als Vorbild und drehte ebenfalls die Farben um: Das Emblem des Halbmonds war geboren.
Einige Staaten, darunter Israel, wollen sich nicht für eines der bisherigen Symbole entscheiden. Deshalb diskutiert die Rotkreuz-Bewegung seit längerem die Einführung eines neuen Emblems.
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