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Schweizer Beobachterin in Nahost getötet

Israelische Soldaten untersuchen nach dem Vorfall bei Hebron das Fahrzeug der TIPH. Keystone

Die internationale Beobachtergruppe TIPH stellt ihre Tätigkeiten ein, nachdem zwei ihrer Mitarbeiter, darunter eine Schweizerin, bei Hebron getötet worden sind.

Am Dienstagabend sind zwei Angehörige der unbewaffneten Internationalen Beobachtergruppe (TIPH) im Westjordanland nahe Hebron erschossen worden. Die Internationale Beobachtermission hat ihre Tätigkeiten nach dem tödlichen Vorfall bei Hebron bis auf weiteres eingestellt.

Schweiz vor Ort

Nach Angaben der TIPH handelt es sich bei den Getöteten um die Schweizerin Catherine Berruex und den türkischen stellvertretenden Leiter der Mission, Turtug Cengiz Toytunc. Ein weiterer türkischer TIPH-Angehöriger wurde verletzt.Ein Sprecher des TIPH betonte weiter, dass die Beobachter in einem deutlich markierten Fahrzeug unterwegs gewesen waren.

Die TIPH-Angehörige Aude Marcovitch, Zimmergenossin von Catherine Berruex, beschrieb die Stimmung am Mittwoch nach dem Anschlag als «sehr traurig und niedergeschlagen». Die drei hätten sich auf dem Weg nach Tel Aviv oder Bersheva befunden, um für einen Abend der Stimmung in Hebron zu entfliehen. Die Sicherheitslage habe sich in den letzten drei Wochen immer weiter verschlechtert, sagte Marcovitch: «Die Gebäude der TIPH gerieten ins Kreuzfeuer der Israelis und Palästinenser.»

Laut EDA-Sprecher Livio Zanolari begab sich der Geschäftsträger der Schweizer Botschaft nach Hebron, um der 8-köpfigen Schweizer Beobachter-Delegation zur Seite zu stehen.

Bundesrat verurteilt den Akt der Gewalt

In Bern hat der Bundesrat mit Bestürzung auf den Tod der jungen Schweizerin in Hebron reagiert. Aussenminister Joseph Deiss verband sein Bedauern mit einem Appell an die Konfliktparteien im Nahen Osten. «Es soll alles getan werden, dass die Gewaltspirale durchbrochen wird», sagte er. Der Bundesrat verurteile den Akt der Gewalt mit aller Kraft. Die Schweiz biete den Parteien weiter ihre Guten Dienste an.

Deiss bedauerte, dass die Gewalt gerade diejenigen traf, die sich für den Frieden einsetzten. Noch in der Nacht zum Mittwoch habe er mit dem norwegischen Aussenminister, dessen Land die internationale Beobachtermission in Hebron (TIPH) koordiniert, die Situation erörtert. Als unmittelbare Reaktion auf den Anschlag wurde die Sicherheit der Beobachter vor Ort verstärkt. Die Aktivität der TIPH werde vorerst ausgesetzt.

Eine Untersuchungskommission bestehend aus Vertretern Israels, der palästinensischen Behörden und der TIPH soll die Details der Tat rekonstruieren. Die weiteren Entscheide sollen in Ruhe getroffen werden, wobei noch alle Optionen offen stünden.

Gegenseitige Schuldzweisung

Vor Ort sagte ein Sprecher der israelischen Armee (IDF) gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, Palästinenser hätten das Feuer auf das Fahrzeug der Beobachter eröffnet.

Dies wurde von palästinensischer Seite dementiert. Reuters zitierte den Bürgermeister des palästinensischen Teils Hebrons, der erklärte, israelische Soldaten hätten die Beobachter mit Munition beschossen, die nur die israelische Armee benutze.

Die Autonomiebehörde verlangte eine internationale Untersuchung der israelischen Militäraktionen in den Palästinenser-Gebieten.

Die beiden Mitglieder der TIPH waren die ersten ausländischen Beobachter, die seit Beginn der Al-Aqsa-Intifada im September 2000 getötet wurden.

Unbewaffnete UNO-Schutztruppe

Die unbewaffnete Internationale Beobachtergruppe ist in der geteilten Stadt Hebron im Einsatz, um Gewalt zwischen radikalen Juden und Arabern verhindern zu helfen und das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung zu erhöhen.

An der 87-köpfigen Beobachtermission unter norwegischer Führung sind insgesamt 8 Schweizerinnen und Schweizer beteiligt. Der Gruppe gehören ausserdem Personen aus Italien, Dänemark und Schweden an.

Die Beobachter wurden entsandt, nachdem der israelische Arzt Baruch Goldstein im Februar 1994 in einer Moschee das Feuer auf betende Palästinenser eröffnet und 29 von ihnen getötet hatte.

Nach zähen Verhandlungen zwischen der israelischen Regierung und den palästinensischen Autonomiebehörden wurde die Mission in der geteilten Stadt Hebron tätig. Seit Mai 1996 sind die Beobachter ohne Unterbruch präsent.

Die Mitglieder der TIPH dürfen nicht selber in die Ereignisse eingreifen, dokumentieren aber regelmässig Übergriffe und treffen sich zu Sitzungen mit allen Beteiligten.

Die israelische Armee wirft der TIPH vor, Informationen an die Palästinenser-Gruppen weiter zu geben.

Geteilte Stadt

In Hebron leben etwa 450 radikale Siedler inmitten von 160’000 Palästinensern. Die geteilte Stadt wird zu vier Fünfteln von den Palästinensern kontrolliert, der Rest untersteht israelischer Hoheit.

Während die Palästinenser immer wieder eine internationale Beobachtertruppe für die gesamten Palästinensergebiete fordern, lehnt Israel dies grundsätzlich ab.

swissinfo und Agenturen

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