Schweizer Alpinisten gedenken Edmund Hillary
Der am Freitag gestorbene neuseeländische Alpinist Edmund Hillary war schon zu Lebzeiten eine Legende. 1953 hatte er zusammen mit Sherpa Tenzing Norgay den Mount Everest bezwungen.
Für frühere und heutige Schweizer Alpinisten war Everest-Erstbesteiger Hillary nicht nur ein Bergsteiger-Vorbild, sondern auch ein überzeugter Humanist.
Edmund Hillary starb im Alter von 88 Jahren an einem Herzinfarkt in einem Spital in der neuseeländischen Stadt Auckland. Mit seiner Erstbesteigung des 8848 Meter hohen Mount Everest am 29. Mai 1953 wurde er zu einer der grössten Abenteurer-Legenden des letzten Jahrhunderts.
Neuseelands Regierungschefin Helen Clark bezeichnete ihn als «Koloss». Und weiter: «Er war eine heroische Figur. Er bezwang nicht nur den Everest, er war auch ein entschlossener, bescheidener und grosszügiger Mensch.»
Schweizer Alpinisten als Vorpfader
Für Schweizer Alpinisten war der Erfolg Hillarys bittersüss. Genau ein Jahr vor dessen Everest-Erstbesteigung hatte ein Schweizer Team die Bezwingung des Berges knapp verfehlt. Und die Schweizer Alpinisten hatten dabei einen Pfad an der Everest-Südflanke für die britische Expedition ausgelegt, die ein Jahr später folgte.
Ernst Reiss, Mitglied der damaligen Schweizer Expedition, bedauert im Nachhinein aber nichts. «Ich war es, der beschloss, wieder abzusteigen», sagt er gegenüber swissinfo. «Die Wetterbedingungen waren äusserst hart, unsere Gesichter waren gefroren. Wenn wir nicht umgekehrt wären, hätten wir nur noch eine halbe Stunde überlebt.»
Nachher hätten einige Leute gesagt, er sei zu ängstlich gewesen. «Das ist aber nicht wahr, und ich bereue meine Entscheidung nicht», so Reiss.
Hillarys Team anerkannte die Vorarbeit der Schweizer Expedition und sandte ihr nach der Erstbesteigung ein Telegramm: «Die Hälfte des Ruhms geht an Euch.»
Pionierrolle
Heutige Schweizer Alpinisten wie Thomas Zwahlen anerkennen Hillarys Erfolg. «Er und Tenzing waren mit der Erstbesteigung des Everest Pioniere», sagt Zwahlen gegenüber swissinfo. «Aber er profitierte von der Schweizer Expedition.»
Für Zwahlen war der Erfolg des Neuseeländers nicht wirklich überraschend. «Er war gut vorbereitet, ein guter Kletterer, und er hatte Glück. Wenn er heute 30 wäre, wäre er einer der weltbesten Alpinisten», so der Berner Bergführer.
Ob Hillary und Tenzing «Helden» waren, kann Zwahlen nicht genau sagen. «Aber jeder, der eine Expedition in diesem Gebiet überlebte, war heroisch.»
Everest immer noch ein Mythos
Die meisten Experten betonen, der Mount Everest sei mit einer Ausrüstung bezwungen worden, die heute kein einzigere Alpinist mehr verwenden würde. Das Ausrüstungsmaterial habe sich massiv verbessert. Früher habe es lediglich Armee-Kleidung und -Schuhe gegeben.
Der mythische Status des Mount Everest ziehe immer noch viele Alpinisten an, erklärt Zwahlen. «Zu viele Bergsteiger machen den Everest wahrscheinlich kaputt», gesteht der Berner, der den Berg 2003 selber bestieg. Nur wenige würden es jedoch bis zum Gipfel schaffen.
Aktiv für Entwicklungshilfe
Nach Ansicht Zwahlens wird Hillarys grösste Leistung oft übersehen. «Er setzte seinen Ruhm für gute Zwecke ein. Seine Unterstützung für die Sherpas war für ihn zentral, nicht nur das Bergsteigen.»
Die Nepalesen nannten den 1.88 Meter grossen Hillary «burra sahib» – «den grossen Mann». Der Neuseeländer spendete während Jahrzehnten Energie und Geld für Projekte in Nepal. Dazu hatte er 1982 eigens den Himalaya Trust gegründet, mit dem Spitäler, Flughäfen, Schulen sowie Ausbildungsmöglichkeiten für Sherpa-Familien geschaffen wurden.
2003 ernannte Nepals Regierung Hillary für seine Hilfe an die Bevölkerung und die Solukhumbhu-Region, wo der Mount Everest liegt, zum Ehrenbürger des Landes.
swissinfo, Scott Capper
(Übertragung aus dem Englischen: Jean-Michel Berthoud)
Juni 1924: George Mallory und Andrew Irvine sind beim ersten Besteigungsversuch verschollen.
29. Mai 1953: Sir Edmund Hillary und Sherpa Tenzing Norgay bezwingen als erste den Everest.
16. Mai 1975: Die Japanerin Junko Tabei besteigt als erste Frau den Everest.
8. Mai 1978: Der Italiener Reinhold Messner und der Österreicher Peter Habeler bezwingen den Everest erstmals ohne Sauerstoffmaske.
20. August 1980: Messner wird zum ersten Alleinbesteiger.
10.-11. Mai 1996: Acht Alpinisten kommen bei einem Sturm am Everest ums Leben. Die Tragödie löst Fragen über die Kommerzialisierung des Everest aus.
15. Mai 2006: Der britische Alpinist David Sharp stirbt nahe des Everest-Gipfels. Mehrere andere Bergsteiger gingen an ihm vorbei, ohne dem Sterbenden zu helfen. Dies löste eine weltweite Kontroverse aus.
Bienenzüchter: Hillary, 1919 in Auckland geboren, wurde nach der Schulausbildung wie sein Vater Bienenzüchter. Der Sommerjob erlaubte ihm, im Winter Berge zu besteigen.
Adligsprechung: Nach dem Erfolg der Everest-Erstbesteigung wurde «Sir Edmund Hillary KBE» geadelt.
Nationalheld: Viele Neuseeländer nennen Hillary liebevoll «Sir Ed» und glauben, dass dessen Direktheit und Humor das beste im Neuseeländer verkörpern. Nach Bekanntwerden seines Todes bezeichnete Regierungschefin Helen Clark Hillary als «reinsten Kiwi».
5-Dollar-Note: Hillary wurde 1960 als erster noch lebender Neuseeländer auf einer Banknote verewigt.
Weitere Erfolge: Nach der erfolgreichen Everest-Besteigung leitete Hillary eine Anzahl weiterer Expeditionen. Er kehrte mehrmals nach Nepal zurück, wo er in späteren Jahren zur Verbesserung der Lebensbedingungen des Bergvolkes beitrug.
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