Schweizer Armee-Ikone: Was Testpilotin Fanny Chollet den Mädchen sagt, die ihr nacheifern
Fanny Chollet ist die einzige Kampfflugzeugpilotin der Schweiz und hat gerade als erste Vertreterin ihres Landes die Testpilotenausbildung der United States Air Force abgeschlossen. Wie sieht sie ihre Rolle als Frau in einem von Männern dominierten Bereich?
Fanny Chollet verbrachte 50 Wochen an der USAF (United States Air Force) Test Pilot School in Kalifornien. Ihr Abschluss vom 8. Juni qualifiziert sie, verschiedene Flugzeugtypen für das Bundesamt für Rüstung (Armasuisse) zu testen.
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Die 33-jährige Chollet ist eine von insgesamt sieben Schweizer Militärpilotinnen, aber seit 2019 die einzige Frau, die Kampfflugzeuge im Kampfeinsatz fliegen darf.
Die Bedeutung ihrer Rolle als Frau in einem traditionell von Männern dominierten Bereich spielt sie herunter: «Als ich mich entschied, Militärpilotin zu werden, hatte es nichts damit zu tun, dass ich die erste Frau sein wollte», sagte Chollet in einem Interview mit der USAF. «Und als ich mich für die US-Testpilotenschule bewarb, wusste ich nicht einmal, dass ich die erste Pilotin aus der Schweiz war.»
Stattdessen sei sie durch den Ehrgeiz motiviert, ihrem Land zu dienen. «Ich fühle mich sehr glücklich, diesen Job machen zu können. Nicht speziell als Frau, sondern einfach als Mensch», sagte sie der Zeitung Blick. «Nicht jeder hat dieses Privileg. Dass ich eine Frau bin, ist weder ein Vorteil noch ein Nachteil. Wie jeder Pilot bin ich mir der Risiken dieses Berufs bewusst.»
In der Schweiz sind Männer ab dem 18. Lebensjahr zum Dienst in der Milizarmee verpflichtet. Seit 1995 steht der Militärdienst auch Frauen auf freiwilliger Basis offen.
Im Jahr 2004 wurden die Beschränkungen für die Aufgaben, die Frauen übernehmen können, aufgehoben. Seitdem dürfen Frauen die gleichen Funktionen wie Männer ausüben, einschliesslich des Fliegens von Kampfflugzeugen.
Wachsende Zahl von Frauen
Die Zahl der Frauen, die sich freiwillig für die Schweizer Armee melden, ist im Vergleich zu den Männern immer noch relativ gering. Im März 2023 (neueste Zahlen) machten sie 1,4 Prozent aller Rekrut:innen aus. Die Zahl der freiwilligen Frauen ist jedoch von 1253 im Jahr 2020 auf 2046 im letzten Jahr gestiegen.
In ihren Reihen befinden sich 580 Offizierinnen, darunter Generalmajorin Germaine JF Seewer, die 2020 als erste Frau diesen Rang erreichte. Ihre oberste Vorgesetzte ist Viola Amherd, die 2019 die erste Verteidigungsministerin der Schweiz wurde.
Die 2021 lancierte Gleichstellungsstrategie der Schweizer Regierung sieht vor, den Frauenanteil in den Streitkräften bis 2030 auf zehn Prozent zu erhöhen.
Zur Unterstützung dieses Ziels hat das Verteidigungsministerium 2022 eine «Fachstelle Frauen in der Armee und Diversity» eingerichtet.
Die Abteilung hat eine Umfrage unter Armeeangehörigen über Diskriminierung und geschlechtsspezifische Gewalt durchgeführt, die Ergebnisse wird sie voraussichtlich noch im laufenden Jahr publizieren.
Eine weitere Umfrage, die 2025 veröffentlicht werden soll, befragte Frauen in der Schweiz zu ihrer Motivation, der Armee beizutreten, und zu den wahrgenommenen Hindernissen für den Eintritt.
«Habt keine Angst»
«Viele Mädchen, die Pilotinnen werden wollen, wenden sich an mich und ich sage ihnen: ‹Habt keine Angst, es zu versuchen'», sagte Chollet in ihrem USAF-Interview.
Die Schweiz ist nicht das einzige Land mit Kampfpilotinnen in der Luftwaffe. China, die Vereinigten Staaten, Japan, Israel, Taiwan, Indien, Grossbritannien und Pakistan sind nur einige weitere Beispiele.
Vor zwei Jahren erwog das Schweizer Verteidigungsministerium, die geschlechtsneutrale Wehrpflicht von Norwegen zu kopieren, doch diese Option wurde am Schluss nicht angenommen.
Die Forderung nach einer Wehrpflicht für Frauen in der Schweiz wird seit Jahren immer wieder erhoben, konnte aber bisher weder die Politiker:innen noch die breite Öffentlichkeit überzeugen.
Volksabstimmung in Sicht
Die Idee kam letztes Jahr wieder auf, als eine Volksinitiative zur Ausweitung der Dienstpflicht die nötige Unterschriftenzahl erreichte. Sie wird voraussichtlich im Jahr 2026 zur Abstimmung kommen.
Die Initiative fordert, dass alle jungen Menschen, unabhängig von ihrem Geschlecht, einen obligatorischen Dienst leisten müssen, entweder in der Armee oder im Zivildienst, beispielsweise im Umweltschutz oder in der Pflege.
Die pazifistische Vereinigung «Gruppe für eine Schweiz ohne Armee» (GSoA) fordert, dass dies nicht dazu führen darf, dass Frauen zum Militärdienst verpflichtet werden.
«Gleichstellung soll nicht bedeuten, dass auch Frauen zum Armeedienst verpflichtet werden, sondern dass auch Männer nicht mehr dazu verpflichtet werden», schrieb die GSoA 2023 in einer Medienmitteilung.
Schweizer Frauen durften, konnten und mussten ab 1903 im Roten Kreuz mitarbeiten und taten dies in grosser Zahl während und zwischen den beiden Weltkriegen.
Später konnten Frauen im Rahmen des sogenannten «Militärischen Frauenhilfsdienstes», der während des Zweiten Weltkriegs gegründet wurde und sich schliesslich vom Roten Kreuz löste, eine Rolle im Militär übernehmen.
In den 1980er Jahren wurde der Frauenhilfsdienst einer Reihe von Reformen unterzogen, die eine militärische Ausbildung und parallele Dienstgrade für Frauen ermöglichten.
Seit 1995 sind Frauen in die Armee integriert. Bis 2004 waren sie von bestimmten Kampfeinsätzen prinzipiell ausgeschlossen, doch seither können sie jede Rolle ausüben, für die sie sich qualifizieren, indem sie die gleichen körperlichen Tests wie Männer mit den gleichen Mindestanforderungen absolvieren.
Ebenfalls seit 2004 erhalten Frauen automatisch eine Dienstwaffe.
Die Schweiz hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 einen Frauenanteil von zehn Prozent in der Armee zu erreichen.
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